bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, dessen Spitze im Kugel- mittelpunkt liegt; jeder Ring ist somit ein nach unten gerichteter Keil. Aus diesem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager- und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geschieht auch bei kleinen Kuppeln, während bei großen Durchmessern die keilförmige Zu- spitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird.
Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geschieht nur bei kleinen Kuppeln, für größere Kuppeln benutzt man einen um die ver- ticale Axe drehbaren Lehrbogen. Da der Schluß des Gewölbes fast hori- zontal zu liegen kommt, empfiehlt es sich den oberen Gewölbetheil ganz
[Abbildung]
Fig. 374.
offen zu lassen und ringsum mit einem Ringe zu schließen. Der Letztere heißt "Nabel", der sowohl aus Werkstein, Ziegeln oder gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante einen Falz erhält (Fig. 374).
Für die Fensteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be- liebig gebogene Stichkappen; auch können Durchdringungen von meist kleineren Tonnen- und Kegelgewölben vorkommen, und lassen sich die Schnittlinien am Intrados mit Hilfe der darstellenden Geometrie leicht bestimmen Ein einfaches und daher beachtenswerthes Beispiel führen wir in Fig. 375 und 376 vor; es ist das Kugelgewölbe über dem Vestibul des städtischen Bades zu Karlsruhe (sehr interessante An- lage, entworfen vom Architecten Durm). Die Rotunde hat einen Durch- messer von 11,4m; bis zu dem Gewölbe ist die Rotunde äußerlich quadratisch, dagegen in der Höhe des Gewölbewiderlagers beginnt die Kreisform, wie der Grundriß (Fig. 376) ersichtlich macht. Das Gewölbeauflager besteht aus großen, miteinander verdübelten Werk- steinen. Auch die äußere, in einfachen und eleganten Verhältnissen componirte Pilaster-Architektur, in welcher Fenster und Nischen mit- einander abwechseln, setzt sich aus Werksteinen zusammen. Die Con- struktion dieser vorgeblendeten Schnittsteinwand ist in den Zeichnungen genau wiedergegeben. Die Gewölbestärke beträgt unten l Stein,
Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, deſſen Spitze im Kugel- mittelpunkt liegt; jeder Ring iſt ſomit ein nach unten gerichteter Keil. Aus dieſem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager- und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geſchieht auch bei kleinen Kuppeln, während bei großen Durchmeſſern die keilförmige Zu- ſpitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird.
Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geſchieht nur bei kleinen Kuppeln, für größere Kuppeln benutzt man einen um die ver- ticale Axe drehbaren Lehrbogen. Da der Schluß des Gewölbes faſt hori- zontal zu liegen kommt, empfiehlt es ſich den oberen Gewölbetheil ganz
[Abbildung]
Fig. 374.
offen zu laſſen und ringsum mit einem Ringe zu ſchließen. Der Letztere heißt „Nabel“, der ſowohl aus Werkſtein, Ziegeln oder gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante einen Falz erhält (Fig. 374).
Für die Fenſteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be- liebig gebogene Stichkappen; auch können Durchdringungen von meiſt kleineren Tonnen- und Kegelgewölben vorkommen, und laſſen ſich die Schnittlinien am Intrados mit Hilfe der darſtellenden Geometrie leicht beſtimmen Ein einfaches und daher beachtenswerthes Beiſpiel führen wir in Fig. 375 und 376 vor; es iſt das Kugelgewölbe über dem Veſtibul des ſtädtiſchen Bades zu Karlsruhe (ſehr intereſſante An- lage, entworfen vom Architecten Durm). Die Rotunde hat einen Durch- meſſer von 11,4m; bis zu dem Gewölbe iſt die Rotunde äußerlich quadratiſch, dagegen in der Höhe des Gewölbewiderlagers beginnt die Kreisform, wie der Grundriß (Fig. 376) erſichtlich macht. Das Gewölbeauflager beſteht aus großen, miteinander verdübelten Werk- ſteinen. Auch die äußere, in einfachen und eleganten Verhältniſſen componirte Pilaſter-Architektur, in welcher Fenſter und Niſchen mit- einander abwechſeln, ſetzt ſich aus Werkſteinen zuſammen. Die Con- ſtruktion dieſer vorgeblendeten Schnittſteinwand iſt in den Zeichnungen genau wiedergegeben. Die Gewölbeſtärke beträgt unten l Stein,
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Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, deſſen Spitze im Kugel-
mittelpunkt liegt; jeder Ring iſt ſomit ein nach unten gerichteter Keil.
Aus dieſem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen
bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager-
und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geſchieht auch bei kleinen
Kuppeln, während bei großen Durchmeſſern die keilförmige Zu-
ſpitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird.
Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geſchieht nur bei
kleinen Kuppeln, für größere Kuppeln benutzt man einen um die ver-
ticale Axe drehbaren Lehrbogen. Da der Schluß des Gewölbes faſt hori-
zontal zu liegen kommt, empfiehlt es ſich den oberen Gewölbetheil ganz
[Abbildung Fig. 374.]
offen zu laſſen und ringsum mit einem Ringe zu ſchließen. Der
Letztere heißt „Nabel“, der ſowohl aus Werkſtein, Ziegeln oder
gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante
einen Falz erhält (Fig. 374).
Für die Fenſteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be-
liebig gebogene Stichkappen; auch können Durchdringungen von meiſt
kleineren Tonnen- und Kegelgewölben vorkommen, und laſſen ſich
die Schnittlinien am Intrados mit Hilfe der darſtellenden Geometrie
leicht beſtimmen Ein einfaches und daher beachtenswerthes Beiſpiel
führen wir in Fig. 375 und 376 vor; es iſt das Kugelgewölbe über
dem Veſtibul des ſtädtiſchen Bades zu Karlsruhe (ſehr intereſſante An-
lage, entworfen vom Architecten Durm). Die Rotunde hat einen Durch-
meſſer von 11,4m; bis zu dem Gewölbe iſt die Rotunde äußerlich
quadratiſch, dagegen in der Höhe des Gewölbewiderlagers beginnt
die Kreisform, wie der Grundriß (Fig. 376) erſichtlich macht. Das
Gewölbeauflager beſteht aus großen, miteinander verdübelten Werk-
ſteinen. Auch die äußere, in einfachen und eleganten Verhältniſſen
componirte Pilaſter-Architektur, in welcher Fenſter und Niſchen mit-
einander abwechſeln, ſetzt ſich aus Werkſteinen zuſammen. Die Con-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zw… [mehr]
Wanderleys "Handbuch" erschien bereits 1872 in zwei Bänden. Die Ausgabe von 1877/1878 ist die 2., gänzlich umgearbarbeitete und sehr vermehrte Auflage und wurde aufgrund der besseren verfügbarkeit für das DTA digitalisiert.
Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/372>, abgerufen am 16.02.2025.
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