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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5. Leipzig, 1880.

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[Spaltenumbruch] 8 Billigkeit ist halbe Religion. - Schlechta, 80.

"Sei Räuber, sei Dieb," sagen die Osmanen, "nur die Billigkeit lasse nie beiseite." (Schlechta, 15.)

9 Billigkeit ist Veränderung des Rechts. - Graf, 4, 67.

10 Billigkeit muss aller Rechte Meisterin seyn. - Petri, II, 288.

11 Billigkeit muss grundt im rechte haben, sonst gilt sie nichts. - Lehmann, 641, 118.

12 Die Billigkeit soll man allweg dem strengen Rechte fürziehen. - Lehmann, 641, 121.


Billewie.

* Er ist ein Billewie. (Ermland.) - Frischbier, I, 363.

Ein Mensch, der nicht viel taugt. Er versteht seine Sache billewie, d. i. oberflächlich.


Bilwitz.

1 Wo der Bilwitz gemäht, braucht der Bauer nicht zu mähen.

*2 Da ist der Bilwitz gegangen.

Da der Bauer recht wohl wusste, dass das Gedeihen des Getreides nicht blos vom Pflügen, Eggen und Säen, sondern noch von etwas anderem abhing, so schrieb er diese Einwirkungen nicht der Witterung allein, sondern auch geistigen und geisterhaften Wesen zu, die bald einen günstigen, bald einen nachtheiligen Einfluss auf die Feldfrüchte äusserten. Am meisten fürchtete man in letzter Hinsicht den grauenhaften Bilwitz, der ausserordentlich mager ist, einen Rock mit sehr langen Schössen und einen kleinen dreieckigen Hut trägt, und immer seine knöchernen Hände in den Rocktaschen verbirgt. Entweder um Walpurgis oder um Johannis, wenn kein Mond am Himmel steht, schleicht er sich in der Mitternacht hinaus aufs Feld. Leise ist sein Gang, unhörbar sein Tritt. Bei dem Acker angelangt, den er zum Schauplatz seines unheimlichen Werkes erkoren, schnallt der Tückische den rechten Schuh ab, nimmt ihn unter den Arm und bindet an die grosse Zehe seines rechten Fusses eind kleine scharfe Sichel. So bewaffnet wandelt er nun kreuz und quer, oft in Schwankungen durch das von seiner vernichtenden Nähe schauernde Getreide und mäht schmale lange Gassen. Bis zum Morgen sind alle abgeschnittenen Halme verschwunden, sodass der Eigenthümer, wenn er sein Feld besucht, nur die trostlosen öden Gänge des frevelhaft geschändeten Ackers gewahrt. Den Bilwitzschnitter zu entdecken ist schwierig und gefährlich. In Thüringen hengt man zu diesem Behuf an dem Heiligkeits-Sonntage oder am Johannistage einen Spiegel um den Hals, setzt sich auf einen Hollunderstrauch und schaut nach allen Seiten um; die Nachforschung wird aber selten unternommen, weil sie todbringend verlaufen kann. Denn wenn der Forschende sich selbst zuerst im Spiegel erblickt, muss er sterben, nur wenn der Bilwitz sich im Spiegel des nach ihm Forschenden sieht, geht es an dessen Leben, das dann kein Jahr mehr währt. Dem boshaften Bilwitz entgegen zu wirken, giebt es viele, nach den verschiedenen Gegenden verschiedene Mittel. (Vgl. darüber: Deutsche Erntefestgebräuche in: Illustrirte Zeitung, Nr. 1260 vom 24. August 1867, S. 127.) - A. Becker in: Vervehmt, Roman aus der Gegenwart (Deutsche Romanzeitung, I. Quart., S. 926), sagt über die Bocksreiter, die das Volk auch Bilwitzschneider nennt: Zur Zeit der Kornblüthe in den Sonnenwende-Nächten wird von irgend einem schlimmen, habsüchtigen Bauer schädliche Zauberei geübt. Ein solcher setzt sich in Bund mit dem Teufel während des Gebetläutens auf einen schwarzen Bock oder Esel rücklings, bindet sich eine Sichel an den linken Fuss und reitet so durch das Getreidefeld der Nachbarn, die dann in ihren Aeckern fussbreite Durchschnitte finden, die sie Bilwitzschnitt nennen. Das abgeschnittene Getreide wächst nun durch die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders und dieser gewinnt an Ertrag, was die Felder der Beschädigten verlieren. Die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders währt aber nur so lange, als der Zauber des Gebetläutens dauert, und wird deshalb so kurz als möglich geläutet und zwar besonders am Johannisabend. Drei Nächte muss aber geläutet werden.


