Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite
[Spaltenumbruch]
Nikasiustag.

Auf Sanct-Nikasiustag läuft jede Maus, wohin sie mag.

Scherzhaft: Auf Nikasiustag iss Brot ohne Käs'.


Niklasbischof.

* Ein Niklasbischof sein. - Lessing (Berlin 1826), XIII, 235.

Wer das nicht ist, was er scheinen will. "Unsere Bischoffe sein nichts denn Niclasbischoffe, wäre ein fein Spiel in die Fastnacht, ohne dass der göttliche Name unter dem Schein gelästert wird." - "Das rühmet man aus der Niclasbischoffe Gauckelsack." - "Die Niclasbischöffe mögen alle wohl triegen, unheilig und gottlose Leute sein." (Luther's Werke, II, 337; VII, 204 u. 326.)


Nikodemisch.

* Einen auf nikodemisch vertheidigen.

"Auff Nicodemisch vertheidiget er ihn." (Luther's Werke, II, 258a.)


Nikolai.

Nikolai die Reichen, Katharina desgleichen, Petri die Stauren (Grossen, Ansehnlichen), Jakobi die Bauren, Michaelis der Glanz, hamburger Berg der Schwanz. - Schütze, II, 301.

Alter Reimspruch zur Charakterisirung der fünf Kirchspiele Hamburgs. Auch mit dem veränderten, Schütze sagt verballhornten, Schluss: Michaelis die Pracht, hamburger Berg, gute Nacht.


Nikolaiken.

In Nikolaiken liegt ein Stinthengst an der Kette. - Frischbier2, 2789.


Nikolaus.

1 Niklas (6. Dec.) geht herum und macht die Kinder stumm.

Findet seine Erklärung in der Sitte, dass am Vorabende des Nikolaustags eine als Nikolaus vermummte Person mit einem gewissen Gefolge herumgeht mit Gaben für die guten und mit Birkenreissern für die ungehorsamen Kinder. In Steinerkirchen unweit der Traun heisst es, der Teufel gehe an diesem Tage herum und suche Kinder zu stehlen. Früher buken die Bäcker an diesem Tage Brote von ungewöhnlicher Form, welche meist das Aussehen von Thiergestalten hatten. Dieser Brauch wies auf die Thieropfer hin, welche einst um diese Zeit den Göttern gebracht wurden, während die jetzt noch herumgehenden vermummten Gestalten sich aus der Umwandlung der Götter und Hausgeister in dämonische oder gar possenhafte Wesen erklären. (Vgl. darüber A. Baumgarten, Progr., 4.) Seine innige Verschmelzung mit dem altgermanischen Wodan hat es sinte Niclaas den nobelen baas (Sanct-Niklas, der edle Herr) allein zu danken, dass er sogar in den Niederlanden unter den heiligenfeindlichen Reformirten noch volle Geltung hat. Er ist der gütige Gabenspender, der seine Geschenke entweder überraschend in eine Zimmerecke legt oder gar durch den Schornstein herabwirft; und zu ihm beten die gläubigen Kinder: Sint-Niclas, Gods heilge man doe uwen besten tabbaerd aen en rydt er mee naer Spanje om appelen van oranje, om peeren van den boom (Sanct-Niklas, Gottes heiliger Mann, thu deinen besten Kittel an und reit darin nach Spanien, um Aepfel von Oranien [Orangen] um Birnen von dem Baum). (Vgl. Wodan als Jahresgott von M. Jähns, in den Grenzboten, Leipzig 1871, Nr. 5, S. 173.)

2 Sanct-Niclaus beschert die Kuh, gibt aber nicht das Seil (den Strick) dazu. - Lehmann, 38, 40; Blum, 47; Eiselein, 401; Siebenkees, 146; Orakel, 951; Simrock, 6052; Körte, 4571; Braun, I, 3051; Masson, 3; Sprichwörterschatz, 116.

