Weber, Mathilde: Ein Besuch in Zürich bei den weiblichen Studierenden der Medizin. Stuttgart, 1888.Ein Besuch in Zürich bei den weiblichen Studierenden der Medizin. Vor wenigen Monaten bekam ich einen freundlichen Brief von der Der Verein ließ mich einladen, einer seiner Monatsversammlungen bei- Jch gestehe es. das Herz schlug mir deshalb höher, als ich am Abend Trotzdem ich den Abend zuvor schon von den bei Frau E. eingelade- Ein Besuch in Zürich bei den weiblichen Studierenden der Medizin. Vor wenigen Monaten bekam ich einen freundlichen Brief von der Der Verein ließ mich einladen, einer seiner Monatsversammlungen bei- Jch gestehe es. das Herz schlug mir deshalb höher, als ich am Abend Trotzdem ich den Abend zuvor schon von den bei Frau E. eingelade- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0003" n="[3]"/> <div n="1"> <head>Ein Besuch in Zürich bei den weiblichen Studierenden<lb/> der Medizin.</head><lb/> <byline>Ein Beitrag zur Klärung der Frage des Frauenstudiums von <hi rendition="#g">Mathilde Weber</hi>.</byline><lb/> <p>Vor wenigen Monaten bekam ich einen freundlichen Brief von der<lb/> Vorsitzenden des neu gegründeten allgemeinen Studentinnenvereins aus<lb/> Zürich. Sie sprach mir in demselben den Dank des Vereins aus, weil<lb/> ich in meiner kleinen Schrift (Aerztinnen für Frauenkrankheiten, eine ethische<lb/> und sanitäre Notwendigkeit, bei Franz Fues, Tübingen 1888) eine Lanze<lb/> für das Studium der Medizin der Frauen gebrochen hatte.</p><lb/> <p>Der Verein ließ mich einladen, einer seiner Monatsversammlungen bei-<lb/> zuwohnen. Gerne folgte ich der Einladung. War es doch längst mein<lb/> Wunsch, vor der im Oktober erscheinenden vierten Auflage obiger kleinen<lb/> Schrift persönlich in Zürich Erfahrungen zu sammeln über den seitherigen<lb/> Verlauf und Erfolg des Frauenstudiums daselbst. Namentlich wollte ich<lb/> auch an Ort und Stelle unbefangen Urteile hören über das Thun und<lb/> Leben der Studentinnen selbst. Wob sich doch in der Ferne längst durch<lb/> engherziges Vorurteil der Gesellschaft ein schwarzer Schleier abenteuerlicher<lb/> Vorstellungen um die – „Studentinnen“.</p><lb/> <p>Jch gestehe es. das Herz schlug mir deshalb höher, als ich am Abend<lb/> des zwölften Juli in den Verein eingeführt wurde durch die Medizin<lb/> studierende Tochter meiner gütigen Gastfreundin, Frau Eishold aus Dresden,<lb/> die um ihrer Tochter willen nach Zürich gezogen war. Die Vereinszu-<lb/> sammenkünfte wurden in dem Salon einer zur Universität gehörenden<lb/> Dame bei einer Tasse Thee abgehalten. Bereits hatten etliche vierzig<lb/> Damen Platz genommen.</p><lb/> <p>Trotzdem ich den Abend zuvor schon von den bei Frau E. eingelade-<lb/> nen deutschen Studentinnen den besten Eindruck empfangen hatte, überfiel<lb/> mich doch plötzlich eine geheime Furcht. Hatte ich nicht doch vielleicht diese<lb/> Studienfrage zu ideal und vertrauensvoll aufgefaßt? – Und doch war<lb/> nun durch meine kleine Broschüre für immer mein Name daran geknüpft.<lb/> Mußte ich nicht vielleicht hier eine große Enttäuschung durchmachen beim<lb/> persönlichen Kennenlernen dieser jungen Mitkämpferinnen für Frauenbildung<lb/> und geistige Berufsarbeit? Diese Fragen stürzten plötzlich über mich her-<lb/> ein; angstvoll fühlte ich mich von Glut übergossen. Nun, seit ich in Zürich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0003]
Ein Besuch in Zürich bei den weiblichen Studierenden
der Medizin.
Ein Beitrag zur Klärung der Frage des Frauenstudiums von Mathilde Weber.
Vor wenigen Monaten bekam ich einen freundlichen Brief von der
Vorsitzenden des neu gegründeten allgemeinen Studentinnenvereins aus
Zürich. Sie sprach mir in demselben den Dank des Vereins aus, weil
ich in meiner kleinen Schrift (Aerztinnen für Frauenkrankheiten, eine ethische
und sanitäre Notwendigkeit, bei Franz Fues, Tübingen 1888) eine Lanze
für das Studium der Medizin der Frauen gebrochen hatte.
Der Verein ließ mich einladen, einer seiner Monatsversammlungen bei-
zuwohnen. Gerne folgte ich der Einladung. War es doch längst mein
Wunsch, vor der im Oktober erscheinenden vierten Auflage obiger kleinen
Schrift persönlich in Zürich Erfahrungen zu sammeln über den seitherigen
Verlauf und Erfolg des Frauenstudiums daselbst. Namentlich wollte ich
auch an Ort und Stelle unbefangen Urteile hören über das Thun und
Leben der Studentinnen selbst. Wob sich doch in der Ferne längst durch
engherziges Vorurteil der Gesellschaft ein schwarzer Schleier abenteuerlicher
Vorstellungen um die – „Studentinnen“.
Jch gestehe es. das Herz schlug mir deshalb höher, als ich am Abend
des zwölften Juli in den Verein eingeführt wurde durch die Medizin
studierende Tochter meiner gütigen Gastfreundin, Frau Eishold aus Dresden,
die um ihrer Tochter willen nach Zürich gezogen war. Die Vereinszu-
sammenkünfte wurden in dem Salon einer zur Universität gehörenden
Dame bei einer Tasse Thee abgehalten. Bereits hatten etliche vierzig
Damen Platz genommen.
Trotzdem ich den Abend zuvor schon von den bei Frau E. eingelade-
nen deutschen Studentinnen den besten Eindruck empfangen hatte, überfiel
mich doch plötzlich eine geheime Furcht. Hatte ich nicht doch vielleicht diese
Studienfrage zu ideal und vertrauensvoll aufgefaßt? – Und doch war
nun durch meine kleine Broschüre für immer mein Name daran geknüpft.
Mußte ich nicht vielleicht hier eine große Enttäuschung durchmachen beim
persönlichen Kennenlernen dieser jungen Mitkämpferinnen für Frauenbildung
und geistige Berufsarbeit? Diese Fragen stürzten plötzlich über mich her-
ein; angstvoll fühlte ich mich von Glut übergossen. Nun, seit ich in Zürich
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