Binäth.

* Ann de Binätsch verlesen. (Durlach.) - Klein, I, 49.

Einen tüchtig heimschicken, ausfilzen. In Elsass Binätsch = Spinat.


Binde.

*4 Einem die Binde losmachen. - Frischbier, I, 364.

Ihm Geld abnehmen im Spiel oder Handel.


Binden.

3 Holl.: Hij heeft er eenige achter de knoopen. (Harrebomee, I, 421a.)

8 Fest gebunden, fest gefunden. - Wahl, Jahresbericht, S. 47.

Engl.: Fast binde, fast finde. (Bohn II, 353.)

Frz.: Une chose gagnee est consideree comme trouvee.

It.: Cosa guadagnata e come cosa trovata.

[Spaltenumbruch] 9 Wer gebunden ist, der ist nicht frei.

Dän.: Den der er bunden skal bie. (Prov. dan., 96.)

10 Wie man's bindet, so man's findet.

Engl.: Sure bind, sure find. (Gaal, 1643.)

It.: Chi ben serra, ben trova. (Gaal, 1643.)

11 Zwihmol gebangden, fiester befangden. - Schuster, 453.

*12 Er kann binden und loslassen.

Dän.: Han kand baade feri og hale. (Prov. dan., 79.)


Binder-Hansel.

* Das ist der ander Binder-Hansel.

Der Binder-Hansel war ein weit und breit berühmter Bauerndoktor in Tirol, der nicht nur alle Krankheiten zu heilen verstand, sondern auch gegen Hexerei und Verzauberung zu helfen wusste. Ein besonderes Mittel besass er gegen den Wurm im Finger. (Vgl. F. Branky in der Zeitschrift für deutsche Philologie, VIII, 81.)


Binderin.

* Die Binderin bollt. - Frischbier, I, 365.

Wenn sie ihrem Schnitter nicht nachzukommen vermag, also weniger bindet, als er mäht, und so dem nächsten Schnitter zu nah kommt (s. Laderin).


Binderschlägel.

* Mit 'n Binderschläg'l kommen. (Oberösterr.)

Derb, grob auftreten.


Bindfaden.

*1 Das hat Bindfaden.

Ist eine verwickelte Geschichte (s. Sache).

*2 Der Bindfaden ist ihm ausgegangen.

Er hat den Zusammenhang verloren, in Preussen auch von männlicher Schwäche.

*3 Es hat alles seinen Bindfaden. (Stettin.)

Jedes Ding hat seine Schwierigkeit. Wenn man an den Faden denkt, an welchem Marionetten düpirt werden, sollte man aber den Sinn vermuthen: Es lässt sich alles machen, wenn man es nur anzufassen weiss. In der Anwendung wird aber mit dem Worte nie die Thunlichkeit, sondern die versteckte Schwierigkeit bezeichnet.


Binnichts.

* Der Herr von Binnex und Habenex. (Schwaben.)


Binsenwahrheit.

* Es ist eine Binsenwahrheit.

Binsenwahrheiten, sagt Dr. P. Niemeyer in seinem Vortrage über Athmungs- und Luftheilkunde (Leipzig 1876, Sammlung gemeinnütziger Vorträge, Nr. 2, S. 1) nennt man Dinge, die, wie Binsen am Wege stehend, jedem Kinde bekannt sind, oder doch sein sollten, die aber gerade ihrer Gemeinplätzigkeit wegen nicht beachtet oder nicht näher gewürdigt werden.


Birke.

12 Find'st du die Birke ohne Saft, kommt bald der Winter mit voller Kraft. - Marienkalender 1879, S. 29.

13 Halten Birk' und Weide ihr Wipfellaub lange, ist zeitiger Winter im Gange. - Baierischer Hauskalender.

14 Steht die Birke noch nicht im Saft, bleibt sie noch lang' in Winter-Haft. - Payne, 37.

*15 Er findet sich aus drei Birken nicht heraus. (Nordböhmen.)


Birkenhausen.