3 Sanct Niklas hat uns wohl eingelegt. - Eiselein, 494.

4 Sanct Niklas legt (beschert) nicht alle Tage ein. - Parömiakon, 431.

Sein Beschertag ist eigentlich der 6. December, wo in einzelnen Gegenden Deutschlands, z. B. im Fuldaischen noch jetzt, und nicht zu Weihnacht beschert wird. Unter dem heiligen Niklas tritt der alte Wuodan auf. Die Priester haben bei Einführung des Christenthums heidnische Formen zur Verbreitung christlicher Lehren benutzt. Sehr vieles von dem, was man Christenthum nennt, ist heidnischer Inhalt unter christlichem Namen. (Vgl. Mühlhause, 45.) Sehr ausführlich behandelt E. L. Rochholz unter der Ueberschrift Weihnachten und Neujahr in der Schweiz den Sanct-Nikolausabend in den Grenzboten (Leipzig 1864, S. 375-89): "Der Sanct-Nikolausabend", heisst es, "gilt uns als das Vorfest, mit welchem Weihnachten angekündigt wird, d. h. des zwölf- bis dreizehntägigen Festes der Wintersonnenwende, dessen Feier ehemals vom 6. Dec. bis zum heiligen Dreikönigstag (6. Jan.) gedauert hat. Die häuslichen und öffentlichen Angelegenheiten sollen von dieser Zeit an geordnet und zum Abschluss gebracht werden, um die darauf folgenden Festtage in ungestörtem Gottesfrieden begehen zu können, denn das eine der drei [Spaltenumbruch] grossen Jahresfeste der Germanen naht - der Mittwinter. Deswegen schliessen sich nun die Gerichtshäuser, der sogenannte Rechtsstillstand beginnt. Deswegen kommt nun eine Reihe der Hausarbeiten zum Abschluss; der Brotvorrath wird fertig gebacken, weil das Korn ausgedroschen ist, das Mastschwein wird eingeschlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist; der Rocken wird abgesponnen. Das Kind fragt, wann denn der Sanct-Nikolaus komme. Die artigen Kinder vertröstet man auf den nächsten Schnee, der dann mit dem Freudenreim begrüsst wird: >Es schneit, es schneit, ass's Fetze schneit, der Samichlaus (s. d.) is nimme weit.<" Die Illustrirte Zeitung (Nr. 1431, S. 386) sagt: "Die Aehnlichkeit des Namens des heiligen Nikolaus mit Nichus (angelsächsisch Nicor, niederdeutsch Nicker, Necker), der ältesten deutschen Benennung der Wassergeister oder Nixen, mag viel dazu beigetragen haben, den heiligen Bischof als Schutzheiligen der Schiffer in Deutschland einzubürgern und ihm z. B. am Binger Loch, wo sein Bild steht, früher Gelübde für glückliche Durchfahrt zu weihen, wie die Zeit seines Festes ihn mit der Vorstellung des Umzugs der alten Götter zur Wintersonnenwende in Verbindung gebracht hat. Da der Schimmel, auf dem der Heilige durch die Lüfte reitet, an Wuodan, und die >Nikolasvarken<, die man in den Niederlanden neben den Bildern der Heiligen bäckt, an Fro erinnern; so kann man daraus, wie aus dem Umstande, dass gerade in Süditalien, wo San-Nicolo von Bari so hoch verehrt wird, nichts von dergleichen Bräuchen und seinen Festen bekannt ist, darauf schliessen, dass das Nikolaifest in Deutschland germanischen Ursprungs ist. In der Schweiz, in Vorarlberg, in Tirol, in Kärnten, in einem grossen Theile des südlichen und westlichen Deutschland, im Elsass, Ostfriesland und in den Niederlanden ist das Nikolausfest der Tag geblieben, an welchem man die Kinder zu beschenken pflegt. Nach dem Glauben derselben reitet der Heilige in der Nacht vor seinem Feste auf einem Esel oder Schimmel über die Dörfer hinweg und wirft aus den mit Näschereien und Spielzeug gefüllten Körben, die er neben sich am Sattel befestigt hat, die Gaben durch den Schornstein herab. Deshalb setzen die Kinder bald Schuhe oder Strümpfe, bald Körbchen, Schüsseln oder Teller, in einigen Städten eigens für diesen Zweck gefertigte Schuhe aus Porzellan, in andern blos Heubündel, je nach Räumlichkeiten, ans Kamin, aufs Bett, in eine Ecke des Zimmers, oder vor die Stubenthür, um vom heiligen Klas beschenkt zu werden, der ihnen nach ihrem Betragen entweder Näschereien und Spielsachen oder eine Ruthe herabfallen lässt. Um den Heiligen milder zu stimmen, wird abends der Schuh oder die Schüssel mit Heu, Hafer und Mohrrüben gefüllt, damit sein Reitthier etwas Futter finde. In Westfalen setzen die Dienstboten noch jetzt der Herrschaft Schüsseln und Teller vor die Thüren, um sie den nächsten Morgen mit Aepfeln und Nüssen gefüllt zu finden. In den Niederlanden beten die Kinder schon wochenlang vorher tagtäglich vor dem Schlafengehen: >Sinte-Nicolaas, nobele baas, werp iet in mijn schoentjen een appeltjen of een limoentjen.< Oder: >Sinte-Niclaas myn goeije man, wilt ge me wel wat geven, dan dien ik u al myn leven; geeft ge me niet, dan dien ik u niet, dan zyt ge myn sinte Niklaasken niet.<" - Der heilige Nikolaus spielt aber auch bei andern Völkern eine Rolle. Die Belgier bedienen sich seiner bei ihren Schwüren und Flüchen: Bei Cloos herten! oder: bei sente Cleis! Die Franzosen betrachten ihn als Heirathsstifter; sie sagen: Saint-Nicolas marie les filles avec les gas; daher bitten ihn die jungen Mädchen der Normandie als ihren Schutzpatron, er möge sie ohne Zögern verheirathen: Patron des filles, saint Nicolas, mariez-nous, ne tardez pas. In einigen Gegenden Frankreichs verehren ihn auch die Kinder als Gabenbringer, indem sie singen: "Saint-Nicolas, bon homme donnez-nous des pommes, donnez-moi des macarins, saint Nicolas est mon cousin." - In vielen Nonnenklöstern Frankreichs und Italiens war es früher Sitte, dass an der Vigilie des Heiligen jede Kostgängerin einen seidenen Strumpf an die Thür des Zimmers der Aebtissin hing und einen Zettel hineinlegte, um sich dem "grossen Sanct- Nicolo ihrer Stube" zu empfehlen, worauf sie den nächsten Morgen den Strumpf mit Leckereien und andern Kleinigkeiten gefüllt fand. Selbst an den Höfen einiger italienischer Fürsten bestand der Brauch (sogenannte Japata), heimlich Geschenke in den Schuhen und Pantoffeln der Personen, die man auszeichnen wollte, zu verstecken; und in Bologna herrscht noch jetzt die Gewohnheit, am Sanct-Nikolaustage zu Ehren des Heiligen ganz kleine runde Brötchen zu vertheilen, die man pantein d'san Nicola nennt. - In England, wo es ebenfalls Sitte war, dass die Mütter ihren Kindern am Sanct-Nikolastage Geschenke versteckten und am Morgen sagten, der Heilige habe sie ihnen gebracht, mussten die Kinder am Tage vorher fasten, wenn sie etwas bekommen wollten. In Welschtirol pflegen blos die Knaben am Abend vor Sanct-Nikolaus einen Schuh oder Strumpf an das Fenster zu legen und einen Teller mit Semmelbrötchen für den Esel des Heiligen hinauszustellen, während die Mädchen dasselbe am Abend von Sanct-Lucia (13. Dec.) thun. In Vlämisch-Belgien hatten früher sogar die Dienstboten das Recht, ihre Schuhe, die Mägde in die Stube der Frau, die Knechte in die des Herrn, an das Kamin zu stellen

[Spaltenumbruch]
Nikasiustag.

Auf Sanct-Nikasiustag läuft jede Maus, wohin sie mag.

Scherzhaft: Auf Nikasiustag iss Brot ohne Käs'.


Niklasbischof.

* Ein Niklasbischof sein.Lessing (Berlin 1826), XIII, 235.

