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Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.

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Erstes Kapitel. Das Werksteiumauerwerk.
liche Schichten verschiedene Höhe und sind die Steine von ganz un-
gleicher Länge. Das opus rusticum kommt besonders in fortifika-
torischen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den
Auflags- sowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet,
die Ränder ebenfalls scharfkantig hergestellt; der mittlere Theil der
Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben stehen; das opus
rusticum
heißt vielfach auch "Buckelsteinmauerwerk".

In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkstein-
bau (in Norddeutschland ausgenommen) durch die "Bauhütten" zur
hohen Vervollkommnung. Außer den sorgfältig bearbeiteten Steinen
bei den Kirchen, Palästen, Stiften, Rathhäusern und Patrizier-
häusern zu Andernach, Limburg, Nürnberg, Bonn, Straßburg, Köln,
Mettlach, Wien, Maulbronn u. s. w., kommen auch die Buckelsteine
an den Burgen und Festungsthürmen (z. B. Wiener Thor zu Hain-
burg, das Erenthor von Köln u. s. w.) vor. Auch zur Zeit der
italienischen Renaissance spielte der Quaderbau eine große Rolle.
Während in Rom besonders an den Gebäudeecken lisenenartige
Bossagen (stark profilirte Blöcke) angewendet wurden (wie z. B. beim
Palaste Farnese, der theilweise vom Florentiner Ant. da Sangollo
und im dritten Stockwerke von Michel Angelo stammt, ferner Palast
Verospi u. s. w.), und häufig nur das untere Stockwerk kräftige
Quaderungen erhielt, dagegen die oberen Stockwerke entweder blos
mit Pfeilerstellungen und glatten Mauerflächen (wie z. B. einige Pa-
läste von Balth. Peruzzi, einem Schüler von Bramente) oder durch
Pfeilerstellungen und schwache Wand-Quaderungen (Palast Giraud)
ausgezeichnet werden, ist das Vorhandensein sehr starker Quadern
in allen Stockwerken, welche oben mit einem weitausladenden Haupt-
gesims bekrönt und unter den Bogenfenstern mit kräftigen Gesimsen
von einander getrennt sind, das charakteristische Erkennungszeichen
der "florentinischen" Bauweise. Drei Paläste sind es vornehmlich,
welche in dieser Hinsicht am meisten hervorragen, die Paläste Strozzi,
Riccardi und Pitti. Die Vorderseite des Palastes Riccardi besteht in
der unteren Etage aus großen, stark vortretenden und fast unbearbeiteten
Buckelsteinen; der Palast Strozzi dagegen hat gleichmäßigere und
weniger vortretende Quadern, welche der Facade ein überaus ehrwür-
diges Ansehen verleihen. Bei den Bauten der späteren florentini-
schen Bauweise wurden die Quadern sehr schön sauber und ganz
ebenflächig hergestellt (Fig. 140). Solche Quadern heißen "Bossage".

Erſtes Kapitel. Das Werkſteiumauerwerk.
liche Schichten verſchiedene Höhe und ſind die Steine von ganz un-
gleicher Länge. Das opus rusticum kommt beſonders in fortifika-
toriſchen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den
Auflags- ſowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet,
die Ränder ebenfalls ſcharfkantig hergeſtellt; der mittlere Theil der
Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben ſtehen; das opus
rusticum
heißt vielfach auch „Buckelſteinmauerwerk“.

In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkſtein-
bau (in Norddeutſchland ausgenommen) durch die „Bauhütten“ zur
hohen Vervollkommnung. Außer den ſorgfältig bearbeiteten Steinen
bei den Kirchen, Paläſten, Stiften, Rathhäuſern und Patrizier-
häuſern zu Andernach, Limburg, Nürnberg, Bonn, Straßburg, Köln,
Mettlach, Wien, Maulbronn u. ſ. w., kommen auch die Buckelſteine
an den Burgen und Feſtungsthürmen (z. B. Wiener Thor zu Hain-
burg, das Erenthor von Köln u. ſ. w.) vor. Auch zur Zeit der
italieniſchen Renaiſſance ſpielte der Quaderbau eine große Rolle.
Während in Rom beſonders an den Gebäudeecken liſenenartige
Boſſagen (ſtark profilirte Blöcke) angewendet wurden (wie z. B. beim
Palaſte Farneſe, der theilweiſe vom Florentiner Ant. da Sangollo
und im dritten Stockwerke von Michel Angelo ſtammt, ferner Palaſt
Verospi u. ſ. w.), und häufig nur das untere Stockwerk kräftige
Quaderungen erhielt, dagegen die oberen Stockwerke entweder blos
mit Pfeilerſtellungen und glatten Mauerflächen (wie z. B. einige Pa-
läſte von Balth. Peruzzi, einem Schüler von Bramente) oder durch
Pfeilerſtellungen und ſchwache Wand-Quaderungen (Palaſt Giraud)
ausgezeichnet werden, iſt das Vorhandenſein ſehr ſtarker Quadern
in allen Stockwerken, welche oben mit einem weitausladenden Haupt-
geſims bekrönt und unter den Bogenfenſtern mit kräftigen Geſimſen
von einander getrennt ſind, das charakteriſtiſche Erkennungszeichen
der „florentiniſchen“ Bauweiſe. Drei Paläſte ſind es vornehmlich,
welche in dieſer Hinſicht am meiſten hervorragen, die Paläſte Strozzi,
Riccardi und Pitti. Die Vorderſeite des Palaſtes Riccardi beſteht in
der unteren Etage aus großen, ſtark vortretenden und faſt unbearbeiteten
Buckelſteinen; der Palaſt Strozzi dagegen hat gleichmäßigere und
weniger vortretende Quadern, welche der Façade ein überaus ehrwür-
diges Anſehen verleihen. Bei den Bauten der ſpäteren florentini-
ſchen Bauweiſe wurden die Quadern ſehr ſchön ſauber und ganz
ebenflächig hergeſtellt (Fig. 140). Solche Quadern heißen „Boſſage“.