Wer sich will in Birkenhausen nähren, der muss gehn nach Schwamm und Heidelbeeren. Wenn er die nicht mehr kann finden, muss er lernen besen binden; und wenn er diese auch verdirbt, muss er betteln gehen bis er stirbt.

Mit diesem Verse schliesst die Ordnung (Statut) der Besenbinderzunft, die sich die Männer des Dorfes Schwarzburg (im Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt), die meist auf Besenbinderei angewiesen waren, einst gegeben haben, in der sie ihr Dörfchen als Stadt Birkenhausen aufführen, und in 21 Artikeln bestimmen, dass ein Besenbinder sieben Jahre lernen, und dann als Geselle sieben Jahre zu wandern und wie er sich zu betragen habe. (Vgl. Die Besenbinder in Gartenlaube, 1873, Nr. 12.)


Birkenruthe.

Die Birkerut zeucht die Lieb des Kinds. (Wachter.)

"Ich hab liebe Kind. Wie lieb haben sie dich? Lug das du jnen nit zu lang lebest; die birkerut zeucht et."


Birkensaft.

Einem eine Portion erhärteten Birkensaft zurichten.

"Ist nun einer oder der ander von jungen Gecken krank, den kan man durch eine gute Disciplin (Purgation wolt ich sagen) von erhärtetem Birkensafft zugerichtet, Stuhlgangsweis gleich in der Tugend den noch zarten Narren der Unwissenheit abtreiben." (Simplicissimus, 1043.)


[Spaltenumbruch] 8 Billigkeit ist halbe Religion.Schlechta, 80.

„Sei Räuber, sei Dieb,“ sagen die Osmanen, „nur die Billigkeit lasse nie beiseite.“ (Schlechta, 15.)

9 Billigkeit ist Veränderung des Rechts.Graf, 4, 67.

10 Billigkeit muss aller Rechte Meisterin seyn.Petri, II, 288.

11 Billigkeit muss grundt im rechte haben, sonst gilt sie nichts.Lehmann, 641, 118.

12 Die Billigkeit soll man allweg dem strengen Rechte fürziehen.Lehmann, 641, 121.


Billewie.

* Er ist ein Billewie. (Ermland.) – Frischbier, I, 363.

Ein Mensch, der nicht viel taugt. Er versteht seine Sache billewie, d. i. oberflächlich.


Bilwitz.

1 Wo der Bilwitz gemäht, braucht der Bauer nicht zu mähen.

*2 Da ist der Bilwitz gegangen.

Da der Bauer recht wohl wusste, dass das Gedeihen des Getreides nicht blos vom Pflügen, Eggen und Säen, sondern noch von etwas anderem abhing, so schrieb er diese Einwirkungen nicht der Witterung allein, sondern auch geistigen und geisterhaften Wesen zu, die bald einen günstigen, bald einen nachtheiligen Einfluss auf die Feldfrüchte äusserten. Am meisten fürchtete man in letzter Hinsicht den grauenhaften Bilwitz, der ausserordentlich mager ist, einen Rock mit sehr langen Schössen und einen kleinen dreieckigen Hut trägt, und immer seine knöchernen Hände in den Rocktaschen verbirgt. Entweder um Walpurgis oder um Johannis, wenn kein Mond am Himmel steht, schleicht er sich in der Mitternacht hinaus aufs Feld. Leise ist sein Gang, unhörbar sein Tritt. Bei dem Acker angelangt, den er zum Schauplatz seines unheimlichen Werkes erkoren, schnallt der Tückische den rechten Schuh ab, nimmt ihn unter den Arm und bindet an die grosse Zehe seines rechten Fusses eind kleine scharfe Sichel. So bewaffnet wandelt er nun kreuz und quer, oft in Schwankungen durch das von seiner vernichtenden Nähe schauernde Getreide und mäht schmale lange Gassen. Bis zum Morgen sind alle abgeschnittenen Halme verschwunden, sodass der Eigenthümer, wenn er sein Feld besucht, nur die trostlosen öden Gänge des frevelhaft geschändeten Ackers gewahrt. Den Bilwitzschnitter zu entdecken ist schwierig und gefährlich. In Thüringen hengt man zu diesem Behuf an dem Heiligkeits-Sonntage oder am Johannistage einen Spiegel um den Hals, setzt sich auf einen Hollunderstrauch und schaut nach allen Seiten um; die Nachforschung wird aber selten unternommen, weil sie todbringend verlaufen kann. Denn wenn der Forschende sich selbst zuerst im Spiegel erblickt, muss er sterben, nur wenn der Bilwitz sich im Spiegel des nach ihm Forschenden sieht, geht es an dessen Leben, das dann kein Jahr mehr währt. Dem boshaften Bilwitz entgegen zu wirken, giebt es viele, nach den verschiedenen Gegenden verschiedene Mittel. (Vgl. darüber: Deutsche Erntefestgebräuche in: Illustrirte Zeitung, Nr. 1260 vom 24. August 1867, S. 127.) – A. Becker in: Vervehmt, Roman aus der Gegenwart (Deutsche Romanzeitung, I. Quart., S. 926), sagt über die Bocksreiter, die das Volk auch Bilwitzschneider nennt: Zur Zeit der Kornblüthe in den Sonnenwende-Nächten wird von irgend einem schlimmen, habsüchtigen Bauer schädliche Zauberei geübt. Ein solcher setzt sich in Bund mit dem Teufel während des Gebetläutens auf einen schwarzen Bock oder Esel rücklings, bindet sich eine Sichel an den linken Fuss und reitet so durch das Getreidefeld der Nachbarn, die dann in ihren Aeckern fussbreite Durchschnitte finden, die sie Bilwitzschnitt nennen. Das abgeschnittene Getreide wächst nun durch die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders und dieser gewinnt an Ertrag, was die Felder der Beschädigten verlieren. Die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders währt aber nur so lange, als der Zauber des Gebetläutens dauert, und wird deshalb so kurz als möglich geläutet und zwar besonders am Johannisabend. Drei Nächte muss aber geläutet werden.