Wer das nicht ist, was er scheinen will. „Unsere Bischoffe sein nichts denn Niclasbischoffe, wäre ein fein Spiel in die Fastnacht, ohne dass der göttliche Name unter dem Schein gelästert wird.“ – „Das rühmet man aus der Niclasbischoffe Gauckelsack.“ – „Die Niclasbischöffe mögen alle wohl triegen, unheilig und gottlose Leute sein.“ (Luther's Werke, II, 337; VII, 204 u. 326.)


Nikodemisch.

* Einen auf nikodemisch vertheidigen.

„Auff Nicodemisch vertheidiget er ihn.“ (Luther's Werke, II, 258a.)


Nikolai.

Nikolai die Reichen, Katharina desgleichen, Petri die Stûren (Grossen, Ansehnlichen), Jakobi die Bûren, Michaelis der Glanz, hamburger Berg der Schwanz.Schütze, II, 301.

Alter Reimspruch zur Charakterisirung der fünf Kirchspiele Hamburgs. Auch mit dem veränderten, Schütze sagt verballhornten, Schluss: Michaelis die Pracht, hamburger Berg, gute Nacht.


Nikolaiken.

In Nikolaiken liegt ein Stinthengst an der Kette.Frischbier2, 2789.


Nikolaus.

1 Niklas (6. Dec.) geht herum und macht die Kinder stumm.

Findet seine Erklärung in der Sitte, dass am Vorabende des Nikolaustags eine als Nikolaus vermummte Person mit einem gewissen Gefolge herumgeht mit Gaben für die guten und mit Birkenreissern für die ungehorsamen Kinder. In Steinerkirchen unweit der Traun heisst es, der Teufel gehe an diesem Tage herum und suche Kinder zu stehlen. Früher buken die Bäcker an diesem Tage Brote von ungewöhnlicher Form, welche meist das Aussehen von Thiergestalten hatten. Dieser Brauch wies auf die Thieropfer hin, welche einst um diese Zeit den Göttern gebracht wurden, während die jetzt noch herumgehenden vermummten Gestalten sich aus der Umwandlung der Götter und Hausgeister in dämonische oder gar possenhafte Wesen erklären. (Vgl. darüber A. Baumgarten, Progr., 4.) Seine innige Verschmelzung mit dem altgermanischen Wodan hat es sinte Niclaas den nobelen baas (Sanct-Niklas, der edle Herr) allein zu danken, dass er sogar in den Niederlanden unter den heiligenfeindlichen Reformirten noch volle Geltung hat. Er ist der gütige Gabenspender, der seine Geschenke entweder überraschend in eine Zimmerecke legt oder gar durch den Schornstein herabwirft; und zu ihm beten die gläubigen Kinder: Sint-Niclas, Gods heilge man doe uwen besten tabbaerd aen en rydt er meê naer Spanje om appelen van oranje, om peeren van den boom (Sanct-Niklas, Gottes heiliger Mann, thu deinen besten Kittel an und reit darin nach Spanien, um Aepfel von Oranien [Orangen] um Birnen von dem Baum). (Vgl. Wodan als Jahresgott von M. Jähns, in den Grenzboten, Leipzig 1871, Nr. 5, S. 173.)

2 Sanct-Niclaus beschert die Kuh, gibt aber nicht das Seil (den Strick) dazu.Lehmann, 38, 40; Blum, 47; Eiselein, 401; Siebenkees, 146; Orakel, 951; Simrock, 6052; Körte, 4571; Braun, I, 3051; Masson, 3; Sprichwörterschatz, 116.

