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Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895.

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ökonomische Entwicklung sprengte, für die schweren Kämpfe der
Zukunft. Gelänge es in der That, eine "Arbeiteraristokratie" zu
schaffen, welche Trägerin des politischen Sinnes wäre, den wir heute
an der Arbeiterbewegung vermissen, dann erst möge der Speer,
für welchen der Arm des Bürgertums noch immer nicht stark
genug zu werden scheint, auf jene breiteren Schultern abgelegt
werden. Bis dahin scheint es noch ein weiter Weg.

Für jetzt aber sehen wir Eines: eine ungeheure politische
Erziehungsarbeit ist zu leisten und keine ernstere Pflicht besteht
für uns, als, ein Jeder in seinem kleinen Kreise, uns eben dieser
Aufgabe bewußt zu sein: an der politischen Erziehung unserer
Nation mitzuarbeiten, welche das letzte Ziel auch gerade unserer
Wissenschaft bleiben muß. Die ökonomische Entwicklung der
Uebergangsperioden bedroht die natürlichen politischen Jnstinkte
mit Zersetzung; es wäre ein Unglück, wenn auch die ökonomische
Wissenschaft dem gleichen Ziele zustrebte, indem sie einen weichen
Eudämonismus, wenn auch in noch so vergeistigter Form, hinter
der Jllusion selbständiger "sozialpolitischer" Jdeale züchtete.

Freilich dürfen deshalb gerade wir wohl daran erinnern,
daß es das Gegenteil von politischer Erziehung ist, wenn man
ein Mißtrauensvotum gegen die friedliche soziale Zukunft der
Nation in Paragraphen zu formulieren sucht, oder wenn das
brachium saeculare nach der Hand der Kirche greift zur Stütze
zeitlicher Autoritäten. Aber das Gegenteil von politischer Er-
ziehung bekundet auch das schablonenhafte Gekläff jenes stets an-
wachsenden Chorus der - wenn mir der Ausdruck verziehen
wird - Wald- und Wiesen-Sozialpolitiker, und ebenso jene
menschlich liebenswürdige und achtungswerte, dennoch aber un-
säglich spießbürgerliche Erweichung des Gemütes, welche poli-

ökonomiſche Entwicklung ſprengte, für die ſchweren Kämpfe der
Zukunft. Gelänge es in der That, eine „Arbeiterariſtokratie“ zu
ſchaffen, welche Trägerin des politiſchen Sinnes wäre, den wir heute
an der Arbeiterbewegung vermiſſen, dann erſt möge der Speer,
für welchen der Arm des Bürgertums noch immer nicht ſtark
genug zu werden ſcheint, auf jene breiteren Schultern abgelegt
werden. Bis dahin ſcheint es noch ein weiter Weg.

Für jetzt aber ſehen wir Eines: eine ungeheure politiſche
Erziehungsarbeit iſt zu leiſten und keine ernſtere Pflicht beſteht
für uns, als, ein Jeder in ſeinem kleinen Kreiſe, uns eben dieſer
Aufgabe bewußt zu ſein: an der politiſchen Erziehung unſerer
Nation mitzuarbeiten, welche das letzte Ziel auch gerade unſerer
Wiſſenſchaft bleiben muß. Die ökonomiſche Entwicklung der
Uebergangsperioden bedroht die natürlichen politiſchen Jnſtinkte
mit Zerſetzung; es wäre ein Unglück, wenn auch die ökonomiſche
Wiſſenſchaft dem gleichen Ziele zuſtrebte, indem ſie einen weichen
Eudämonismus, wenn auch in noch ſo vergeiſtigter Form, hinter
der Jlluſion ſelbſtändiger „sozialpolitiſcher“ Jdeale züchtete.

Freilich dürfen deshalb gerade wir wohl daran erinnern,
daß es das Gegenteil von politiſcher Erziehung iſt, wenn man
ein Mißtrauensvotum gegen die friedliche ſoziale Zukunft der
Nation in Paragraphen zu formulieren ſucht, oder wenn das
brachium saeculare nach der Hand der Kirche greift zur Stütze
zeitlicher Autoritäten. Aber das Gegenteil von politiſcher Er-
ziehung bekundet auch das ſchablonenhafte Gekläff jenes ſtets an-
wachſenden Chorus der – wenn mir der Ausdruck verziehen
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[33/0039] ökonomiſche Entwicklung ſprengte, für die ſchweren Kämpfe der Zukunft. Gelänge es in der That, eine „Arbeiterariſtokratie“ zu ſchaffen, welche Trägerin des politiſchen Sinnes wäre, den wir heute an der Arbeiterbewegung vermiſſen, dann erſt möge der Speer, für welchen der Arm des Bürgertums noch immer nicht ſtark genug zu werden ſcheint, auf jene breiteren Schultern abgelegt werden. Bis dahin ſcheint es noch ein weiter Weg. Für jetzt aber ſehen wir Eines: eine ungeheure politiſche Erziehungsarbeit iſt zu leiſten und keine ernſtere Pflicht beſteht für uns, als, ein Jeder in ſeinem kleinen Kreiſe, uns eben dieſer Aufgabe bewußt zu ſein: an der politiſchen Erziehung unſerer Nation mitzuarbeiten, welche das letzte Ziel auch gerade unſerer Wiſſenſchaft bleiben muß. Die ökonomiſche Entwicklung der Uebergangsperioden bedroht die natürlichen politiſchen Jnſtinkte mit Zerſetzung; es wäre ein Unglück, wenn auch die ökonomiſche Wiſſenſchaft dem gleichen Ziele zuſtrebte, indem ſie einen weichen Eudämonismus, wenn auch in noch ſo vergeiſtigter Form, hinter der Jlluſion ſelbſtändiger „sozialpolitiſcher“ Jdeale züchtete. Freilich dürfen deshalb gerade wir wohl daran erinnern, daß es das Gegenteil von politiſcher Erziehung iſt, wenn man ein Mißtrauensvotum gegen die friedliche ſoziale Zukunft der Nation in Paragraphen zu formulieren ſucht, oder wenn das brachium saeculare nach der Hand der Kirche greift zur Stütze zeitlicher Autoritäten. Aber das Gegenteil von politiſcher Er- ziehung bekundet auch das ſchablonenhafte Gekläff jenes ſtets an- wachſenden Chorus der – wenn mir der Ausdruck verziehen wird – Wald- und Wieſen-Sozialpolitiker, und ebenſo jene menſchlich liebenswürdige und achtungswerte, dennoch aber un- ſäglich ſpießbürgerliche Erweichung des Gemütes, welche poli-

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Zitationshilfe: Weber, Max: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Freiburg (Breisgau) u. a., 1895, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_nationalstaat_1895/39>, abgerufen am 24.11.2024.