Binäth.

* Ann de Binätsch verlesen. (Durlach.) – Klein, I, 49.

Einen tüchtig heimschicken, ausfilzen. In Elsass Binätsch = Spinat.


Binde.

*4 Einem die Binde losmachen.Frischbier, I, 364.

Ihm Geld abnehmen im Spiel oder Handel.


Binden.

3 Holl.: Hij heeft er eenige achter de knoopen. (Harrebomée, I, 421a.)

8 Fest gebunden, fest gefunden.Wahl, Jahresbericht, S. 47.

Engl.: Fast binde, fast finde. (Bohn II, 353.)

Frz.: Une chose gagnée est considérée comme trouvée.

It.: Cosa guadagnata è come cosa trovata.

[Spaltenumbruch] 9 Wer gebunden ist, der ist nicht frei.

Dän.: Den der er bunden skal bie. (Prov. dan., 96.)

10 Wie man's bindet, so man's findet.

Engl.: Sure bind, sure find. (Gaal, 1643.)

It.: Chi ben serra, ben trova. (Gaal, 1643.)

11 Zwihmol gebangden, fiester befangden.Schuster, 453.

*12 Er kann binden und loslassen.

Dän.: Han kand baade feri og hale. (Prov. dan., 79.)


Binder-Hansel.

* Das ist der ander Binder-Hansel.

Der Binder-Hansel war ein weit und breit berühmter Bauerndoktor in Tirol, der nicht nur alle Krankheiten zu heilen verstand, sondern auch gegen Hexerei und Verzauberung zu helfen wusste. Ein besonderes Mittel besass er gegen den Wurm im Finger. (Vgl. F. Branky in der Zeitschrift für deutsche Philologie, VIII, 81.)


Binderin.

* Die Binderin bollt.Frischbier, I, 365.

Wenn sie ihrem Schnitter nicht nachzukommen vermag, also weniger bindet, als er mäht, und so dem nächsten Schnitter zu nah kommt (s. Laderin).


Binderschlägel.

* Mit 'n Binderschläg'l kommen. (Oberösterr.)

Derb, grob auftreten.


Bindfaden.

*1 Das hat Bindfaden.

Ist eine verwickelte Geschichte (s. Sache).

*2 Der Bindfaden ist ihm ausgegangen.

Er hat den Zusammenhang verloren, in Preussen auch von männlicher Schwäche.

*3 Es hat alles seinen Bindfaden. (Stettin.)

