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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Freiburg (Fig. 372 A B). Bei beiden Kirchen (A zu Speyer, B zu
Freiburg) scheint das Münster zu Aachen auf die Gestalt der Kuppel
einen Einfluß gehabt zu haben; die Kuppel hat eine achtseitige Grund-
form und einen spitzbogigen Querschnitt.

Beachtenswerth ist der Uebergang der quadratischen Grundform
in das Achteck.

Die großartigste Entwickelung fanden die Kuppeln in der Re-
naissance-Epoche; vornehmlich verdient die Kuppel des im Jahre 1454
vollendeten florentiner Domes zuerst genannt zu werden, da bei ihr das
bereits bei dem florentiner Baptisterium (gebaut zwischen den fünften
bis sechsten Jahrhundert) gegebene Princip der Doppelkuppel, näm-
lich die Verbindung der inneren Kuppel mit dem pyramidalen resp.
kuppelartigen, steinernen Dache, zuerst charakteristisch durchgeführt
wurde. Die florentiner Doppelkuppel erhebt sich über einen acht-
seitigen Tambour nach einem Spitzbogen mit etwa 39m Radius; die
ganze Spannweite der Kuppel beträgt 40m. Die äußere Kuppel mißt
1,20m, die innere 2,26m in der Dicke; beide werden mit Rippen ver-
bunden, die treppenartig zwischen den beiden Schaalen emporsteigen.
Die Ausführung der Kuppel ist mit der Kuppel der S. Vitale nicht un-
ähnlich; es steigen nämlich in jeder Ecke eine doppelte Rippe und
innerhalb einer jeden Wange drei Ziegelrippen, nach oben sich ver-
jüngend, in die Höhe; dieselben werden mit sieben horizontalen, 0,6m
starken Verspannungsringen, welche als scheitrechte Bögen von Rippe
zu Rippe reichen, verbunden. Oben auf der Kuppel steht eine Laterne.

Nach ähnlichem System baute Michel Angelo die Riesenkuppel der
St. Peterskirche zu Rom. Näheres hierüber enthalten die Werke:
"Breymann, Mauerconstruktion" und "Lübke, Architecturgeschichte."

Zum Schlusse weisen wir noch auf die originellen Doppelkuppeln
über dem Invalidendom zu Paris (von Mansard) und über S. Paul
zu London (von Christopher Wren) hin. Der Invalidendom hat zwei
halbkreisförmige Kuppeln übereinander, die jedoch mit einander in
keiner Verbindung stehen. Die innere Kuppel ist oben ganz offen,
sodaß man den oberen Theil des reich bemalten Intrados der zweiten
Kuppel sehen kann. Das Licht dringt durch die am Fuße der äußeren
Kuppel befindlichen Fenster. Die äußere massive Kuppel wird noch
von einer hölzernen Kuppel geschützt. Die Londoner St. Paul-Kuppel
besteht aus einer inneren Halbkreiskuppel, auf deren Fuß sich eine
hohe, fast kegelförmige, oben rund geschlossene Kuppel setzt. Die innere

Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
Freiburg (Fig. 372 A B). Bei beiden Kirchen (A zu Speyer, B zu
Freiburg) ſcheint das Münſter zu Aachen auf die Geſtalt der Kuppel
einen Einfluß gehabt zu haben; die Kuppel hat eine achtſeitige Grund-
form und einen ſpitzbogigen Querſchnitt.

Beachtenswerth iſt der Uebergang der quadratiſchen Grundform
in das Achteck.

Die großartigſte Entwickelung fanden die Kuppeln in der Re-
naiſſance-Epoche; vornehmlich verdient die Kuppel des im Jahre 1454
vollendeten florentiner Domes zuerſt genannt zu werden, da bei ihr das
bereits bei dem florentiner Baptiſterium (gebaut zwiſchen den fünften
bis ſechsten Jahrhundert) gegebene Princip der Doppelkuppel, näm-
lich die Verbindung der inneren Kuppel mit dem pyramidalen reſp.
kuppelartigen, ſteinernen Dache, zuerſt charakteriſtiſch durchgeführt
wurde. Die florentiner Doppelkuppel erhebt ſich über einen acht-
ſeitigen Tambour nach einem Spitzbogen mit etwa 39m Radius; die
ganze Spannweite der Kuppel beträgt 40m. Die äußere Kuppel mißt
1,20m, die innere 2,26m in der Dicke; beide werden mit Rippen ver-
bunden, die treppenartig zwiſchen den beiden Schaalen emporſteigen.
Die Ausführung der Kuppel iſt mit der Kuppel der S. Vitale nicht un-
ähnlich; es ſteigen nämlich in jeder Ecke eine doppelte Rippe und
innerhalb einer jeden Wange drei Ziegelrippen, nach oben ſich ver-
jüngend, in die Höhe; dieſelben werden mit ſieben horizontalen, 0,6m
ſtarken Verſpannungsringen, welche als ſcheitrechte Bögen von Rippe
zu Rippe reichen, verbunden. Oben auf der Kuppel ſteht eine Laterne.