3 Sanct Niklas hat uns wohl eingelegt.Eiselein, 494.

4 Sanct Niklas legt (beschert) nicht alle Tage ein.Parömiakon, 431.

Sein Beschertag ist eigentlich der 6. December, wo in einzelnen Gegenden Deutschlands, z. B. im Fuldaischen noch jetzt, und nicht zu Weihnacht beschert wird. Unter dem heiligen Niklas tritt der alte Wuodan auf. Die Priester haben bei Einführung des Christenthums heidnische Formen zur Verbreitung christlicher Lehren benutzt. Sehr vieles von dem, was man Christenthum nennt, ist heidnischer Inhalt unter christlichem Namen. (Vgl. Mühlhause, 45.) Sehr ausführlich behandelt E. L. Rochholz unter der Ueberschrift Weihnachten und Neujahr in der Schweiz den Sanct-Nikolausabend in den Grenzboten (Leipzig 1864, S. 375-89): „Der Sanct-Nikolausabend“, heisst es, „gilt uns als das Vorfest, mit welchem Weihnachten angekündigt wird, d. h. des zwölf- bis dreizehntägigen Festes der Wintersonnenwende, dessen Feier ehemals vom 6. Dec. bis zum heiligen Dreikönigstag (6. Jan.) gedauert hat. Die häuslichen und öffentlichen Angelegenheiten sollen von dieser Zeit an geordnet und zum Abschluss gebracht werden, um die darauf folgenden Festtage in ungestörtem Gottesfrieden begehen zu können, denn das eine der drei [Spaltenumbruch] grossen Jahresfeste der Germanen naht – der Mittwinter. Deswegen schliessen sich nun die Gerichtshäuser, der sogenannte Rechtsstillstand beginnt. Deswegen kommt nun eine Reihe der Hausarbeiten zum Abschluss; der Brotvorrath wird fertig gebacken, weil das Korn ausgedroschen ist, das Mastschwein wird eingeschlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist; der Rocken wird abgesponnen. Das Kind fragt, wann denn der Sanct-Nikolaus komme. Die artigen Kinder vertröstet man auf den nächsten Schnee, der dann mit dem Freudenreim begrüsst wird: ›Es schneit, es schneit, ass's Fetze schneit, der Samichlaus (s. d.) is nimme weit.‹“ Die Illustrirte Zeitung (Nr. 1431, S. 386) sagt: „Die Aehnlichkeit des Namens des heiligen Nikolaus mit Nichus (angelsächsisch Nicor, niederdeutsch Nicker, Necker), der ältesten deutschen Benennung der Wassergeister oder Nixen, mag viel dazu beigetragen haben, den heiligen Bischof als Schutzheiligen der Schiffer in Deutschland einzubürgern und ihm z. B. am Binger Loch, wo sein Bild steht, früher Gelübde für glückliche Durchfahrt zu weihen, wie die Zeit seines Festes ihn mit der Vorstellung des Umzugs der alten Götter zur Wintersonnenwende in Verbindung gebracht hat. Da der Schimmel, auf dem der Heilige durch die Lüfte reitet, an Wuodan, und die ›Nikolasvarken‹, die man in den Niederlanden neben den Bildern der Heiligen bäckt, an Frô erinnern; so kann man daraus, wie aus dem Umstande, dass gerade in Süditalien, wo San-Nicolo von Bari so hoch verehrt wird, nichts von dergleichen Bräuchen und seinen Festen bekannt ist, darauf schliessen, dass das Nikolaifest in Deutschland germanischen Ursprungs ist. In der Schweiz, in Vorarlberg, in Tirol, in Kärnten, in einem grossen Theile des südlichen und westlichen Deutschland, im Elsass, Ostfriesland und in den Niederlanden ist das Nikolausfest der Tag geblieben, an welchem man die Kinder zu beschenken pflegt. Nach dem Glauben derselben reitet der Heilige in der Nacht vor seinem Feste auf einem Esel oder Schimmel über die Dörfer hinweg und wirft aus den mit Näschereien und Spielzeug gefüllten Körben, die er neben sich am Sattel befestigt hat, die Gaben durch den Schornstein herab. Deshalb setzen die Kinder bald Schuhe oder Strümpfe, bald Körbchen, Schüsseln oder Teller, in einigen Städten eigens für diesen Zweck gefertigte Schuhe aus Porzellan, in andern blos Heubündel, je nach Räumlichkeiten, ans Kamin, aufs Bett, in eine Ecke des Zimmers, oder vor die Stubenthür, um vom heiligen Klas beschenkt zu werden, der ihnen nach ihrem Betragen entweder Näschereien und Spielsachen oder eine Ruthe herabfallen lässt. Um den Heiligen milder zu stimmen, wird abends der Schuh oder die Schüssel mit Heu, Hafer und Mohrrüben gefüllt, damit sein Reitthier etwas Futter finde. In Westfalen setzen die Dienstboten noch jetzt der Herrschaft Schüsseln und Teller vor die Thüren, um sie den nächsten Morgen mit Aepfeln und Nüssen gefüllt zu finden. In den Niederlanden beten die Kinder schon wochenlang vorher tagtäglich vor dem Schlafengehen: ›Sinte-Nicolaas, nobele baas, werp iet in mijn schoentjen een appeltjen of een limoentjen.‹ Oder: ›Sinte-Niclaas myn goeije man, wilt ge me wel wat geven, dan dien ik u al myn leven; geeft ge me niet, dan dien ik u niet, dan zyt ge myn sinte Niklaasken niet.‹“ – Der heilige Nikolaus spielt aber auch bei andern Völkern eine Rolle. Die Belgier bedienen sich seiner bei ihren Schwüren und Flüchen: Bî Cloos herten! oder: bî sente Cleis! Die Franzosen betrachten ihn als Heirathsstifter; sie sagen: Saint-Nicolas marie les filles avec les gas; daher bitten ihn die jungen Mädchen der Normandie als ihren Schutzpatron, er möge sie ohne Zögern verheirathen: Patron des filles, saint Nicolas, mariez-nous, ne tardez pas. In einigen Gegenden Frankreichs verehren ihn auch die Kinder als Gabenbringer, indem sie singen: „Saint-Nicolas, bon homme donnez-nous des pommes, donnez-moi des macarins, saint Nicolas est mon cousin.