Jedes Ding hat seine Schwierigkeit. Wenn man an den Faden denkt, an welchem Marionetten düpirt werden, sollte man aber den Sinn vermuthen: Es lässt sich alles machen, wenn man es nur anzufassen weiss. In der Anwendung wird aber mit dem Worte nie die Thunlichkeit, sondern die versteckte Schwierigkeit bezeichnet.


Binnichts.

* Der Herr von Binnex und Habenex. (Schwaben.)


Binsenwahrheit.

* Es ist eine Binsenwahrheit.

Binsenwahrheiten, sagt Dr. P. Niemeyer in seinem Vortrage über Athmungs- und Luftheilkunde (Leipzig 1876, Sammlung gemeinnütziger Vorträge, Nr. 2, S. 1) nennt man Dinge, die, wie Binsen am Wege stehend, jedem Kinde bekannt sind, oder doch sein sollten, die aber gerade ihrer Gemeinplätzigkeit wegen nicht beachtet oder nicht näher gewürdigt werden.


Birke.

12 Find'st du die Birke ohne Saft, kommt bald der Winter mit voller Kraft.Marienkalender 1879, S. 29.

13 Halten Birk' und Weide ihr Wipfellaub lange, ist zeitiger Winter im Gange.Baierischer Hauskalender.

14 Steht die Birke noch nicht im Saft, bleibt sie noch lang' in Winter-Haft.Payne, 37.

*15 Er findet sich aus drei Birken nicht heraus. (Nordböhmen.)


Birkenhausen.

Wer sich will in Birkenhausen nähren, der muss gehn nach Schwamm und Heidelbeeren. Wenn er die nicht mehr kann finden, muss er lernen besen binden; und wenn er diese auch verdirbt, muss er betteln gehen bis er stirbt.

Mit diesem Verse schliesst die Ordnung (Statut) der Besenbinderzunft, die sich die Männer des Dorfes Schwarzburg (im Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt), die meist auf Besenbinderei angewiesen waren, einst gegeben haben, in der sie ihr Dörfchen als Stadt Birkenhausen aufführen, und in 21 Artikeln bestimmen, dass ein Besenbinder sieben Jahre lernen, und dann als Geselle sieben Jahre zu wandern und wie er sich zu betragen habe. (Vgl. Die Besenbinder in Gartenlaube, 1873, Nr. 12.)


Birkenruthe.

Die Birkerut zeucht die Lieb des Kinds. (Wachter.)

„Ich hab liebe Kind. Wie lieb haben sie dich? Lug das du jnen nit zu lang lebest; die birkerut zeucht et.“


Birkensaft.

Einem eine Portion erhärteten Birkensaft zurichten.

„Ist nun einer oder der ander von jungen Gecken krank, den kan man durch eine gute Disciplin (Purgation wolt ich sagen) von erhärtetem Birkensafft zugerichtet, Stuhlgangsweis gleich in der Tugend den noch zarten Narren der Unwissenheit abtreiben.“ (Simplicissimus, 1043.)


