Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch] *2 Et felt em a Radchen. - Frommann, V, 32, 35. Um auszudrücken, dass jemand ein geistig sehr beschränkter, einfältiger, dummer Mensch oder, dass es sonst in seinem Kopfe nicht ganz richtig sei, hat die siebenbürgisch-sächsische Mundart auch noch die an ihrem Orte dialektisch aufgeführten Redensarten: Er ist ein Tocki, ein Muta, ein Tulemuta, ein Belesch, ein Beleschdorfer (s. d.); er ist von Fogarasch, von Ramsr; er ist ein Thurmknebler, ein Gepesch, ein Maku, ein Zeiku; er ist mit der Schuhbürste geschossen, er ist vor die Stirn geschlagen; er ist aufs Haupt gefallen, er ist nicht bei Trost, er ist nicht fern gewesen. ( Vgl. Frommann, a. a. O.) Rade. 1 Die Rade sagt: Ich lasse den Bauer nicht verhungern und wenn ich hundert Aeste treiben soll. Mit Bezug auf die grosse Ausbreitung und Vermehrung der Rade. 2 Je mehr Raden, je weniger Korn. 3 Rad' und Tresp' hält den Bauer fest, aber Schmel und Kornblumen jagen ihn von den Huben. - Boebel, 131; Schiller, II, 24a. Im Samlande mit dem Schluss: aber Schmel und Klapper jagen ihn vom Acker. (Frischbier, 3054.) Böhm.: Neni to beda, kdyz v zite lebeda; ale to dve bedy, neni-li zita ni lebedy. (Celakovsky, 177.) 4 Rade, Rade roth, in vier Wochen neues Brot. Die Kornrade (Lychnis Githago) blüht ungefähr vier Wochen vor der Roggenernte. 5 Rade, Tresp' und Vogelwicken bringt den Bauer auf die Krücken. (Ostpreuss.) - Boebel, 131. 6 Rade, Trespe und Vogelwicken muss der Herr mir nicht als Messkorn (Decem) schicken; ich predige das Wort Gottes lauter und rein, und so soll auch das Messkorn sein. (Pommern.) Nach andern hat ein Prediger in Schwaben, dessen Einkommen nur in Zehnten der Gemeindeglieder bestand, aus Verdruss darüber, als er ein Jahr hindurch schlechtes Getreide empfangen hatte, seine Predigt mit den später sprichwörtlich gewordenen Zeilen geschlossen. (Witzfunken, VIIIa, 125.) 7 Raden lässt den Bauer warten. (Neisse.) - Boebel, 133; Schiller, II, 24a. 8 Raden und Vogelwicken, sagte der Pastor, soll man mir nicht als Decem schicken. - Luther's Ms., 10. 9 Wan da Radn blüeht reoth, sa hama ön vie' Wochan a ke'onas Breod. (Oberösterreich.) - Baumgarten, I, 49. 10 Wer Raden säet, hat ein buntes Feld, aber schlechtes Brot. Die Russen: Wer seinen Kindern zu Liebe Kornblumen statt Roggen säet, wird ihnen Blumensamen statt Kornsäcke hinterlassen. (Altmann VI, 490.) Rädel. *1 E hot a Radel zu viel. Ist nicht recht im Kopfe, hat einen Schuss, einen Sporn. *2 Er führt dus Rädel. (Jüd.-deutsch. Warschau.) Steht an der Spitze, leitet die Sache. *3 Es is ihm 's Radl laufend wor'n. (Steiermark.) Er hat Anwandlungen von Irrsinn. Rädelsführer. 1 Wir sind alle Rädelsführer, sagte der Bauer, als der Gensdarm nach dem Rädelsführer fragte. *2 Der Rädelsführer sein. - Eiselein, 518; Richard, 392, 10; Wurzbach II, 293. Einige Scharen Bauern im Bauernkriege (1525) hatten Fähnlein mit einem Glücksrade. Die Form desselben war, wie in Grosse's Burg- und markgräflicher Kriegshistorie (106) angegeben ist, ein Pflugrad. Seine Bedeutung ging aber nicht auf Rad, als Ackergeräth oder gar als Strafwerkzeug, sondern auf Glücksrad. Darauf bezieht sich auch der Ausdruck Rädelsführer, der aber nicht erst jetzt, wie hier und da behauptet wird, sondern schon in Maximilian's Zeit vorkommt. (Vgl. Haltaus, Raitelsführer.) Andere hatten ein Insiegel, worin eine Pflugschar, durch welche