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[126/0142] Erſtes Kapitel. Das Werkſteiumauerwerk. liche Schichten verſchiedene Höhe und ſind die Steine von ganz un- gleicher Länge. Das opus rusticum kommt beſonders in fortifika- toriſchen Bauten vor, es wurden die Steine nur inwendig und an den Auflags- ſowie an den Stoßflächen rechtwinklich und glatt bearbeitet, die Ränder ebenfalls ſcharfkantig hergeſtellt; der mittlere Theil der Außenfläche blieb aber ganz roh und erhaben ſtehen; das opus rusticum heißt vielfach auch „Buckelſteinmauerwerk“. In der Früh- und Spät-Gothik-Periode gelangte der Werkſtein- bau (in Norddeutſchland ausgenommen) durch die „Bauhütten“ zur hohen Vervollkommnung. Außer den ſorgfältig bearbeiteten Steinen bei den Kirchen, Paläſten, Stiften, Rathhäuſern und Patrizier- häuſern zu Andernach, Limburg, Nürnberg, Bonn, Straßburg, Köln, Mettlach, Wien, Maulbronn u. ſ. w., kommen auch die Buckelſteine an den Burgen und Feſtungsthürmen (z. B. Wiener Thor zu Hain- burg, das Erenthor von Köln u. ſ. w.) vor. Auch zur Zeit der italieniſchen Renaiſſance ſpielte der Quaderbau eine große Rolle. Während in Rom beſonders an den Gebäudeecken liſenenartige Boſſagen (ſtark profilirte Blöcke) angewendet wurden (wie z. B. beim Palaſte Farneſe, der theilweiſe vom Florentiner Ant. da Sangollo und im dritten Stockwerke von Michel Angelo ſtammt, ferner Palaſt Verospi u. ſ. w.), und häufig nur das untere Stockwerk kräftige Quaderungen erhielt, dagegen die oberen Stockwerke entweder blos mit Pfeilerſtellungen und glatten Mauerflächen (wie z. B. einige Pa- läſte von Balth. Peruzzi, einem Schüler von Bramente) oder durch Pfeilerſtellungen und ſchwache Wand-Quaderungen (Palaſt Giraud) ausgezeichnet werden, iſt das Vorhandenſein ſehr ſtarker Quadern in allen Stockwerken, welche oben mit einem weitausladenden Haupt- geſims bekrönt und unter den Bogenfenſtern mit kräftigen Geſimſen von einander getrennt ſind, das charakteriſtiſche Erkennungszeichen der „florentiniſchen“ Bauweiſe. Drei Paläſte ſind es vornehmlich, welche in dieſer Hinſicht am meiſten hervorragen, die Paläſte Strozzi, Riccardi und Pitti. Die Vorderſeite des Palaſtes Riccardi beſteht in der unteren Etage aus großen, ſtark vortretenden und faſt unbearbeiteten Buckelſteinen; der Palaſt Strozzi dagegen hat gleichmäßigere und weniger vortretende Quadern, welche der Façade ein überaus ehrwür- diges Anſehen verleihen. Bei den Bauten der ſpäteren florentini- ſchen Bauweiſe wurden die Quadern ſehr ſchön ſauber und ganz ebenflächig hergeſtellt (Fig. 140). Solche Quadern heißen „Boſſage“.

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Zitationshilfe: Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wanderley_bauconstructionslehre02_1878/142>, abgerufen am 24.11.2024.