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[[499]/0511] 8 Billigkeit ist halbe Religion. – Schlechta, 80. „Sei Räuber, sei Dieb,“ sagen die Osmanen, „nur die Billigkeit lasse nie beiseite.“ (Schlechta, 15.) 9 Billigkeit ist Veränderung des Rechts. – Graf, 4, 67. 10 Billigkeit muss aller Rechte Meisterin seyn. – Petri, II, 288. 11 Billigkeit muss grundt im rechte haben, sonst gilt sie nichts. – Lehmann, 641, 118. 12 Die Billigkeit soll man allweg dem strengen Rechte fürziehen. – Lehmann, 641, 121. Billewie. * Er ist ein Billewie. (Ermland.) – Frischbier, I, 363. Ein Mensch, der nicht viel taugt. Er versteht seine Sache billewie, d. i. oberflächlich. Bilwitz. 1 Wo der Bilwitz gemäht, braucht der Bauer nicht zu mähen. *2 Da ist der Bilwitz gegangen. Da der Bauer recht wohl wusste, dass das Gedeihen des Getreides nicht blos vom Pflügen, Eggen und Säen, sondern noch von etwas anderem abhing, so schrieb er diese Einwirkungen nicht der Witterung allein, sondern auch geistigen und geisterhaften Wesen zu, die bald einen günstigen, bald einen nachtheiligen Einfluss auf die Feldfrüchte äusserten. Am meisten fürchtete man in letzter Hinsicht den grauenhaften Bilwitz, der ausserordentlich mager ist, einen Rock mit sehr langen Schössen und einen kleinen dreieckigen Hut trägt, und immer seine knöchernen Hände in den Rocktaschen verbirgt. Entweder um Walpurgis oder um Johannis, wenn kein Mond am Himmel steht, schleicht er sich in der Mitternacht hinaus aufs Feld. Leise ist sein Gang, unhörbar sein Tritt. Bei dem Acker angelangt, den er zum Schauplatz seines unheimlichen Werkes erkoren, schnallt der Tückische den rechten Schuh ab, nimmt ihn unter den Arm und bindet an die grosse Zehe seines rechten Fusses eind kleine scharfe Sichel. So bewaffnet wandelt er nun kreuz und quer, oft in Schwankungen durch das von seiner vernichtenden Nähe schauernde Getreide und mäht schmale lange Gassen. Bis zum Morgen sind alle abgeschnittenen Halme verschwunden, sodass der Eigenthümer, wenn er sein Feld besucht, nur die trostlosen öden Gänge des frevelhaft geschändeten Ackers gewahrt. Den Bilwitzschnitter zu entdecken ist schwierig und gefährlich. In Thüringen hengt man zu diesem Behuf an dem Heiligkeits-Sonntage oder am Johannistage einen Spiegel um den Hals, setzt sich auf einen Hollunderstrauch und schaut nach allen Seiten um; die Nachforschung wird aber selten unternommen, weil sie todbringend verlaufen kann. Denn wenn der Forschende sich selbst zuerst im Spiegel erblickt, muss er sterben, nur wenn der Bilwitz sich im Spiegel des nach ihm Forschenden sieht, geht es an dessen Leben, das dann kein Jahr mehr währt. Dem boshaften Bilwitz entgegen zu wirken, giebt es viele, nach den verschiedenen Gegenden verschiedene Mittel. (Vgl. darüber: Deutsche Erntefestgebräuche in: Illustrirte Zeitung, Nr. 1260 vom 24. August 1867, S. 127.) – A. Becker in: Vervehmt, Roman aus der Gegenwart (Deutsche Romanzeitung, I. Quart., S. 926), sagt über die Bocksreiter, die das Volk auch Bilwitzschneider nennt: Zur Zeit der Kornblüthe in den Sonnenwende-Nächten wird von irgend einem schlimmen, habsüchtigen Bauer schädliche Zauberei geübt. Ein solcher setzt sich in Bund mit dem Teufel während des Gebetläutens auf einen schwarzen Bock oder Esel rücklings, bindet sich eine Sichel an den linken Fuss und reitet so durch das Getreidefeld der Nachbarn, die dann in ihren Aeckern fussbreite Durchschnitte finden, die sie Bilwitzschnitt nennen. Das abgeschnittene Getreide wächst nun durch die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders und dieser gewinnt an Ertrag, was die Felder der Beschädigten verlieren. Die Macht des Teufels in dem Acker des Bilwitzschneiders währt aber nur so lange, als der Zauber des Gebetläutens dauert, und wird deshalb so kurz als möglich geläutet und zwar besonders am Johannisabend. Drei Nächte muss aber geläutet werden. Binäth. * Ann de Binätsch verlesen. (Durlach.) – Klein, I, 49. Einen tüchtig heimschicken, ausfilzen. In Elsass Binätsch = Spinat. Binde. *4 Einem die Binde losmachen. – Frischbier, I, 364. Ihm Geld abnehmen im Spiel oder Handel. Binden. 