Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

Systeme und graphische Construktionen der böhmischen Kappe.
Grundrisse die Zwickelanläufe zu bestimmen; hingegen da Platzelge-
wölbe nach beliebigen Bogenlinien gewölbt werden können, ist es für
das allgemeine Verständniß erforderlich, nicht den horizontalen Quer-
schnitt des Gewölbes (der bei rechteckiger Grundform wie Fig. D gar
keine Berechtigung hat und auch zeitraubend zu construiren ist), son-
dern die umgeklappten Schildlinien (Anläufe) im Grundrisse zu
zeichnen, zumal diese in der Praxis von den Maurern behufs An-
fertigung der Lehrbögen doch verlangt werden.

e) Allgemeine Dimensionen: Ueber 6--7m pflegt man die
Platzelgewölbe nicht gerne zu machen und erhalten dieselben

bis 5m Spannweite 1/2 Stein zur Stärke,
bis 7m Spannweite
1/2 Stein im Scheitel,
1 Stein am Widerlager,
bis 3m Spannweite kann man sie sogar 1/4 Stein im Scheitel
einwölben mit Benutzung des Cementmörtels, jedoch
ohne Belastung des Gewölbes.
IX. Die böhmische Kappe
oder das "preußische Platzelgewölbe"

(letztere Benennung in Oesterreich üblich)

ist eigentlich nur ein ganz flaches böhmisches Gewölbe mit 1/5 --1/12
Pfeilhöhe.

a) System und graphische Construktionen. Dieses Ge-
wölbe kommt in der Praxis sehr häufig vor an Stelle der ganz flachen
Tonnengewölbe (preußisches Kappengewölbe), da seine geschwungenen
Anläufe (Schildbögen) nicht nur gut aussehen und die architek-
tonische Ausstattung des Raumes erleichtern, sondern auch weil das
Gewölbe bei allen Grundrißformen bis zu 5m leicht anwendbar ist.
Bei der Herstellung der böhmischen Kappe sind in der Regel nur
die Raumdimensionen und eine beliebig anzunehmende Pfeilhöhe
bekannt, und hat man mit diesen beiden Factoren die Con-
struktion vorzunehmen. Will man dann dem preußischen Platzel
resp. der böhmischen Kappe die Kugelfläche zu Grunde legen, so
verfährt man, um die Größe des erforderlichen Halbkugeldurch-
messers zu erhalten, folgendermaßen (Fig. 398):

R S T U sei der zu überwölbende Raum, z der Schwerpunkt; g e ist
die Pfeilhöhe, in diesem Falle gleich 1/6 der Diagonale, f h = S U, f i =
i e
, i k f e; man verlängere die Normale bis k, so ist k der Mittel-

Wanderley, Bauconstr. II. 25

Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der böhmiſchen Kappe.
Grundriſſe die Zwickelanläufe zu beſtimmen; hingegen da Platzelge-
wölbe nach beliebigen Bogenlinien gewölbt werden können, iſt es für
das allgemeine Verſtändniß erforderlich, nicht den horizontalen Quer-
ſchnitt des Gewölbes (der bei rechteckiger Grundform wie Fig. D gar
keine Berechtigung hat und auch zeitraubend zu conſtruiren iſt), ſon-
dern die umgeklappten Schildlinien (Anläufe) im Grundriſſe zu
zeichnen, zumal dieſe in der Praxis von den Maurern behufs An-
fertigung der Lehrbögen doch verlangt werden.

e) Allgemeine Dimenſionen: Ueber 6—7m pflegt man die
Platzelgewölbe nicht gerne zu machen und erhalten dieſelben

bis 5m Spannweite ½ Stein zur Stärke,
bis 7m Spannweite
½ Stein im Scheitel,
1 Stein am Widerlager,
bis 3m Spannweite kann man ſie ſogar ¼ Stein im Scheitel
einwölben mit Benutzung des Cementmörtels, jedoch
ohne Belaſtung des Gewölbes.
IX. Die böhmiſche Kappe
oder das „preußiſche Platzelgewölbe

(letztere Benennung in Oeſterreich üblich)

iſt eigentlich nur ein ganz flaches böhmiſches Gewölbe mit ⅕—1/12
Pfeilhöhe.