“ – In vielen Nonnenklöstern Frankreichs und Italiens war es früher Sitte, dass an der Vigilie des Heiligen jede Kostgängerin einen seidenen Strumpf an die Thür des Zimmers der Aebtissin hing und einen Zettel hineinlegte, um sich dem „grossen Sanct- Nicolo ihrer Stube“ zu empfehlen, worauf sie den nächsten Morgen den Strumpf mit Leckereien und andern Kleinigkeiten gefüllt fand. Selbst an den Höfen einiger italienischer Fürsten bestand der Brauch (sogenannte Japata), heimlich Geschenke in den Schuhen und Pantoffeln der Personen, die man auszeichnen wollte, zu verstecken; und in Bologna herrscht noch jetzt die Gewohnheit, am Sanct-Nikolaustage zu Ehren des Heiligen ganz kleine runde Brötchen zu vertheilen, die man pantein d'san Nicola nennt. – In England, wo es ebenfalls Sitte war, dass die Mütter ihren Kindern am Sanct-Nikolastage Geschenke versteckten und am Morgen sagten, der Heilige habe sie ihnen gebracht, mussten die Kinder am Tage vorher fasten, wenn sie etwas bekommen wollten. In Welschtirol pflegen blos die Knaben am Abend vor Sanct-Nikolaus einen Schuh oder Strumpf an das Fenster zu legen und einen Teller mit Semmelbrötchen für den Esel des Heiligen hinauszustellen, während die Mädchen dasselbe am Abend von Sanct-Lucia (13. Dec.) thun. In Vlämisch-Belgien hatten früher sogar die Dienstboten das Recht, ihre Schuhe, die Mägde in die Stube der Frau, die Knechte in die des Herrn, an das Kamin zu stellen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0530" n="[516]"/>
        <cb n="1031"/>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Nikasiustag.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Auf Sanct-Nikasiustag läuft jede Maus, wohin sie mag.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Scherzhaft: Auf Nikasiustag iss Brot ohne Käs'.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Niklasbischof.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Ein Niklasbischof sein.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lessing (Berlin 1826), XIII, 235.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Wer das nicht ist, was er scheinen will. &#x201E;Unsere Bischoffe sein nichts denn Niclasbischoffe, wäre ein fein Spiel in die Fastnacht, ohne dass der göttliche Name unter dem Schein gelästert wird.&#x201C; &#x2013; &#x201E;Das rühmet man aus der Niclasbischoffe Gauckelsack.&#x201C; &#x2013; &#x201E;Die Niclasbischöffe mögen alle wohl triegen, unheilig und gottlose Leute sein.&#x201C; (<hi rendition="#i">Luther's Werke, II, 337; VII, 204 u. 326.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Nikodemisch.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Einen auf nikodemisch vertheidigen.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">&#x201E;Auff Nicodemisch vertheidiget er ihn.&#x201C; (<hi rendition="#i">Luther's Werke, II, 258<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi>)</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Nikolai.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Nikolai die Reichen, Katharina desgleichen, Petri die Stûren (Grossen, Ansehnlichen), Jakobi die Bûren, Michaelis der Glanz, hamburger Berg der Schwanz.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Schütze, II, 301.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Alter Reimspruch zur Charakterisirung der fünf Kirchspiele Hamburgs. Auch mit dem veränderten, <hi rendition="#i">Schütze</hi> sagt verballhornten, Schluss: Michaelis die Pracht, hamburger Berg, gute Nacht.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Nikolaiken.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">In Nikolaiken liegt ein Stinthengst an der Kette.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Frischbier<hi rendition="#sup">2</hi>, 2789.</hi></p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Nikolaus.</hi> </head><lb/>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">1 Niklas (6. Dec.) geht herum und macht die Kinder stumm.</hi> </p><lb/>
          <p rendition="#et">Findet seine Erklärung in der Sitte, dass am Vorabende des Nikolaustags eine als Nikolaus vermummte Person mit einem gewissen Gefolge herumgeht mit Gaben für die guten und mit Birkenreissern für die ungehorsamen Kinder. In Steinerkirchen unweit der Traun heisst es, der Teufel gehe an diesem Tage herum und suche Kinder zu stehlen. Früher buken die Bäcker an diesem Tage Brote von ungewöhnlicher Form, welche meist das Aussehen von Thiergestalten hatten. Dieser Brauch wies auf die Thieropfer hin, welche einst um diese Zeit den Göttern gebracht wurden, während die jetzt noch herumgehenden vermummten Gestalten sich aus der Umwandlung der Götter und Hausgeister in dämonische oder gar possenhafte Wesen erklären. (Vgl. darüber <hi rendition="#i">A. Baumgarten, Progr., 4.</hi>) Seine innige Verschmelzung mit dem altgermanischen Wodan hat es sinte Niclaas den nobelen baas (Sanct-Niklas, der edle Herr) allein zu danken, dass er sogar in den Niederlanden unter den heiligenfeindlichen Reformirten noch volle Geltung hat. Er ist der gütige Gabenspender, der seine Geschenke entweder überraschend in eine Zimmerecke legt oder gar durch den Schornstein herabwirft; und zu ihm beten die gläubigen Kinder: Sint-Niclas, Gods heilge man doe uwen besten tabbaerd aen en rydt er meê naer Spanje om appelen van oranje, om peeren van den boom (Sanct-Niklas, Gottes heiliger Mann, thu deinen besten Kittel an und reit darin nach Spanien, um Aepfel von Oranien [Orangen] um Birnen von dem Baum). (Vgl. <hi rendition="#i">Wodan als Jahresgott von M. Jähns, in den Grenzboten, Leipzig 1871, Nr. 5, S. 173.</hi>)</p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Sanct-Niclaus beschert die Kuh, gibt aber nicht das Seil (den Strick) dazu.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Lehmann, 38, 40; Blum, 47; Eiselein, 401; Siebenkees, 146; Orakel, 951; Simrock, 6052; Körte, 4571; Braun, I, 3051; Masson, 3; Sprichwörterschatz, 116.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Sanct Niklas hat uns wohl eingelegt.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Eiselein, 494.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">4 Sanct Niklas legt (beschert) nicht alle Tage ein.</hi> &#x2013; <hi rendition="#i">Parömiakon, 431.</hi></p><lb/>