3 Holl.: Hij heeft er eenige achter de knoopen. (Harrebomée, I, 421a.) 8 Fest gebunden, fest gefunden. – Wahl, Jahresbericht, S. 47. Engl.: Fast binde, fast finde. (Bohn II, 353.) Frz.: Une chose gagnée est considérée comme trouvée. It.: Cosa guadagnata è come cosa trovata. 9 Wer gebunden ist, der ist nicht frei. Dän.: Den der er bunden skal bie. (Prov. dan., 96.) 10 Wie man's bindet, so man's findet. Engl.: Sure bind, sure find. (Gaal, 1643.) It.: Chi ben serra, ben trova. (Gaal, 1643.) 11 Zwihmol gebangden, fiester befangden. – Schuster, 453. *12 Er kann binden und loslassen. Dän.: Han kand baade feri og hale. (Prov. dan., 79.) Binder-Hansel. * Das ist der ander Binder-Hansel. Der Binder-Hansel war ein weit und breit berühmter Bauerndoktor in Tirol, der nicht nur alle Krankheiten zu heilen verstand, sondern auch gegen Hexerei und Verzauberung zu helfen wusste. Ein besonderes Mittel besass er gegen den Wurm im Finger. (Vgl. F. Branky in der Zeitschrift für deutsche Philologie, VIII, 81.) Binderin. * Die Binderin bollt. – Frischbier, I, 365. Wenn sie ihrem Schnitter nicht nachzukommen vermag, also weniger bindet, als er mäht, und so dem nächsten Schnitter zu nah kommt (s. Laderin). Binderschlägel. * Mit 'n Binderschläg'l kommen. (Oberösterr.) Derb, grob auftreten. Bindfaden. *1 Das hat Bindfaden. Ist eine verwickelte Geschichte (s. Sache). *2 Der Bindfaden ist ihm ausgegangen. Er hat den Zusammenhang verloren, in Preussen auch von männlicher Schwäche. *3 Es hat alles seinen Bindfaden. (Stettin.) Jedes Ding hat seine Schwierigkeit. Wenn man an den Faden denkt, an welchem Marionetten düpirt werden, sollte man aber den Sinn vermuthen: Es lässt sich alles machen, wenn man es nur anzufassen weiss. In der Anwendung wird aber mit dem Worte nie die Thunlichkeit, sondern die versteckte Schwierigkeit bezeichnet. Binnichts. * Der Herr von Binnex und Habenex. (Schwaben.) Binsenwahrheit. * Es ist eine Binsenwahrheit. Binsenwahrheiten, sagt Dr. P. Niemeyer in seinem Vortrage über Athmungs- und Luftheilkunde (Leipzig 1876, Sammlung gemeinnütziger Vorträge, Nr. 2, S. 1) nennt man Dinge, die, wie Binsen am Wege stehend, jedem Kinde bekannt sind, oder doch sein sollten, die aber gerade ihrer Gemeinplätzigkeit wegen nicht beachtet oder nicht näher gewürdigt werden. Birke. 12 Find'st du die Birke ohne Saft, kommt bald der Winter mit voller Kraft. – Marienkalender 1879, S. 29. 13 Halten Birk' und Weide ihr Wipfellaub lange, ist zeitiger Winter im Gange. – Baierischer Hauskalender. 14 Steht die Birke noch nicht im Saft, bleibt sie noch lang' in Winter-Haft. – Payne, 37. *15 Er findet sich aus drei Birken nicht heraus. (Nordböhmen.) Birkenhausen. Wer sich will in Birkenhausen nähren, der muss gehn nach Schwamm und Heidelbeeren. Wenn er die nicht mehr kann finden, muss er lernen besen binden; und wenn er diese auch verdirbt, muss er betteln gehen bis er stirbt. Mit diesem Verse schliesst die Ordnung (Statut) der Besenbinderzunft, die sich die Männer des Dorfes Schwarzburg (im Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt), die meist auf Besenbinderei angewiesen waren, einst gegeben haben, in der sie ihr Dörfchen als Stadt Birkenhausen aufführen, und in 21 Artikeln bestimmen, dass ein Besenbinder sieben Jahre lernen, und dann als Geselle sieben Jahre zu wandern und wie er sich zu betragen habe. (Vgl. Die Besenbinder in Gartenlaube, 1873, Nr. 12.) Birkenruthe. Die Birkerut zeucht die Lieb des Kinds. (Wachter.) „Ich hab liebe Kind. Wie lieb haben sie dich? Lug das du jnen nit zu lang lebest; die birkerut zeucht et.“ Birkensaft. Einem eine Portion erhärteten Birkensaft zurichten. „Ist nun einer oder der ander von jungen Gecken krank, den kan man durch eine gute Disciplin (Purgation wolt ich sagen) von erhärtetem Birkensafft zugerichtet, Stuhlgangsweis gleich in der Tugend den noch zarten Narren der Unwissenheit abtreiben.“ (Simplicissimus, 1043.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5. Leipzig, 1880, S. [499]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon05_1880/511>, abgerufen am 22.11.2024.