a) Syſtem und graphiſche Conſtruktionen. Dieſes Ge-
wölbe kommt in der Praxis ſehr häufig vor an Stelle der ganz flachen
Tonnengewölbe (preußiſches Kappengewölbe), da ſeine geſchwungenen
Anläufe (Schildbögen) nicht nur gut ausſehen und die architek-
toniſche Ausſtattung des Raumes erleichtern, ſondern auch weil das
Gewölbe bei allen Grundrißformen bis zu 5m leicht anwendbar iſt.
Bei der Herſtellung der böhmiſchen Kappe ſind in der Regel nur
die Raumdimenſionen und eine beliebig anzunehmende Pfeilhöhe
bekannt, und hat man mit dieſen beiden Factoren die Con-
ſtruktion vorzunehmen. Will man dann dem preußiſchen Platzel
reſp. der böhmiſchen Kappe die Kugelfläche zu Grunde legen, ſo
verfährt man, um die Größe des erforderlichen Halbkugeldurch-
meſſers zu erhalten, folgendermaßen (Fig. 398):

R S T U ſei der zu überwölbende Raum, z der Schwerpunkt; g e iſt
die Pfeilhöhe, in dieſem Falle gleich ⅙ der Diagonale, f h = S U, f i =
i e
, i kf e; man verlängere die Normale bis k, ſo iſt k der Mittel-

