Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch] 6 Ein Pole würde eher am Sonntage ein Pferd stehlen als am Feiertage Milch oder Butter essen. - Eiselein, 514; Simrock, 7962; Klosterspiegel, 38, 8; Braun, I, 3341; Reinsberg V, 6. 7 Polen und Deutsche werden nie Brüder werden. - Schuselka, Deutschland, Polen und Russland (Hamburg 1846), S. 317. Das polnische Element steht aber nicht blos im Widerspruch mit dem deutschen Volkscharakter, auch andere Völker, sogar verwandte slawische Stämme haben eine entschiedene Abneigung vor den Polen und ihrer polnischen Wirthschaft. So sagen die Russen: Bei uns ist nicht Polen, bei uns ist's besser. Die Hanaken in Mähren behaupten sogar: Die Polen sind Landstreicher. Die Galizier versichern: Der Teufel hat alle Polen über einen Leisten geschlagen. Am feindseligsten stehen ihnen aber wol die Kleinrussen gegenüber, deren Hass und Verachtung sich in vielen Sprichwörtern kundgibt. Für unsere Sünden, sagen sie, kamen die Polen über uns. Leche und Zigeuner, behaupten sie, ist eins. Und: Polen-, Juden- und Hundetreue ist alles eins. Wenn sie etwas betheuern, geschieht es mit dem Spruche: "Ich will dreimal Pole werden, wenn das nicht wahr ist!" Dabei antwortet vielleicht einer der Umstehenden erschrocken: "Denke an deine Seele und verfluche sie nicht." Dennoch steigert sich der Hass zu dem Ausrufe: "Möchtest du am Polenglauben verrecken!" Der Hass regt sich schon in der Jugend, selbst die Kinder bitten ängstlich: Mutter, verbinde mir die Augen, damit ich den abscheulichen Lechen nicht sehe. Wie Polen und Deutsche nie Brüder werden, so wenig scheinen selbst verwandte slawische Stämme in ein wirklich freundschaftliches Verhältniss zu treten. Als die Kosacken unter ihrem Hetman Bodan Chmielnicki die Polen überall zurückdrängten und ihnen grosse Verluste beibrachten, entstand unter den Ruthenen die der deutschen: "das sind Schreckenberger" entsprechende Redensart: Schrecken für die Polen, aber der Rusine fürchtet sich nicht. In derselben Zeit mögen vielleicht auch die folgenden Sprichwörter der Ruthenen in Galizien entstanden sein: Rühre dich, Pole, mach dem Rusinen Platz! Und: Der Pole hat's ungern, dass sie ihn todtgeschlagen haben, er zappelt noch mit den Beinen. Als Ursache des vielseitigen Unglücks, das die Polen betroffen hat, nimmt der Ruthene die stolze Absonderung derselben von den übrigen Slawenstämmen an: Warum holt der Teufel die Lechen? Weil sie allein gehen. Die Galizier sagen: Dazu ist der Pole Pole, dass er schlägt, und der Bauer Bauer, dass er's erträgt. (Reinsberg VI, 58 fg.) 8 Wenn der Pole Italiener, der Mazure Weltmann und der Ruthene Pole wird, verfällt er dem Teufel. Damit schildert der Pole die Abfälligen, Ueberläufer, Renegaten. (S. Jude 40 u. 41.) 9 Wo drei Polen beisammen sind, hört man fünf Meinungen. 10 Wo zwei Polen, da sind drei Parteien. - Reinsberg VI, 56. Schildert die Uneinigkeit derselben. Polen. 1 In Polen haben die Klöster ihre Weide. - Klosterspiegel, 38, 8. 2 In Polen hängt man immer einen Juden und einen Esel zusammen. 