Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.zuführen, deren Leitung sich trotz weitgehender Analogien im Jm Verlaufe dieses politischen Enteignungsprozesses nun, Machen wir uns, ehe wir näher auf sie eingehen, den Sach- zuführen, deren Leitung ſich trotz weitgehender Analogien im Jm Verlaufe dieſes politiſchen Enteignungsprozeſſes nun, Machen wir uns, ehe wir näher auf ſie eingehen, den Sach- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="10"/> zuführen, deren Leitung ſich trotz weitgehender Analogien im<lb/> Jnnerſten nach ganz anderen Geſetzen richtet als die politiſche<lb/> Verwaltung. Dazu nehmen wir heute nicht Stellung. Jch<lb/> ſtelle für unſere Betrachtung nur das rein <hi rendition="#g">Begriffliche</hi> feſt:<lb/> daß der moderne Staat ein anſtaltsmäßiger Herrſchaftsverband<lb/> iſt, der innerhalb eines Gebietes die legitime phyſiſche Gewalt-<lb/> ſamkeit als Mittel der Herrſchaft zu monopoliſieren mit Er-<lb/> folg getrachtet hat und zu dieſem Zweck die ſachlichen Be-<lb/> triebsmittel in der Hand ſeiner Leiter vereinigt, die ſämtlichen<lb/> eigenberechtigten ſtändiſchen Funktionäre aber, die früher zu<lb/> Eigenrecht darüber verfügten, enteignet und ſich ſelbſt in ſeiner<lb/> höchſten Spitze an deren Stelle geſetzt hat.</p><lb/> <p>Jm Verlaufe dieſes politiſchen Enteignungsprozeſſes nun,<lb/> der in allen Ländern der Erde mit wechſelndem Erfolge ſpielte,<lb/> ſind, und zwar zuerſt im Dienſte der Fürſten, die erſten Kat-<lb/> egorien von „Berufspolitikern“ in einem <hi rendition="#g">zweiten</hi> Sinn auf-<lb/> getreten, von Leuten, die nicht ſelbſt Herren ſein wollten, wie<lb/> die charismatiſchen Führer, ſondern <hi rendition="#g">in den Dienſt</hi> von poli-<lb/> tiſchen Herren traten. Sie ſtellten ſich in dieſem Kampfe den<lb/> Fürſten zur Verfügung und machten aus der Beſorgung von<lb/> deſſen Politik einen materiellen Lebenserwerb einerſeits, einen<lb/> ideellen Lebensinhalt anderſeits. Wieder <hi rendition="#g">nur</hi> im Okzident<lb/> finden wir <hi rendition="#g">dieſe</hi> Art von Berufspolitikern auch im Dienſt<lb/> anderer Mächte als nur der Fürſten. Jn der Vergangenheit<lb/> waren ſie deren wichtigſtes Macht- und politiſches Expropria-<lb/> tionsinſtrument.</p><lb/> <p>Machen wir uns, ehe wir näher auf ſie eingehen, den Sach-<lb/> verhalt, den die Exiſtenz ſolcher „Berufspolitiker“ darſtellt, nach<lb/> allen Seiten unzweideutig klar. Man kann „Politik“ treiben<lb/> – alſo: die Machtverteilung zwiſchen und innerhalb politiſcher<lb/> Gebilde zu beeinfluſſen trachten – ſowohl als „Gelegenheits“-<lb/> politiker wie als nebenberuflicher oder hauptberuflicher Poli-<lb/> tiker, genau wie beim ökonomiſchen Erwerb. „Gelegenheits“-<lb/> politiker ſind wir alle, wenn wir unſeren Wahlzettel abgeben<lb/> oder eine ähnliche Willensäußerung: etwa Beifall oder Proteſt<lb/> in einer „politiſchen“ Verſammlung, vollziehen, eine „politiſche“<lb/> Rede halten uſw., – und bei vielen Menſchen beſchränkt ſich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
zuführen, deren Leitung ſich trotz weitgehender Analogien im
Jnnerſten nach ganz anderen Geſetzen richtet als die politiſche
Verwaltung. Dazu nehmen wir heute nicht Stellung. Jch
ſtelle für unſere Betrachtung nur das rein Begriffliche feſt:
daß der moderne Staat ein anſtaltsmäßiger Herrſchaftsverband
iſt, der innerhalb eines Gebietes die legitime phyſiſche Gewalt-
ſamkeit als Mittel der Herrſchaft zu monopoliſieren mit Er-
folg getrachtet hat und zu dieſem Zweck die ſachlichen Be-
triebsmittel in der Hand ſeiner Leiter vereinigt, die ſämtlichen
eigenberechtigten ſtändiſchen Funktionäre aber, die früher zu
Eigenrecht darüber verfügten, enteignet und ſich ſelbſt in ſeiner
höchſten Spitze an deren Stelle geſetzt hat.
Jm Verlaufe dieſes politiſchen Enteignungsprozeſſes nun,
der in allen Ländern der Erde mit wechſelndem Erfolge ſpielte,
ſind, und zwar zuerſt im Dienſte der Fürſten, die erſten Kat-
egorien von „Berufspolitikern“ in einem zweiten Sinn auf-
getreten, von Leuten, die nicht ſelbſt Herren ſein wollten, wie
die charismatiſchen Führer, ſondern in den Dienſt von poli-
tiſchen Herren traten. Sie ſtellten ſich in dieſem Kampfe den
Fürſten zur Verfügung und machten aus der Beſorgung von
deſſen Politik einen materiellen Lebenserwerb einerſeits, einen
ideellen Lebensinhalt anderſeits. Wieder nur im Okzident
finden wir dieſe Art von Berufspolitikern auch im Dienſt
anderer Mächte als nur der Fürſten. Jn der Vergangenheit
waren ſie deren wichtigſtes Macht- und politiſches Expropria-
tionsinſtrument.
Machen wir uns, ehe wir näher auf ſie eingehen, den Sach-
verhalt, den die Exiſtenz ſolcher „Berufspolitiker“ darſtellt, nach
allen Seiten unzweideutig klar. Man kann „Politik“ treiben
– alſo: die Machtverteilung zwiſchen und innerhalb politiſcher
Gebilde zu beeinfluſſen trachten – ſowohl als „Gelegenheits“-
politiker wie als nebenberuflicher oder hauptberuflicher Poli-
tiker, genau wie beim ökonomiſchen Erwerb. „Gelegenheits“-
politiker ſind wir alle, wenn wir unſeren Wahlzettel abgeben
oder eine ähnliche Willensäußerung: etwa Beifall oder Proteſt
in einer „politiſchen“ Verſammlung, vollziehen, eine „politiſche“
Rede halten uſw., – und bei vielen Menſchen beſchränkt ſich
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