Wanderley, Bauconſtr. II. 25
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0401" n="385"/><fw place="top" type="header">Sy&#x017F;teme und graphi&#x017F;che Con&#x017F;truktionen der böhmi&#x017F;chen Kappe.</fw><lb/>
Grundri&#x017F;&#x017F;e die Zwickelanläufe zu be&#x017F;timmen; hingegen da Platzelge-<lb/>
wölbe nach beliebigen Bogenlinien gewölbt werden können, i&#x017F;t es für<lb/>
das allgemeine Ver&#x017F;tändniß erforderlich, nicht den horizontalen Quer-<lb/>
&#x017F;chnitt des Gewölbes (der bei rechteckiger Grundform wie Fig. <hi rendition="#aq">D</hi> gar<lb/>
keine Berechtigung hat und auch zeitraubend zu con&#x017F;truiren i&#x017F;t), &#x017F;on-<lb/>
dern die umgeklappten Schildlinien (Anläufe) im Grundri&#x017F;&#x017F;e zu<lb/>
zeichnen, zumal die&#x017F;e in der Praxis von den Maurern behufs An-<lb/>
fertigung der Lehrbögen doch verlangt werden.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">e</hi>) <hi rendition="#g">Allgemeine Dimen&#x017F;ionen</hi>: Ueber 6&#x2014;7<hi rendition="#sup"><hi rendition="#aq">m</hi></hi> pflegt man die<lb/>
Platzelgewölbe nicht gerne zu machen und erhalten die&#x017F;elben</p><lb/>
              <list>
                <item>bis 5<hi rendition="#sup"><hi rendition="#aq">m</hi></hi> Spannweite ½ Stein zur Stärke,</item><lb/>
                <item>
                  <list rend="braced">
                    <head>bis 7<hi rendition="#sup"><hi rendition="#aq">m</hi></hi> Spannweite</head>
                    <item>½ Stein im Scheitel,</item><lb/>
                    <item>1 Stein am Widerlager,</item>
                  </list>
                </item><lb/>
                <item>bis 3<hi rendition="#sup"><hi rendition="#aq">m</hi></hi> Spannweite kann man &#x017F;ie &#x017F;ogar ¼ Stein im Scheitel<lb/>
einwölben mit Benutzung des Cementmörtels, jedoch<lb/>
ohne Bela&#x017F;tung des Gewölbes.</item>
              </list>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">IX.</hi><hi rendition="#g">Die böhmi&#x017F;che Kappe</hi><lb/>
oder das &#x201E;<hi rendition="#g">preußi&#x017F;che Platzelgewölbe</hi>&#x201C;</head><lb/>
              <p> <hi rendition="#c">(letztere Benennung in Oe&#x017F;terreich üblich)</hi> </p><lb/>
              <p>i&#x017F;t eigentlich nur ein ganz flaches böhmi&#x017F;ches Gewölbe mit &#x2155;&#x2014;1/12<lb/>
Pfeilhöhe.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">a</hi>) <hi rendition="#g">Sy&#x017F;tem und graphi&#x017F;che Con&#x017F;truktionen</hi>. Die&#x017F;es Ge-<lb/>
wölbe kommt in der Praxis &#x017F;ehr häufig vor an Stelle der ganz flachen<lb/>
Tonnengewölbe (preußi&#x017F;ches Kappengewölbe), da &#x017F;eine ge&#x017F;chwungenen<lb/>
Anläufe (Schildbögen) nicht nur gut aus&#x017F;ehen und die architek-<lb/>
toni&#x017F;che Aus&#x017F;tattung des Raumes erleichtern, &#x017F;ondern auch weil das<lb/>
Gewölbe bei allen Grundrißformen bis zu 5<hi rendition="#sup"><hi rendition="#aq">m</hi></hi> leicht anwendbar i&#x017F;t.<lb/>
Bei der Her&#x017F;tellung der böhmi&#x017F;chen Kappe &#x017F;ind in der Regel nur<lb/>
die Raumdimen&#x017F;ionen und eine beliebig anzunehmende Pfeilhöhe<lb/>
bekannt, und hat man mit die&#x017F;en beiden Factoren die Con-<lb/>
&#x017F;truktion vorzunehmen. Will man dann dem preußi&#x017F;chen Platzel<lb/>
re&#x017F;p. der böhmi&#x017F;chen Kappe die Kugelfläche zu Grunde legen, &#x017F;o<lb/>
verfährt man, um die Größe des erforderlichen Halbkugeldurch-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;ers zu erhalten, folgendermaßen (Fig. 398):</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">R S T U</hi> &#x017F;ei der zu überwölbende Raum, <hi rendition="#aq">z</hi> der Schwerpunkt; <hi rendition="#aq">g e</hi> i&#x017F;t<lb/>
die Pfeilhöhe, in die&#x017F;em Falle gleich &#x2159; der Diagonale, <hi rendition="#aq">f h = S U</hi>, <hi rendition="#aq">f i =<lb/>
i e</hi>, <hi rendition="#aq">i k</hi> &#x22A5; <hi rendition="#aq">f e;</hi> man verlängere die Normale bis <hi rendition="#aq">k</hi>, &#x017F;o i&#x017F;t <hi rendition="#aq">k</hi> der Mittel-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Wanderley, Baucon&#x017F;tr. <hi rendition="#aq">II.</hi> 25</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[385/0401] Syſteme und graphiſche Conſtruktionen der böhmiſchen Kappe. Grundriſſe die Zwickelanläufe zu beſtimmen; hingegen da Platzelge- wölbe nach beliebigen Bogenlinien gewölbt werden können, iſt es für das allgemeine Verſtändniß erforderlich, nicht den horizontalen Quer- ſchnitt des Gewölbes (der bei rechteckiger Grundform wie Fig. D gar keine Berechtigung hat und auch zeitraubend zu conſtruiren iſt), ſon- dern die umgeklappten Schildlinien (Anläufe) im Grundriſſe zu zeichnen, zumal dieſe in der Praxis von den Maurern behufs An- fertigung der Lehrbögen doch verlangt werden. e) Allgemeine Dimenſionen: Ueber 6—7m pflegt man die Platzelgewölbe nicht gerne zu machen und erhalten dieſelben bis 5m Spannweite ½ Stein zur Stärke, bis 7m Spannweite½ Stein im Scheitel, 1 Stein am Widerlager, bis 3m Spannweite kann man ſie ſogar ¼ Stein im Scheitel einwölben mit Benutzung des Cementmörtels, jedoch ohne Belaſtung des Gewölbes. IX. Die böhmiſche Kappe oder das „preußiſche Platzelgewölbe“ (letztere Benennung in Oeſterreich üblich) iſt eigentlich nur ein ganz flaches böhmiſches Gewölbe mit ⅕—1/12 Pfeilhöhe. a) Syſtem und graphiſche Conſtruktionen. Dieſes Ge- wölbe kommt in der Praxis ſehr häufig vor an Stelle der ganz flachen Tonnengewölbe (preußiſches Kappengewölbe), da ſeine geſchwungenen Anläufe (Schildbögen) nicht nur gut ausſehen und die architek- toniſche Ausſtattung des Raumes erleichtern, ſondern auch weil das Gewölbe bei allen Grundrißformen bis zu 5m leicht anwendbar iſt. Bei der Herſtellung der böhmiſchen Kappe ſind in der Regel nur die Raumdimenſionen und eine beliebig anzunehmende Pfeilhöhe bekannt, und hat man mit dieſen beiden Factoren die Con- ſtruktion vorzunehmen. Will man dann dem preußiſchen Platzel reſp. der böhmiſchen Kappe die Kugelfläche zu Grunde legen, ſo verfährt man, um die Größe des erforderlichen Halbkugeldurch- meſſers zu erhalten, folgendermaßen (Fig. 398): R S T U ſei der zu überwölbende Raum, z der Schwerpunkt; g e iſt die Pfeilhöhe, in dieſem Falle gleich ⅙ der Diagonale, f h = S U, f i = i e, i k ⊥ f e; man verlängere die Normale bis k, ſo iſt k der Mittel- Wanderley, Bauconſtr. II. 25

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zw… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/401
Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/401>, abgerufen am 25.11.2024.