3 In Polen ist nicht viel zu holen. - Tendlau, 963; Frischbier2, 2967. In Polen ist gewiss auch jetzt noch sehr viel zu holen, denn es ist ein reiches Land, mit dessen Producten seine Bewohner aber wenig anzufangen wissen. Ein alter lateinischer Spruch sagt von ihm: Polen ist der Himmel der Edelleute, das Paradies der Juden, das Fegefeuer der Bürger und die Hölle der Bauern, die Goldgrube der Fremden und der Grund des Frauenaufwandes. Reich an Wolle ist's doch ohne Tuch; säet Lein im Ueberfluss und holt Leinwand aus der Fremde, liebt alle ausländischen Waaren und schätzt die daheim gefertigten gering, rühmt sich theuern Kaufs und verachtet alles, was billig ist. Die Polen fügen hinzu: In unserm Kron- Polen gibt es durch Gottes Gnade Korn zu Brot, Lein zu Leinwand, Schafe zu Tuch, überall Pferde genug und Erze zu Waffen. Oder: Nirgends in Polen fehlt es an Eisen zur Wehre, an Reitern für die Pferde, an Korn, Lein und Weizen wie an vollen Kellern. Wenn die polnischen Zustände viel zu wünschen lassen, so geben die Polen in einem ihrer Sprichwörter selbst als Grund dazu an: Der Ueberfluss in Polen richtet das Land zu Grunde. Und in einem andern theilen sie uns mit, wie sie den Reichthum des Landes verwenden, indem sie sagen: Was der Pole an einem Tage vertrinkt, macht oft den ganzen Reichthum des Deutschen aus. (Co Polak wypije na dzien, Niemen majatek stanowi.) (Wurzbach I, 99, 29.) Holl.: In Polen is niet veel te halen. (Harrebomee, II, 191b.) [Spaltenumbruch] 4 In Polen ist nichts zu holen als dürre Backen und zerrissene Jacken. - Klix, 58. 5 In Polen ist nichts zu holen, und in Preussen werden sie dir was sch .....n. - Frischbier2, 2968. 6 In Polen wird's nicht besser werden, ehe es nicht recht schlecht geht. - Reinsberg VI, 56. Wenn der Satz Wahrheit enthält, dann muss die Periode des Besserwerdens in Polen ehestens beginnen, falls sie nicht schon begonnen hat. 7 Pohlen ist der Bauern Hölle, der Juden1 Paradeiss, der Bürger Fege Feuer, der Edel Leute Himmel und der Frembdlingen2 Geld Grube. - Berckenmeyer, 363; Eiselein, 514; Braun, I, 3341; Simrock, 7963; Reinsberg V, 16. 1) In einer ältern Zeitschrift stand dafür: Läuse. Das folgende polnische Sprichwort scheint dafür zu sprechen, dass es eine solche Lesart gegeben hat: Wenn die Frau Muhme Läuse hätte, so wäre sie der Herr Vetter. (Reinsberg IV, 6.) Sie scheinen auch zur guten Gesellschaft gehört zu haben. 2) Klosterspiegel (38, 7) hat dafür: Mönchsleute. 8 Polen bat drei Statthalter: einen auf Reisen, einen in Warschau und einen auf Reisen. So sagte der Volkswitz im Jahre 1861, als (der Statthalter) Graf Lambert von Warschau abgereist war, der Kriegsminister Suchopanet inzwischen als Statthalter fungirte, und der General Lüders als neuer Statthalter von Petersburg aus sich unterwegs befand. 9 Polen hat ein Ministerium mit vier Ohne: einen Aufklärungsminister ohne Schulen, einen Cultusminister ohne Kirchen, einen Justizminister ohne Rechtspflege und einen Schatzminister ohne Finanzen. So charakterisirte der polnische Volkswitz im Jahre 1861 sein Ministerium, zu der Zeit, als den Generalen der Citadelle die Rechtspflege übertragen war. Die Volksschulen fehlten, die Kirchen waren infolge von Militärgewalt geschlossen. 10 Polen ist katholisch. Das bezeichnende Sprichwort: Polska katolicka, das im Munde des Adels gäng und gebe ist, wird bei jeder Gelegenheit hervorgehoben. Die innige Verbindung des Polonismus mit dem Ultramontanismus entspricht dem Wesen und der Geschichte Polens. Weiter ausgeführt ist dies in einem Feuilletonartikel der Nationalzeitung (Berlin vom 25. Juni 1870, Nr. 289) unter dem Titel: Adel und Geistlichkeit, Culturskizzen aus Galizien. 