kreuzweis ein Dreschflegel und ein Rechen ging, auch wol eine Mistgabel mit drei aufgerichteten Zinken und einem Bauernschuh. (Gropp, Würzb. Chronik, I, 97.) Ob nicht auch das Rad, welches unter dem Kreuze der gegen die Wenden im Jahre 1147 ausziehenden Kreuzfahrer sich befand, ein Glücksrad vorstellen sollte? (Vgl. W. Wachsmuth, Der deutsche Bauernkrieg, Leipzig 1834.) Eiselein tritt indess dieser Erklärung entschieden entgegen, und behauptet: diese Redensart entstand von einem Tanze, wo einer den Reihen, Reigen, oder das Rädel anführte, Choragos war. "Damit", fährt er fort, "stimmt auch [Spaltenumbruch] der slawische Literat Kopitar überein, wenn er sagt: Rädelsführer ist der Anführer des Tanzes, von Rädel, Reigen, slawisch kolo." (Grimm, II, 101.) Frz.: Il mene le branle. - Mener la bande. (Kritzinger, 450a.) *3 Es geht gmeiniglich über den Redlführer hinaus. Lat.: In caput authoris facinus plerumque redundat. (Sutor, 210.) Rädern. * Einen redern vnd edern. - Mathesius, Historia Jesu, LXXXIIIIa. Rädlein. 1 A so lang dus Rädel dreht sich, dreht es sich. (Jüd.-deutsch. Warschau.) Von unsoliden Geschäften. So lange das Räderwerk im Gange ist, merkt man den Schwindel nicht. Im Talmud wird das Glück mit einem kreisenden Rade verglichen. 2 Das Radl ist ihm abgelaufen. - Schöpf, 525. In Baiern: Es ist ihm das Radl laufend geworden. (Mayer, II, 66.) Bei Schmeller (III, 47): 'S Radl is iem laffend wor'n. Er ist närrisch worden. 3 Das rädle hat sich vmbgekehrt. - Aventin, XXXIIIIa. Das Blatt hat sich gewandt. 4 Das Rädlein wird sich vmbdrehen. - Lehmann, 175, 14. Lat.: Crederet Caiphas omne nefas sibi fas. (Sutor, 176.) *5 Das redlin treiben. - Luther's Ms., 10; Lehmann, 803, 21. Des Rädlein treiben ist ein Wortspiel von Rad = Rädlein und Rede = Redlein, wahrscheinlich aus den Spinnstuben, in denen beim Erzählen interessanter Geschichten die Rädlein sich am muntersten bewegen. "Redlin treiben." (Schade, I, 65, 347.) "Das Redlein führen." (Ayrer, II, 1059, 9.) "Wie solchs gemein ist vndern weiben, welch fleissiglich das redlin treiben." (Waldis, III, 98, 12.) " ... Wann er aber selb nicht kan schreiben, so muss er leiden, das sie treiben das redlin, wie es jn gefellt." (Waldis, IV, 60, 130.) "Er treibt das redlin." (Wicelii Dialogorum.) "Er will das Redlin allein treiben." (Conrad Willius, Bonus Senator, S. 169.) *6 Diesmal geht ihm ein Radel im Dreck. D. h. nicht alles nach Berechnung und Wunsch. *7 Einen andern lassen das redlein treiben. - Schade, I, 57, 116. *8 Er hat es Redli z' vil im Chopf. (Solothurn.) - Schild, 90, 386; Sutermeister, 69. Er ist geistig überspannt. *9 Er hat's Radl gar so laufen lassen. - Fliegende Blätter, 1857, 143b. *10 Er weiss das Rädlein zu wenden. Ist durchtrieben, in allen Ränken erfahren. "Welcher yetzund fündig ist vnd waisst auff allen ranck ein list, vnd kan das redlin vmbher wenden .... den welet man yetz zu oberkeit." (Murner, Nb., 70, in Kloster, IV, 814.) Rädleinführer. * Es ist der Rädlinführer. - Franck, Weltbuch, CLVIIa. Radschen. *1 Du böst wol von Radsche, wo se de Flinse op enn Seid backe. - Frischbier2, 3055. *2 Er öss von Radsche, wo se de Wagens op ene Seid schmere. Das Dorf Radschen, Kirchspiel Kussen, Kreis Pillkallen, ist so gebaut, dass alle Gebäude auf einer Seite der Landstrasse liegen, auf der andern Seite derselben zieht sich eine tiefliegende Wiese hin. Die obigen Redensarten werden auf jemand angewandt, der eine Arbeit oberflächlich, einseitig, linkisch u. s. w. macht. Raffelzahn. * Der Raffelzahn (Tod) steht vor seiner Thür. Raffen. 