          <p rendition="#et">Sein Beschertag ist eigentlich der 6. December, wo in einzelnen Gegenden Deutschlands, z. B. im Fuldaischen noch jetzt, und nicht zu Weihnacht beschert wird. Unter dem heiligen Niklas tritt der alte Wuodan auf. Die Priester haben bei Einführung des Christenthums heidnische Formen zur Verbreitung christlicher Lehren benutzt. Sehr vieles von dem, was man Christenthum nennt, ist heidnischer Inhalt unter christlichem Namen. (Vgl. <hi rendition="#i">Mühlhause, 45.</hi>) Sehr ausführlich behandelt <hi rendition="#i">E. L. Rochholz</hi> unter der Ueberschrift <hi rendition="#i">Weihnachten und Neujahr in der Schweiz</hi> den Sanct-Nikolausabend in den <hi rendition="#i">Grenzboten (Leipzig 1864, S. 375-89)</hi>: &#x201E;Der Sanct-Nikolausabend&#x201C;, heisst es, &#x201E;gilt uns als das Vorfest, mit welchem Weihnachten angekündigt wird, d. h. des zwölf- bis dreizehntägigen Festes der Wintersonnenwende, dessen Feier ehemals vom 6. Dec. bis zum heiligen Dreikönigstag (6. Jan.) gedauert hat. Die häuslichen und öffentlichen Angelegenheiten sollen von dieser Zeit an geordnet und zum Abschluss gebracht werden, um die darauf folgenden Festtage in ungestörtem Gottesfrieden begehen zu können, denn das eine der drei <cb n="1032"/>
grossen Jahresfeste der Germanen naht &#x2013; der Mittwinter. Deswegen schliessen sich nun die Gerichtshäuser, der sogenannte Rechtsstillstand beginnt. Deswegen kommt nun eine Reihe der Hausarbeiten zum Abschluss; der Brotvorrath wird fertig gebacken, weil das Korn ausgedroschen ist, das Mastschwein wird eingeschlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist; der Rocken wird abgesponnen. Das Kind fragt, wann denn der Sanct-Nikolaus komme. Die artigen Kinder vertröstet man auf den nächsten Schnee, der dann mit dem Freudenreim begrüsst wird: &#x203A;Es schneit, es schneit, ass's Fetze schneit, der  Samichlaus (s. d.) is nimme weit.&#x2039;&#x201C; Die <hi rendition="#i">Illustrirte Zeitung (Nr. 1431, S. 386)</hi> sagt: &#x201E;Die Aehnlichkeit des Namens des heiligen Nikolaus mit Nichus (angelsächsisch Nicor, niederdeutsch Nicker, Necker), der ältesten deutschen Benennung der Wassergeister oder Nixen, mag viel dazu beigetragen haben, den heiligen Bischof als Schutzheiligen der Schiffer in Deutschland einzubürgern und ihm z. B. am Binger Loch, wo sein Bild steht, früher Gelübde für glückliche Durchfahrt zu weihen, wie die Zeit seines Festes ihn mit der Vorstellung des Umzugs der alten Götter zur Wintersonnenwende in Verbindung gebracht hat. Da der Schimmel, auf dem der Heilige durch die Lüfte reitet, an Wuodan, und die &#x203A;Nikolasvarken&#x2039;, die man in den Niederlanden neben den Bildern der Heiligen bäckt, an Frô erinnern; so kann man daraus, wie aus dem Umstande, dass gerade in Süditalien, wo San-Nicolo von Bari so hoch verehrt wird, nichts von dergleichen Bräuchen und seinen Festen bekannt ist, darauf schliessen, dass das Nikolaifest in Deutschland germanischen Ursprungs ist. In der Schweiz, in Vorarlberg, in Tirol, in Kärnten, in einem grossen Theile des südlichen und westlichen Deutschland, im Elsass, Ostfriesland und in den Niederlanden ist das Nikolausfest der Tag geblieben, an welchem man die Kinder zu beschenken pflegt. Nach dem Glauben derselben reitet der Heilige in der Nacht vor seinem Feste auf einem Esel oder Schimmel über die Dörfer hinweg und wirft aus den mit Näschereien und Spielzeug gefüllten Körben, die er neben sich am Sattel befestigt hat, die Gaben durch den Schornstein herab. Deshalb setzen die Kinder bald Schuhe oder Strümpfe, bald Körbchen, Schüsseln oder Teller, in einigen Städten eigens für diesen Zweck gefertigte Schuhe aus Porzellan, in andern blos Heubündel, je nach Räumlichkeiten, ans Kamin, aufs Bett, in eine Ecke des Zimmers, oder vor die Stubenthür, um vom heiligen Klas beschenkt zu werden, der ihnen nach ihrem Betragen entweder Näschereien und Spielsachen oder eine Ruthe herabfallen lässt. Um den Heiligen milder zu stimmen, wird abends der Schuh oder die Schüssel mit Heu, Hafer und Mohrrüben gefüllt, damit sein Reitthier etwas Futter finde. In Westfalen setzen die Dienstboten noch jetzt der Herrschaft Schüsseln und Teller vor die Thüren, um sie den nächsten Morgen mit Aepfeln und Nüssen gefüllt zu finden. In den Niederlanden beten die Kinder schon wochenlang vorher tagtäglich vor dem Schlafengehen: &#x203A;Sinte-Nicolaas, nobele baas, werp iet in mijn schoentjen een appeltjen of een limoentjen.&#x2039; Oder: &#x203A;Sinte-Niclaas myn goeije man, wilt ge me wel wat geven, dan dien ik u al myn leven; geeft ge me niet, dan dien ik u niet, dan zyt ge myn sinte Niklaasken niet.&#x2039;&#x201C; &#x2013; Der heilige Nikolaus spielt aber auch bei andern Völkern eine Rolle. Die Belgier bedienen sich seiner bei ihren Schwüren und Flüchen: Bî Cloos herten! oder: bî sente Cleis! Die Franzosen betrachten ihn als Heirathsstifter; sie sagen: Saint-Nicolas marie les filles avec les gas; daher bitten ihn die jungen Mädchen der Normandie als ihren Schutzpatron, er möge sie ohne Zögern verheirathen: Patron des filles, saint Nicolas, mariez-nous, ne tardez pas. In einigen Gegenden Frankreichs verehren ihn auch die Kinder als Gabenbringer, indem sie singen: &#x201E;Saint-Nicolas, bon homme donnez-nous des pommes, donnez-moi des macarins, saint Nicolas est mon cousin.