11 Polen ist über, und Warschau brennt. - Frischbier, 578; Frischbier2, 2970. Als Antwort auf eine müssige Frage nach Neuigkeiten. 12 Polen kennt sein viertes Regiment. "Da hilft kein Widerstreben, denn Polen kennt sein viertes Regiment." (Th. Drobisch, Anekdotenjäger, Nordhausen 1863, Hft. 74, S. 131.) 13 Polen steht, wenn's auch drunter und drüber geht. Wie aber dann ein Gemeinwesen steht, wenn es in einer Weise "drunter und drüber" geht, wie in Polen, namentlich zur Zeit des Wahlreichs, zeigt der jetzige Zustand des Volkes und Landes, der eine Folge jener "polnischen Wirthschaft" ist. Poln.: Polska nierzadem stoi. (Wurzbach I, 12.) 14 Polen wird durch Verwirrung regiert. Bezieht sich auf die frühere Verfassung Polens, auf seine stürmischen Reichstage, deren Beschlüsse durch eine einzige Stimme umgestossen werden konnten. Lat.: Polonia confusione regitur. *15 Da steht Polen auf. *16 Dat öss wie ön Pole, wo de ölste Laus op em Owe sett, e Peip Toback rokt on tositt wie Streu gemakt ward. - Frischbier, 579; Frischbier2, 2971. *17 Noch ist Polen nicht verloren. - Frischbier, 577; Frischbier2, 2969; Büchmann (6. Aufl.), 226. Ausspruch der Ermunterung, des Trostes u. s. w. Diese Redensart ist die Uebersetzung des von einem unbekannten Verfasser herrührenden Dombrowski-Marsches: Jeszcze Polska nie zgineta u. s. w. und ist auch für uns Deutsche ein bei Rettung aus Verlegenheit oft angewandtes Wort geworden. Der Marsch wurde zuerst von der polnischen Legion gesungen, welche Dombrowski 1796 unter Bonaparte in Italien sammelte. (Vgl. Ad. Mickiewicz, Vorlesungen über slawische Literatur und Zustände, Leipzig 1843, II, 258, 269 u. 324.) *18 Nu öss Paln apn on Warschau brennt. - Frischbier2, 2972. Die Redensart soll hier angewandt werden, wenn jemand über einen kleinen Unfall ein grosses Lamento erhebt.
[Spaltenumbruch] 6 Ein Pole würde eher am Sonntage ein Pferd stehlen als am Feiertage Milch oder Butter essen. – Eiselein, 514; Simrock, 7962; Klosterspiegel, 38, 8; Braun, I, 3341; Reinsberg V, 6. 7 Polen und Deutsche werden nie Brüder werden. – Schuselka, Deutschland, Polen und Russland (Hamburg 1846), S. 317. Das polnische Element steht aber nicht blos im Widerspruch mit dem deutschen Volkscharakter, auch andere Völker, sogar verwandte slawische Stämme haben eine entschiedene Abneigung vor den Polen und ihrer polnischen Wirthschaft. So sagen die Russen: Bei uns ist nicht Polen, bei uns ist's besser. Die Hanaken in Mähren behaupten sogar: Die Polen sind Landstreicher. Die Galizier versichern: Der Teufel hat alle Polen über einen Leisten geschlagen. Am feindseligsten stehen ihnen aber wol die Kleinrussen gegenüber, deren Hass und Verachtung sich in vielen Sprichwörtern kundgibt. Für unsere Sünden, sagen sie, kamen die Polen über uns. Leche und Zigeuner, behaupten sie, ist eins. Und: Polen-, Juden- und Hundetreue ist alles eins. Wenn sie etwas betheuern, geschieht es mit dem Spruche: „Ich will dreimal Pole werden, wenn das nicht wahr ist!“ Dabei antwortet vielleicht einer der Umstehenden erschrocken: „Denke an deine Seele und verfluche sie nicht.“ Dennoch steigert sich der Hass zu dem Ausrufe: „Möchtest du am Polenglauben verrecken!