1 Der eine rafft die Steine, der andere wirft sie. Einer entwirft die Plane, ein anderer führt sie aus. 2 Raffen ist ein edel Kraut. Holl.: Heel de wereld is op rapen uit. Raffgut. * Dat is ja ken Rofgot. - Eichwald, 660. Raffzahn. * 'S ist der mit dem grossen Raffzahn. Frz.: C'est Geoffroi a la grande dent. (Kritzinger, 218a.) Ragniter. * Ragniter machen. - Frischbier2, 3056; Hennig, 206. In der preussischen Stadt Ragnit stand einst ein altes Schloss, das von dem Deutschen Orden zwar zerstört, bald darauf aber wieder von neuem erbaut wurde. Man besetzte es mit Soldaten, die man Ragniter nannte. Es wurden die zur Strafe dorthin verwiesen, welche etwas [Spaltenumbruch] *2 Et fêlt em a Râdchen. – Frommann, V, 32, 35. Um auszudrücken, dass jemand ein geistig sehr beschränkter, einfältiger, dummer Mensch oder, dass es sonst in seinem Kopfe nicht ganz richtig sei, hat die siebenbürgisch-sächsische Mundart auch noch die an ihrem Orte dialektisch aufgeführten Redensarten: Er ist ein Tocki, ein Muta, ein Tulemuta, ein Belesch, ein Beleschdorfer (s. d.); er ist von Fogarasch, von Ramsr; er ist ein Thurmknebler, ein Gepesch, ein Maku, ein Zeiku; er ist mit der Schuhbürste geschossen, er ist vor die Stirn geschlagen; er ist aufs Haupt gefallen, er ist nicht bei Trost, er ist nicht fern gewesen. ( Vgl. Frommann, a. a. O.) Rade. 1 Die Rade sagt: Ich lasse den Bauer nicht verhungern und wenn ich hundert Aeste treiben soll. Mit Bezug auf die grosse Ausbreitung und Vermehrung der Rade. 2 Je mehr Raden, je weniger Korn. 3 Rad' und Tresp' hält den Bauer fest, aber Schmêl und Kornblumen jagen ihn von den Huben. – Boebel, 131; Schiller, II, 24a. Im Samlande mit dem Schluss: aber Schmel und Klapper jagen ihn vom Acker. (Frischbier, 3054.) Böhm.: Není to bĕda, když v žitĕ lebeda; ale to dvĕ bĕdy, není-li žita ni lebedy. (Čelakovský, 177.) 4 Rade, Rade roth, in vier Wochen neues Brot. Die Kornrade (Lychnis Githago) blüht ungefähr vier Wochen vor der Roggenernte. 5 Rade, Tresp' und Vogelwicken bringt den Bauer auf die Krücken. (Ostpreuss.) – Boebel, 131. 6 Rade, Trespe und Vogelwicken muss der Herr mir nicht als Messkorn (Decem) schicken; ich predige das Wort Gottes lauter und rein, und so soll auch das Messkorn sein. (Pommern.) 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*2 Et fêlt em a Râdchen. – Frommann, V, 32, 35.
Um auszudrücken, dass jemand ein geistig sehr beschränkter, einfältiger, dummer Mensch oder, dass es sonst in seinem Kopfe nicht ganz richtig sei, hat die siebenbürgisch-sächsische Mundart auch noch die an ihrem Orte dialektisch aufgeführten Redensarten: Er ist ein Tocki, ein Muta, ein Tulemuta, ein Belesch, ein Beleschdorfer (s. d.); er ist von Fogarasch, von Ramsr; er ist ein Thurmknebler, ein Gepesch, ein Maku, ein Zeiku; er ist mit der Schuhbürste geschossen, er ist vor die Stirn geschlagen; er ist aufs Haupt gefallen, er ist nicht bei Trost, er ist nicht fern gewesen. ( Vgl. Frommann, a. a. O.)
Rade.
1 Die Rade sagt: Ich lasse den Bauer nicht verhungern und wenn ich hundert Aeste treiben soll.
Mit Bezug auf die grosse Ausbreitung und Vermehrung der Rade.
2 Je mehr Raden, je weniger Korn.
3 Rad' und Tresp' hält den Bauer fest, aber Schmêl und Kornblumen jagen ihn von den Huben. – Boebel, 131; Schiller, II, 24a.