&#x201C; &#x2013; In vielen Nonnenklöstern Frankreichs und Italiens war es früher Sitte, dass an der Vigilie des Heiligen jede Kostgängerin einen seidenen Strumpf an die Thür des Zimmers der Aebtissin hing und einen Zettel hineinlegte, um sich dem &#x201E;grossen Sanct- Nicolo ihrer Stube&#x201C; zu empfehlen, worauf sie den nächsten Morgen den Strumpf mit Leckereien und andern Kleinigkeiten gefüllt fand. Selbst an den Höfen einiger italienischer Fürsten bestand der Brauch (sogenannte Japata), heimlich Geschenke in den Schuhen und Pantoffeln der Personen, die man auszeichnen wollte, zu verstecken; und in Bologna herrscht noch jetzt die Gewohnheit, am Sanct-Nikolaustage zu Ehren des Heiligen ganz kleine runde Brötchen zu vertheilen, die man pantein d'san Nicola nennt. &#x2013; In England, wo es ebenfalls Sitte war, dass die Mütter ihren Kindern am Sanct-Nikolastage Geschenke versteckten und am Morgen sagten, der Heilige habe sie ihnen gebracht, mussten die Kinder am Tage vorher fasten, wenn sie etwas bekommen wollten. In Welschtirol pflegen blos die Knaben am Abend vor Sanct-Nikolaus einen Schuh oder Strumpf an das Fenster zu legen und einen Teller mit Semmelbrötchen für den Esel des Heiligen hinauszustellen, während die Mädchen dasselbe am Abend von Sanct-Lucia (13. Dec.) thun. In Vlämisch-Belgien hatten früher sogar die Dienstboten das Recht, ihre Schuhe, die Mägde in die Stube der Frau, die Knechte in die des Herrn, an das Kamin zu stellen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[516]/0530] Nikasiustag. Auf Sanct-Nikasiustag läuft jede Maus, wohin sie mag. Scherzhaft: Auf Nikasiustag iss Brot ohne Käs'. Niklasbischof. * Ein Niklasbischof sein. – Lessing (Berlin 1826), XIII, 235. Wer das nicht ist, was er scheinen will. „Unsere Bischoffe sein nichts denn Niclasbischoffe, wäre ein fein Spiel in die Fastnacht, ohne dass der göttliche Name unter dem Schein gelästert wird.“ – „Das rühmet man aus der Niclasbischoffe Gauckelsack.“ – „Die Niclasbischöffe mögen alle wohl triegen, unheilig und gottlose Leute sein.“ (Luther's Werke, II, 337; VII, 204 u. 326.) Nikodemisch. * Einen auf nikodemisch vertheidigen. „Auff Nicodemisch vertheidiget er ihn.“ (Luther's Werke, II, 258a.) Nikolai. Nikolai die Reichen, Katharina desgleichen, Petri die Stûren (Grossen, Ansehnlichen), Jakobi die Bûren, Michaelis der Glanz, hamburger Berg der Schwanz. – Schütze, II, 301. Alter Reimspruch zur Charakterisirung der fünf Kirchspiele Hamburgs. Auch mit dem veränderten, Schütze sagt verballhornten, Schluss: Michaelis die Pracht, hamburger Berg, gute Nacht. Nikolaiken. In Nikolaiken liegt ein Stinthengst an der Kette. – Frischbier2, 2789. Nikolaus. 1 Niklas (6. Dec.) geht herum und macht die Kinder stumm. Findet seine Erklärung in der Sitte, dass am Vorabende des Nikolaustags eine als Nikolaus vermummte Person mit einem gewissen Gefolge herumgeht mit Gaben für die guten und mit Birkenreissern für die ungehorsamen Kinder. In Steinerkirchen unweit der Traun heisst es, der Teufel gehe an diesem Tage herum und suche Kinder zu stehlen. Früher buken die Bäcker an diesem Tage Brote von ungewöhnlicher Form, welche meist das Aussehen von Thiergestalten hatten. Dieser Brauch wies auf die Thieropfer hin, welche einst um diese Zeit den Göttern gebracht wurden, während die jetzt noch herumgehenden vermummten Gestalten sich aus der Umwandlung der Götter und Hausgeister in dämonische oder gar possenhafte Wesen erklären. (Vgl. darüber A. Baumgarten, Progr., 4.) Seine innige Verschmelzung mit dem altgermanischen Wodan hat es sinte Niclaas den nobelen baas (Sanct-Niklas, der edle Herr) allein zu danken, dass er sogar in den Niederlanden unter den heiligenfeindlichen Reformirten noch volle Geltung hat. Er ist der gütige Gabenspender, der seine Geschenke entweder überraschend in eine Zimmerecke legt oder gar durch den Schornstein herabwirft; und zu ihm beten die gläubigen Kinder: Sint-Niclas, Gods heilge man doe uwen besten tabbaerd aen en rydt er meê naer Spanje om appelen van oranje, om peeren van den boom (Sanct-Niklas, Gottes heiliger Mann, thu deinen besten Kittel an und reit darin nach Spanien, um Aepfel von Oranien [Orangen] um Birnen von dem Baum). (Vgl. Wodan als Jahresgott von M. Jähns, in den Grenzboten, Leipzig 1871, Nr. 5, S. 173.) 2 Sanct-Niclaus beschert die Kuh, gibt aber nicht das Seil (den Strick) dazu. – Lehmann, 38, 40; Blum, 47; Eiselein, 401; Siebenkees, 146; Orakel, 951; Simrock, 6052; Körte, 4571; Braun, I, 3051; Masson, 3; Sprichwörterschatz, 116. 3 Sanct Niklas hat uns wohl eingelegt. – Eiselein, 494. 4 Sanct Niklas legt (beschert) nicht alle Tage ein. – Parömiakon, 431. Sein Beschertag ist eigentlich der 6. December, wo in einzelnen Gegenden Deutschlands, z. B. im Fuldaischen noch jetzt, und nicht zu Weihnacht beschert wird. Unter dem heiligen Niklas tritt der alte Wuodan auf. Die Priester haben bei Einführung des Christenthums heidnische Formen zur Verbreitung christlicher Lehren benutzt. Sehr vieles von dem, was man Christenthum nennt, ist heidnischer Inhalt unter christlichem Namen. (Vgl. Mühlhause, 45.) Sehr ausführlich behandelt E. L. Rochholz unter der Ueberschrift Weihnachten und Neujahr in der Schweiz den Sanct-Nikolausabend in den Grenzboten (Leipzig 1864, S. 375-89): „Der Sanct-Nikolausabend“, heisst es, „gilt uns als das Vorfest, mit welchem Weihnachten angekündigt wird, d. h. des zwölf- bis dreizehntägigen Festes der Wintersonnenwende, dessen Feier ehemals vom 6. Dec. bis zum heiligen Dreikönigstag (6. Jan.) gedauert hat. Die häuslichen und öffentlichen Angelegenheiten sollen von dieser Zeit an geordnet und zum Abschluss gebracht werden, um die darauf folgenden Festtage in ungestörtem Gottesfrieden begehen zu können, denn das eine der drei grossen Jahresfeste der Germanen naht – der Mittwinter. Deswegen schliessen sich nun die Gerichtshäuser, der sogenannte Rechtsstillstand beginnt. Deswegen kommt nun eine Reihe der Hausarbeiten zum Abschluss; der Brotvorrath wird fertig gebacken, weil das Korn ausgedroschen ist, das Mastschwein wird eingeschlachtet, weil die Eicheln- und Eckernernte verfüttert ist; der Rocken wird abgesponnen. Das Kind fragt, wann denn der Sanct-Nikolaus komme. Die artigen Kinder vertröstet man auf den nächsten Schnee, der dann mit dem Freudenreim begrüsst wird: ›Es schneit, es schneit, ass's Fetze schneit, der Samichlaus (s. d.) is nimme weit.