“ Der Hass regt sich schon in der Jugend, selbst die Kinder bitten ängstlich: Mutter, verbinde mir die Augen, damit ich den abscheulichen Lechen nicht sehe. Wie Polen und Deutsche nie Brüder werden, so wenig scheinen selbst verwandte slawische Stämme in ein wirklich freundschaftliches Verhältniss zu treten. Als die Kosacken unter ihrem Hetman Bodan Chmielnicki die Polen überall zurückdrängten und ihnen grosse Verluste beibrachten, entstand unter den Ruthenen die der deutschen: „das sind Schreckenberger“ entsprechende Redensart: Schrecken für die Polen, aber der Rusine fürchtet sich nicht. In derselben Zeit mögen vielleicht auch die folgenden Sprichwörter der Ruthenen in Galizien entstanden sein: Rühre dich, Pole, mach dem Rusinen Platz! Und: Der Pole hat's ungern, dass sie ihn todtgeschlagen haben, er zappelt noch mit den Beinen. Als Ursache des vielseitigen Unglücks, das die Polen betroffen hat, nimmt der Ruthene die stolze Absonderung derselben von den übrigen Slawenstämmen an: Warum holt der Teufel die Lechen? Weil sie allein gehen. Die Galizier sagen: Dazu ist der Pole Pole, dass er schlägt, und der Bauer Bauer, dass er's erträgt. (Reinsberg VI, 58 fg.) 8 Wenn der Pole Italiener, der Mazure Weltmann und der Ruthene Pole wird, verfällt er dem Teufel. Damit schildert der Pole die Abfälligen, Ueberläufer, Renegaten. (S. Jude 40 u. 41.) 9 Wo drei Polen beisammen sind, hört man fünf Meinungen. 10 Wo zwei Polen, da sind drei Parteien. – Reinsberg VI, 56. Schildert die Uneinigkeit derselben. 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Wenn der Satz Wahrheit enthält, dann muss die Periode des Besserwerdens in Polen ehestens beginnen, falls sie nicht schon begonnen hat. 7 Pohlen ist der Bauern Hölle, der Juden1 Paradeiss, der Bürger Fege Feuer, der Edel Leute Himmel und der Frembdlingen2 Geld Grube. – Berckenmeyer, 363; Eiselein, 514; Braun, I, 3341; Simrock, 7963; Reinsberg V, 16. 1) In einer ältern Zeitschrift stand dafür: Läuse. Das folgende polnische Sprichwort scheint dafür zu sprechen, dass es eine solche Lesart gegeben hat: Wenn die Frau Muhme Läuse hätte, so wäre sie der Herr Vetter. (Reinsberg IV, 6.) Sie scheinen auch zur guten Gesellschaft gehört zu haben. 2) Klosterspiegel (38, 7) hat dafür: Mönchsleute. 8 Polen bat drei Statthalter: einen auf Reisen, einen in Warschau und einen auf Reisen. 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Weiter ausgeführt ist dies in einem Feuilletonartikel der Nationalzeitung (Berlin vom 25. Juni 1870, Nr. 289) unter dem Titel: Adel und Geistlichkeit, Culturskizzen aus Galizien. 11 Polen ist über, und Warschau brennt. – Frischbier, 578; Frischbier2, 2970. Als Antwort auf eine müssige Frage nach Neuigkeiten. 12 Polen kennt sein viertes Regiment. „Da hilft kein Widerstreben, denn Polen kennt sein viertes Regiment.“ (Th. Drobisch, Anekdotenjäger, Nordhausen 1863, Hft. 74, S. 131.) 13 Polen steht, wenn's auch drunter und drüber geht. Wie aber dann ein Gemeinwesen steht, wenn es in einer Weise „drunter und drüber“ geht, wie in Polen, namentlich zur Zeit des Wahlreichs, zeigt der jetzige Zustand des Volkes und Landes, der eine Folge jener „polnischen Wirthschaft“ ist. Poln.: Polska nierżądem stoi. (Wurzbach I, 12.) 14 Polen wird durch Verwirrung regiert. 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6 Ein Pole würde eher am Sonntage ein Pferd stehlen als am Feiertage Milch oder Butter essen. – Eiselein, 514; Simrock, 7962; Klosterspiegel, 38, 8; Braun, I, 3341; Reinsberg V, 6.