Nach ähnlichem Syſtem baute Michel Angelo die Rieſenkuppel der
St. Peterskirche zu Rom. Näheres hierüber enthalten die Werke:
„Breymann, Mauerconſtruktion“ und „Lübke, Architecturgeſchichte.“

Zum Schluſſe weiſen wir noch auf die originellen Doppelkuppeln
über dem Invalidendom zu Paris (von Manſard) und über S. Paul
zu London (von Christopher Wren) hin. Der Invalidendom hat zwei
halbkreisförmige Kuppeln übereinander, die jedoch mit einander in
keiner Verbindung ſtehen. Die innere Kuppel iſt oben ganz offen,
ſodaß man den oberen Theil des reich bemalten Intrados der zweiten
Kuppel ſehen kann. Das Licht dringt durch die am Fuße der äußeren
Kuppel befindlichen Fenſter. Die äußere maſſive Kuppel wird noch
von einer hölzernen Kuppel geſchützt. Die Londoner St. Paul-Kuppel
beſteht aus einer inneren Halbkreiskuppel, auf deren Fuß ſich eine
hohe, faſt kegelförmige, oben rund geſchloſſene Kuppel ſetzt. Die innere

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[354/0370] Zweites Kapitel. Die Gewölbe. Freiburg (Fig. 372 A B). Bei beiden Kirchen (A zu Speyer, B zu Freiburg) ſcheint das Münſter zu Aachen auf die Geſtalt der Kuppel einen Einfluß gehabt zu haben; die Kuppel hat eine achtſeitige Grund- form und einen ſpitzbogigen Querſchnitt. Beachtenswerth iſt der Uebergang der quadratiſchen Grundform in das Achteck. Die großartigſte Entwickelung fanden die Kuppeln in der Re- naiſſance-Epoche; vornehmlich verdient die Kuppel des im Jahre 1454 vollendeten florentiner Domes zuerſt genannt zu werden, da bei ihr das bereits bei dem florentiner Baptiſterium (gebaut zwiſchen den fünften bis ſechsten Jahrhundert) gegebene Princip der Doppelkuppel, näm- lich die Verbindung der inneren Kuppel mit dem pyramidalen reſp. kuppelartigen, ſteinernen Dache, zuerſt charakteriſtiſch durchgeführt wurde. Die florentiner Doppelkuppel erhebt ſich über einen acht- ſeitigen Tambour nach einem Spitzbogen mit etwa 39m Radius; die ganze Spannweite der Kuppel beträgt 40m. Die äußere Kuppel mißt 1,20m, die innere 2,26m in der Dicke; beide werden mit Rippen ver- bunden, die treppenartig zwiſchen den beiden Schaalen emporſteigen. Die Ausführung der Kuppel iſt mit der Kuppel der S. Vitale nicht un- ähnlich; es ſteigen nämlich in jeder Ecke eine doppelte Rippe und innerhalb einer jeden Wange drei Ziegelrippen, nach oben ſich ver- jüngend, in die Höhe; dieſelben werden mit ſieben horizontalen, 0,6m ſtarken Verſpannungsringen, welche als ſcheitrechte Bögen von Rippe zu Rippe reichen, verbunden. Oben auf der Kuppel ſteht eine Laterne. Nach ähnlichem Syſtem baute Michel Angelo die Rieſenkuppel der St. Peterskirche zu Rom. Näheres hierüber enthalten die Werke: „Breymann, Mauerconſtruktion“ und „Lübke, Architecturgeſchichte.“ Zum Schluſſe weiſen wir noch auf die originellen Doppelkuppeln über dem Invalidendom zu Paris (von Manſard) und über S. Paul zu London (von Christopher Wren) hin. Der Invalidendom hat zwei halbkreisförmige Kuppeln übereinander, die jedoch mit einander in keiner Verbindung ſtehen. Die innere Kuppel iſt oben ganz offen, ſodaß man den oberen Theil des reich bemalten Intrados der zweiten Kuppel ſehen kann. Das Licht dringt durch die am Fuße der äußeren Kuppel befindlichen Fenſter. Die äußere maſſive Kuppel wird noch von einer hölzernen Kuppel geſchützt. Die Londoner St. Paul-Kuppel beſteht aus einer inneren Halbkreiskuppel, auf deren Fuß ſich eine hohe, faſt kegelförmige, oben rund geſchloſſene Kuppel ſetzt. Die innere

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/370>, abgerufen am 22.11.2024.