Im Samlande mit dem Schluss: aber Schmel und Klapper jagen ihn vom Acker. (Frischbier, 3054.)
Böhm.: Není to bĕda, když v žitĕ lebeda; ale to dvĕ bĕdy, není-li žita ni lebedy. (Čelakovský, 177.)
4 Rade, Rade roth, in vier Wochen neues Brot.
Die Kornrade (Lychnis Githago) blüht ungefähr vier Wochen vor der Roggenernte.
5 Rade, Tresp' und Vogelwicken bringt den Bauer auf die Krücken. (Ostpreuss.) – Boebel, 131.
6 Rade, Trespe und Vogelwicken muss der Herr mir nicht als Messkorn (Decem) schicken; ich predige das Wort Gottes lauter und rein, und so soll auch das Messkorn sein. (Pommern.)
Nach andern hat ein Prediger in Schwaben, dessen Einkommen nur in Zehnten der Gemeindeglieder bestand, aus Verdruss darüber, als er ein Jahr hindurch schlechtes Getreide empfangen hatte, seine Predigt mit den später sprichwörtlich gewordenen Zeilen geschlossen. (Witzfunken, VIIIa, 125.)
7 Raden lässt den Bauer warten. (Neisse.) – Boebel, 133; Schiller, II, 24a.
8 Raden und Vogelwicken, sagte der Pastor, soll man mir nicht als Decem schicken. – Luther's Ms., 10.
9 Wan da Radn blüeht reoth, sa hama ön vie' Wochan a ke'onas Breod. (Oberösterreich.) – Baumgarten, I, 49.
10 Wer Raden säet, hat ein buntes Feld, aber schlechtes Brot.
Die Russen: Wer seinen Kindern zu Liebe Kornblumen statt Roggen säet, wird ihnen Blumensamen statt Kornsäcke hinterlassen. (Altmann VI, 490.)
Rädel.
*1 E hot a Radel zu viel.
Ist nicht recht im Kopfe, hat einen Schuss, einen Sporn.
*2 Er führt dus Rädel. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Steht an der Spitze, leitet die Sache.
*3 Es is ihm 's Radl laufend wor'n. (Steiermark.)
Er hat Anwandlungen von Irrsinn.
Rädelsführer.
1 Wir sind alle Rädelsführer, sagte der Bauer, als der Gensdarm nach dem Rädelsführer fragte.
*2 Der Rädelsführer sein. – Eiselein, 518; Richard, 392, 10; Wurzbach II, 293.
Einige Scharen Bauern im Bauernkriege (1525) hatten Fähnlein mit einem Glücksrade. Die Form desselben war, wie in Grosse's Burg- und markgräflicher Kriegshistorie (106) angegeben ist, ein Pflugrad. Seine Bedeutung ging aber nicht auf Rad, als Ackergeräth oder gar als Strafwerkzeug, sondern auf Glücksrad. Darauf bezieht sich auch der Ausdruck Rädelsführer, der aber nicht erst jetzt, wie hier und da behauptet wird, sondern schon in Maximilian's Zeit vorkommt. (Vgl. Haltaus, Raitelsführer.) Andere hatten ein Insiegel, worin eine Pflugschar, durch welche kreuzweis ein Dreschflegel und ein Rechen ging, auch wol eine Mistgabel mit drei aufgerichteten Zinken und einem Bauernschuh. (Gropp, Würzb. Chronik, I, 97.) Ob nicht auch das Rad, welches unter dem Kreuze der gegen die Wenden im Jahre 1147 ausziehenden Kreuzfahrer sich befand, ein Glücksrad vorstellen sollte? (Vgl. W. Wachsmuth, Der deutsche Bauernkrieg, Leipzig 1834.) Eiselein tritt indess dieser Erklärung entschieden entgegen, und behauptet: diese Redensart entstand von einem Tanze, wo einer den Reihen, Reigen, oder das Rädel anführte, Choragos war. „Damit“, fährt er fort, „stimmt auch
der slawische Literat Kopitar überein, wenn er sagt: Rädelsführer ist der Anführer des Tanzes, von Rädel, Reigen, slawisch kolo.“ (Grimm, II, 101.)
Frz.: Il mene le branle. – Mener la bande. (Kritzinger, 450a.)
*3 Es geht gmeiniglich über den Redlführer hinaus.
Lat.: In caput authoris facinus plerumque redundat. (Sutor, 210.)