7 Polen und Deutsche werden nie Brüder werden. – Schuselka, Deutschland, Polen und Russland (Hamburg 1846), S. 317.
Das polnische Element steht aber nicht blos im Widerspruch mit dem deutschen Volkscharakter, auch andere Völker, sogar verwandte slawische Stämme haben eine entschiedene Abneigung vor den Polen und ihrer polnischen Wirthschaft. So sagen die Russen: Bei uns ist nicht Polen, bei uns ist's besser. Die Hanaken in Mähren behaupten sogar: Die Polen sind Landstreicher. Die Galizier versichern: Der Teufel hat alle Polen über einen Leisten geschlagen. Am feindseligsten stehen ihnen aber wol die Kleinrussen gegenüber, deren Hass und Verachtung sich in vielen Sprichwörtern kundgibt. Für unsere Sünden, sagen sie, kamen die Polen über uns. Leche und Zigeuner, behaupten sie, ist eins. Und: Polen-, Juden- und Hundetreue ist alles eins. Wenn sie etwas betheuern, geschieht es mit dem Spruche: „Ich will dreimal Pole werden, wenn das nicht wahr ist!“ Dabei antwortet vielleicht einer der Umstehenden erschrocken: „Denke an deine Seele und verfluche sie nicht.“ Dennoch steigert sich der Hass zu dem Ausrufe: „Möchtest du am Polenglauben verrecken!“ Der Hass regt sich schon in der Jugend, selbst die Kinder bitten ängstlich: Mutter, verbinde mir die Augen, damit ich den abscheulichen Lechen nicht sehe. Wie Polen und Deutsche nie Brüder werden, so wenig scheinen selbst verwandte slawische Stämme in ein wirklich freundschaftliches Verhältniss zu treten. Als die Kosacken unter ihrem Hetman Bodan Chmielnicki die Polen überall zurückdrängten und ihnen grosse Verluste beibrachten, entstand unter den Ruthenen die der deutschen: „das sind Schreckenberger“ entsprechende Redensart: Schrecken für die Polen, aber der Rusine fürchtet sich nicht. In derselben Zeit mögen vielleicht auch die folgenden Sprichwörter der Ruthenen in Galizien entstanden sein: Rühre dich, Pole, mach dem Rusinen Platz! Und: Der Pole hat's ungern, dass sie ihn todtgeschlagen haben, er zappelt noch mit den Beinen. Als Ursache des vielseitigen Unglücks, das die Polen betroffen hat, nimmt der Ruthene die stolze Absonderung derselben von den übrigen Slawenstämmen an: Warum holt der Teufel die Lechen? Weil sie allein gehen. Die Galizier sagen: Dazu ist der Pole Pole, dass er schlägt, und der Bauer Bauer, dass er's erträgt. (Reinsberg VI, 58 fg.)
8 Wenn der Pole Italiener, der Mazure Weltmann und der Ruthene Pole wird, verfällt er dem Teufel.
Damit schildert der Pole die Abfälligen, Ueberläufer, Renegaten. (S. Jude 40 u. 41.)
9 Wo drei Polen beisammen sind, hört man fünf Meinungen.
10 Wo zwei Polen, da sind drei Parteien. – Reinsberg VI, 56.
Schildert die Uneinigkeit derselben.
Polen.
1 In Polen haben die Klöster ihre Weide. – Klosterspiegel, 38, 8.
2 In Polen hängt man immer einen Juden und einen Esel zusammen.
3 In Polen ist nicht viel zu holen. – Tendlau, 963; Frischbier2, 2967.
In Polen ist gewiss auch jetzt noch sehr viel zu holen, denn es ist ein reiches Land, mit dessen Producten seine Bewohner aber wenig anzufangen wissen. Ein alter lateinischer Spruch sagt von ihm: Polen ist der Himmel der Edelleute, das Paradies der Juden, das Fegefeuer der Bürger und die Hölle der Bauern, die Goldgrube der Fremden und der Grund des Frauenaufwandes. Reich an Wolle ist's doch ohne Tuch; säet Lein im Ueberfluss und holt Leinwand aus der Fremde, liebt alle ausländischen Waaren und schätzt die daheim gefertigten gering, rühmt sich theuern Kaufs und verachtet alles, was billig ist. Die Polen fügen hinzu: In unserm Kron- Polen gibt es durch Gottes Gnade Korn zu Brot, Lein zu Leinwand, Schafe zu Tuch, überall Pferde genug und Erze zu Waffen. Oder: Nirgends in Polen fehlt es an Eisen zur Wehre, an Reitern für die Pferde, an Korn, Lein und Weizen wie an vollen Kellern. Wenn die polnischen Zustände viel zu wünschen lassen, so geben die Polen in einem ihrer Sprichwörter selbst als Grund dazu an: Der Ueberfluss in Polen richtet das Land zu Grunde. Und in einem andern theilen sie uns mit, wie sie den Reichthum des Landes verwenden, indem sie sagen: Was der Pole an einem Tage vertrinkt, macht oft den ganzen Reichthum des Deutschen aus. (Co Polak wypije na dzień, Niemen majątek stanowi.) (Wurzbach I, 99, 29.)
Holl.: In Polen is niet veel te halen. (Harrebomée, II, 191b.)
4 In Polen ist nichts zu holen als dürre Backen und zerrissene Jacken. – Klix, 58.
5 In Polen ist nichts zu holen, und in Preussen werden sie dir was sch .....n. – Frischbier2, 2968.
6 In Polen wird's nicht besser werden, ehe es nicht recht schlecht geht. – Reinsberg VI, 56.
Wenn der Satz Wahrheit enthält, dann muss die Periode des Besserwerdens in Polen ehestens beginnen, falls sie nicht schon begonnen hat.