‹“ Die Illustrirte Zeitung (Nr. 1431, S. 386) sagt: „Die Aehnlichkeit des Namens des heiligen Nikolaus mit Nichus (angelsächsisch Nicor, niederdeutsch Nicker, Necker), der ältesten deutschen Benennung der Wassergeister oder Nixen, mag viel dazu beigetragen haben, den heiligen Bischof als Schutzheiligen der Schiffer in Deutschland einzubürgern und ihm z. B. am Binger Loch, wo sein Bild steht, früher Gelübde für glückliche Durchfahrt zu weihen, wie die Zeit seines Festes ihn mit der Vorstellung des Umzugs der alten Götter zur Wintersonnenwende in Verbindung gebracht hat. Da der Schimmel, auf dem der Heilige durch die Lüfte reitet, an Wuodan, und die ›Nikolasvarken‹, die man in den Niederlanden neben den Bildern der Heiligen bäckt, an Frô erinnern; so kann man daraus, wie aus dem Umstande, dass gerade in Süditalien, wo San-Nicolo von Bari so hoch verehrt wird, nichts von dergleichen Bräuchen und seinen Festen bekannt ist, darauf schliessen, dass das Nikolaifest in Deutschland germanischen Ursprungs ist. In der Schweiz, in Vorarlberg, in Tirol, in Kärnten, in einem grossen Theile des südlichen und westlichen Deutschland, im Elsass, Ostfriesland und in den Niederlanden ist das Nikolausfest der Tag geblieben, an welchem man die Kinder zu beschenken pflegt. Nach dem Glauben derselben reitet der Heilige in der Nacht vor seinem Feste auf einem Esel oder Schimmel über die Dörfer hinweg und wirft aus den mit Näschereien und Spielzeug gefüllten Körben, die er neben sich am Sattel befestigt hat, die Gaben durch den Schornstein herab. Deshalb setzen die Kinder bald Schuhe oder Strümpfe, bald Körbchen, Schüsseln oder Teller, in einigen Städten eigens für diesen Zweck gefertigte Schuhe aus Porzellan, in andern blos Heubündel, je nach Räumlichkeiten, ans Kamin, aufs Bett, in eine Ecke des Zimmers, oder vor die Stubenthür, um vom heiligen Klas beschenkt zu werden, der ihnen nach ihrem Betragen entweder Näschereien und Spielsachen oder eine Ruthe herabfallen lässt. Um den Heiligen milder zu stimmen, wird abends der Schuh oder die Schüssel mit Heu, Hafer und Mohrrüben gefüllt, damit sein Reitthier etwas Futter finde. In Westfalen setzen die Dienstboten noch jetzt der Herrschaft Schüsseln und Teller vor die Thüren, um sie den nächsten Morgen mit Aepfeln und Nüssen gefüllt zu finden. In den Niederlanden beten die Kinder schon wochenlang vorher tagtäglich vor dem Schlafengehen: ›Sinte-Nicolaas, nobele baas, werp iet in mijn schoentjen een appeltjen of een limoentjen.‹ Oder: ›Sinte-Niclaas myn goeije man, wilt ge me wel wat geven, dan dien ik u al myn leven; geeft ge me niet, dan dien ik u niet, dan zyt ge myn sinte Niklaasken niet.‹“ – Der heilige Nikolaus spielt aber auch bei andern Völkern eine Rolle. Die Belgier bedienen sich seiner bei ihren Schwüren und Flüchen: Bî Cloos herten! oder: bî sente Cleis! Die Franzosen betrachten ihn als Heirathsstifter; sie sagen: Saint-Nicolas marie les filles avec les gas; daher bitten ihn die jungen Mädchen der Normandie als ihren Schutzpatron, er möge sie ohne Zögern verheirathen: Patron des filles, saint Nicolas, mariez-nous, ne tardez pas. In einigen Gegenden Frankreichs verehren ihn auch die Kinder als Gabenbringer, indem sie singen: „Saint-Nicolas, bon homme donnez-nous des pommes, donnez-moi des macarins, saint Nicolas est mon cousin.“ – In vielen Nonnenklöstern Frankreichs und Italiens war es früher Sitte, dass an der Vigilie des Heiligen jede Kostgängerin einen seidenen Strumpf an die Thür des Zimmers der Aebtissin hing und einen Zettel hineinlegte, um sich dem „grossen Sanct- Nicolo ihrer Stube“ zu empfehlen, worauf sie den nächsten Morgen den Strumpf mit Leckereien und andern Kleinigkeiten gefüllt fand. Selbst an den Höfen einiger italienischer Fürsten bestand der Brauch (sogenannte Japata), heimlich Geschenke in den Schuhen und Pantoffeln der Personen, die man auszeichnen wollte, zu verstecken; und in Bologna herrscht noch jetzt die Gewohnheit, am Sanct-Nikolaustage zu Ehren des Heiligen ganz kleine runde Brötchen zu vertheilen, die man pantein d'san Nicola nennt. – In England, wo es ebenfalls Sitte war, dass die Mütter ihren Kindern am Sanct-Nikolastage Geschenke versteckten und am Morgen sagten, der Heilige habe sie ihnen gebracht, mussten die Kinder am Tage vorher fasten, wenn sie etwas bekommen wollten. In Welschtirol pflegen blos die Knaben am Abend vor Sanct-Nikolaus einen Schuh oder Strumpf an das Fenster zu legen und einen Teller mit Semmelbrötchen für den Esel des Heiligen hinauszustellen, während die Mädchen dasselbe am Abend von Sanct-Lucia (13. Dec.) thun. In Vlämisch-Belgien hatten früher sogar die Dienstboten das Recht, ihre Schuhe, die Mägde in die Stube der Frau, die Knechte in die des Herrn, an das Kamin zu stellen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-18T08:39:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-18T08:39:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein

Verzeichnisse im Vorspann wurden nicht transkribiert. Errata aus den Berichtigungen im Nachspann wurden stillschweigend integriert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/530
Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [516]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/530>, abgerufen am 22.12.2024.