Rädern.
* Einen redern vnd edern. – Mathesius, Historia Jesu, LXXXIIIIa.
Rädlein.
1 A so lang dus Rädel dreht sich, dreht es sich. (Jüd.-deutsch. Warschau.)
Von unsoliden Geschäften. So lange das Räderwerk im Gange ist, merkt man den Schwindel nicht. Im Talmud wird das Glück mit einem kreisenden Rade verglichen.
2 Das Râdl ist ihm abgelaufen. – Schöpf, 525.
In Baiern: Es ist ihm das Radl laufend geworden. (Mayer, II, 66.) Bei Schmeller (III, 47): 'S Radl is iem laffend wor'n. Er ist närrisch worden.
3 Das rädle hat sich vmbgekehrt. – Aventin, XXXIIIIa.
Das Blatt hat sich gewandt.
4 Das Rädlein wird sich vmbdrehen. – Lehmann, 175, 14.
Lat.: Crederet Caiphas omne nefas sibi fas. (Sutor, 176.)
*5 Das redlin treiben. – Luther's Ms., 10; Lehmann, 803, 21.
Des Rädlein treiben ist ein Wortspiel von Rad = Rädlein und Rede = Redlein, wahrscheinlich aus den Spinnstuben, in denen beim Erzählen interessanter Geschichten die Rädlein sich am muntersten bewegen. „Redlin treiben.“ (Schade, I, 65, 347.) „Das Redlein führen.“ (Ayrer, II, 1059, 9.) „Wie solchs gemein ist vndern weiben, welch fleissiglich das redlin treiben.“ (Waldis, III, 98, 12.) „ ... Wann er aber selb nicht kan schreiben, so muss er leiden, das sie treiben das redlin, wie es jn gefellt.“ (Waldis, IV, 60, 130.) „Er treibt das redlin.“ (Wicelii Dialogorum.) „Er will das Redlin allein treiben.“ (Conrad Willius, Bonus Senator, S. 169.)
*6 Diesmal geht ihm ein Radel im Dreck.
D. h. nicht alles nach Berechnung und Wunsch.
*7 Einen andern lassen das redlein treiben. – Schade, I, 57, 116.
*8 Er hat es Redli z' vil im Chopf. (Solothurn.) – Schild, 90, 386; Sutermeister, 69.
Er ist geistig überspannt.
*9 Er hat's Radl gar so laufen lassen. – Fliegende Blätter, 1857, 143b.
*10 Er weiss das Rädlein zu wenden.
Ist durchtrieben, in allen Ränken erfahren. „Welcher yetzund fündig ist vnd waisst auff allen ranck ein list, vnd kan das redlin vmbher wenden .... den welet man yetz zu oberkeit.“ (Murner, Nb., 70, in Kloster, IV, 814.)
Rädleinführer.
* Es ist der Rädlinführer. – Franck, Weltbuch, CLVIIa.
Radschen.
*1 Du böst wol von Radsche, wo se de Flinse op ênn Sîd backe. – Frischbier2, 3055.
*2 Er öss von Radsche, wo se de Wagens op êne Sîd schmêre.
Das Dorf Radschen, Kirchspiel Kussen, Kreis Pillkallen, ist so gebaut, dass alle Gebäude auf einer Seite der Landstrasse liegen, auf der andern Seite derselben zieht sich eine tiefliegende Wiese hin. Die obigen Redensarten werden auf jemand angewandt, der eine Arbeit oberflächlich, einseitig, linkisch u. s. w. macht.
Raffelzahn.
* Der Raffelzahn (Tod) steht vor seiner Thür.
Raffen.
1 Der eine rafft die Steine, der andere wirft sie.
Einer entwirft die Plane, ein anderer führt sie aus.
2 Raffen ist ein edel Kraut.
Holl.: Heel de wereld is op rapen uit.
Raffgut.
* Dat is ja kên Rofgôt. – Eichwald, 660.
Raffzahn.
* 'S ist der mit dem grossen Raffzahn.
Frz.: C'est Geoffroi à la grande dent. (Kritzinger, 218a.)
Ragniter.
* Ragniter machen. – Frischbier2, 3056; Hennig, 206.
In der preussischen Stadt Ragnit stand einst ein altes Schloss, das von dem Deutschen Orden zwar zerstört, bald darauf aber wieder von neuem erbaut wurde. Man besetzte es mit Soldaten, die man Ragniter nannte. Es wurden die zur Strafe dorthin verwiesen, welche etwas
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