7 Pohlen ist der Bauern Hölle, der Juden1 Paradeiss, der Bürger Fege Feuer, der Edel Leute Himmel und der Frembdlingen2 Geld Grube. – Berckenmeyer, 363; Eiselein, 514; Braun, I, 3341; Simrock, 7963; Reinsberg V, 16.
1) In einer ältern Zeitschrift stand dafür: Läuse. Das folgende polnische Sprichwort scheint dafür zu sprechen, dass es eine solche Lesart gegeben hat: Wenn die Frau Muhme Läuse hätte, so wäre sie der Herr Vetter. (Reinsberg IV, 6.) Sie scheinen auch zur guten Gesellschaft gehört zu haben.
2) Klosterspiegel (38, 7) hat dafür: Mönchsleute.
8 Polen bat drei Statthalter: einen auf Reisen, einen in Warschau und einen auf Reisen.
So sagte der Volkswitz im Jahre 1861, als (der Statthalter) Graf Lambert von Warschau abgereist war, der Kriegsminister Suchopanet inzwischen als Statthalter fungirte, und der General Lüders als neuer Statthalter von Petersburg aus sich unterwegs befand.
9 Polen hat ein Ministerium mit vier Ohne: einen Aufklärungsminister ohne Schulen, einen Cultusminister ohne Kirchen, einen Justizminister ohne Rechtspflege und einen Schatzminister ohne Finanzen.
So charakterisirte der polnische Volkswitz im Jahre 1861 sein Ministerium, zu der Zeit, als den Generalen der Citadelle die Rechtspflege übertragen war. Die Volksschulen fehlten, die Kirchen waren infolge von Militärgewalt geschlossen.
10 Polen ist katholisch.
Das bezeichnende Sprichwort: Polska katolicka, das im Munde des Adels gäng und gebe ist, wird bei jeder Gelegenheit hervorgehoben. Die innige Verbindung des Polonismus mit dem Ultramontanismus entspricht dem Wesen und der Geschichte Polens. Weiter ausgeführt ist dies in einem Feuilletonartikel der Nationalzeitung (Berlin vom 25. Juni 1870, Nr. 289) unter dem Titel: Adel und Geistlichkeit, Culturskizzen aus Galizien.
11 Polen ist über, und Warschau brennt. – Frischbier, 578; Frischbier2, 2970.
Als Antwort auf eine müssige Frage nach Neuigkeiten.
12 Polen kennt sein viertes Regiment.
„Da hilft kein Widerstreben, denn Polen kennt sein viertes Regiment.“ (Th. Drobisch, Anekdotenjäger, Nordhausen 1863, Hft. 74, S. 131.)
13 Polen steht, wenn's auch drunter und drüber geht.
Wie aber dann ein Gemeinwesen steht, wenn es in einer Weise „drunter und drüber“ geht, wie in Polen, namentlich zur Zeit des Wahlreichs, zeigt der jetzige Zustand des Volkes und Landes, der eine Folge jener „polnischen Wirthschaft“ ist.
Poln.: Polska nierżądem stoi. (Wurzbach I, 12.)
14 Polen wird durch Verwirrung regiert.
Bezieht sich auf die frühere Verfassung Polens, auf seine stürmischen Reichstage, deren Beschlüsse durch eine einzige Stimme umgestossen werden konnten.
Lat.: Polonia confusione regitur.
*15 Da steht Polen auf.
*16 Dat öss wie ön Pole, wo de ölste Lûs op em Owe sett, e Pîp Toback rôkt on tositt wie Streu gemakt ward. – Frischbier, 579; Frischbier2, 2971.
*17 Noch ist Polen nicht verloren. – Frischbier, 577; Frischbier2, 2969; Büchmann (6. Aufl.), 226.
Ausspruch der Ermunterung, des Trostes u. s. w. Diese Redensart ist die Uebersetzung des von einem unbekannten Verfasser herrührenden Dombrowski-Marsches: Jeszcze Polska nie zginęta u. s. w. und ist auch für uns Deutsche ein bei Rettung aus Verlegenheit oft angewandtes Wort geworden. Der Marsch wurde zuerst von der polnischen Legion gesungen, welche Dombrowski 1796 unter Bonaparte in Italien sammelte. (Vgl. Ad. Mickiewicz, Vorlesungen über slawische Literatur und Zustände, Leipzig 1843, II, 258, 269 u. 324.)
*18 Nu öss Paln apn on Warschau brennt. – Frischbier2, 2972.
Die Redensart soll hier angewandt werden, wenn jemand über einen kleinen Unfall ein grosses Lamento erhebt.
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