Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch] (s. Lust 65), sie seien nur so lange ehrliche Handelsleute gewesen, als man ihnen scharf auf die Finger gesehen habe. Schlechtes Ellenmass, doppelter Preis und falsche Rechnung seien bei ihnen an der Tagesordnung. Die Ostfriesen aber hätten diese Kniffe erkannt; es habe nicht selten so ein spitzbübischer Handelsmann im Thurm (Ortsgefängniss) einige Wochen unfreiwillige Musse erhalten. Auch zum Hängen und Köpfen sei es schon gekommen. Als einst mehrere Felnks ('n hele Tucht) beisammen waren, erzählten sie sich von den Criminalerlebnissen in ihrem Geschäft, wobei sie in stufenweiser Herzählung bis zum Galgen gelangten. Da fiel es ihnen ein, einmal an sich selbst zu erproben, wie das Hängen wol schmecken möge; und sie kamen überein, Mann für Mann in geordneter Reihenfolge das Hängen zu versuchen. Man hatte einen Strick zur Hand und wählte den ersten Baum zum Querholz. Der erste Feling legte sich das Tau um den Hals; ehe er aber in die Höhe gezogen wurde, ward noch ausgemacht, sobald der Hängende einen pfeifenden Laut von sich gäbe (nach andern, einen Pfiff mit dem Munde thue), wolle man ihn losschneiden. Der erste Galgenbruder wurde nun aufgezogen und festgemacht. Der Strick schnürte sich gleich anfangs so fest um die Kehle, dass er nicht im Stande war, ein Zeichen mit dem Munde zu geben; er streckte im Sterben nur die Zunge aus dem Halse heraus. Die Untenstehenden aber, die glaubten dem Genossen geschähe noch lange kein Leides, freuten sich der Gesichter, welche der Probehängende schnitt und lachten aus vollem Halse dazu. Und obgleich sie endlich merken mochten, dass dem Zappelnden zu viel geschähe, beharrten sie doch bei der gemachten Verabredung und riefen: "Hier helpt kein Maulspitzen, der moet fleitet worden." Es erfolgte aber nach langem vergeblichen Harren kein Pfeifen; man bekam nur einen Erhängten vom Baume herab. Dies Probehängen soll bei Lübbersfehn geschehen sein, wo man den Baum zeigt, der als Galgen gedient hat. Man erzählt die Entstehung des obigen Sprichworts aber auch in folgender Weise: Die Felnks sind am Kornfelde beschäftigt; als sie das erste Fuder beladen haben, fehlt ihnen der Bindebaum (= Punterbom), der auf der obersten Schicht festgebunden wird, um beim Schwanken des Wagens das Wackeln und Herunterfallen des Getreides zu hindern. In Ermangelung eines geeignetern Gegenstandes wählten sie nun den längsten Mann unter sich aus, legten ihn kunstgerecht über das Korn hin, Kopf und Füsse desselben festschnürend. Um ihm aber keinen Schaden an seinem Leibe zu thun, schärften sie ihm ein, sobald als es mit dem Schnüren über's Mass gehe, müsse er pfeifen (= fleiten). Der arme Kerl fühlt den Strick immer enger und enger sich zuziehen, will gern pfeifen und kann schon nicht mehr, zieht aber die Lippen krampfhaft zusammen und rollt mit den Augen. "Süh", rufen die Untenstehenden, "wat kiddelt (kitzelt) em dat!" Dem menschlichen Bindebaum war aber durchaus nicht kitzlich zu Muthe; er macht verzweifelte Anstrengungen, einen Pfiff zu Stande zu bringen, aber erfolglos. Die Kameraden lachen und sagen: "Maulspitzen gelt nich, musst fleiten"; und als der Mann kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, meinen sie: "He is d'r all to wennt." (Ostfries. Jahrbuch, I, 50.) Lat.: Non verbis, at factis opus est. (Binder II, 2250; Faselius, 175; Wiegand, 1149.) Maulthier. Wer ein fehlerfreies Maulthier1 haben will, muss zu Fusse gehen. 1) Entstanden aus der Kreuzung von Eselhengst und Pferdestute. Maultrommel. *1 Die Maultrommel rühren. Holl.: Hij roert de mondtrommel. ( Harrebomee, II, 98b.) *2 Die Maultrommel zu spielen verstehen. - Parömiakon, 2884; Simplic., 1031. Von einem grossen Schwätzer. Im Simplic. (331) findet man auch Maulleder. *3 Er hat sich eine Maultrommel gekauft. (Meiningen.) Hat sich beim Kauf oder Handel übervortheilen lassen. Maulvoll. * Es ist ein ganzes Maulvoll. Holl.: Het is een heele bek vol. (Harrebomee, I, 44b.) Maulwerk. 1 Viel Maulwerk, wenig Herz. (S. Hand 56 u. 725.) - Gaal, 1764; Masson, 59. It.: Assai parole e poche lance rotte. (Gaal, 1764.) - Chi teme, brava. - Tal ha paura, ch'a minacciar ardisce. (Masson, 59.) *2 De är Maulwark möt aparti dod slagen werden. (S. Maul 324.) Der ihr Maul(Mund-)werk muss, wenn sie todt ist, noch besonders todtgeschlagen werden. *3 De hat 'n Maulwerk, dat'n Ratt'n un Müs daomit vergäwen kann. (Altmark.) - Danneil, 275. *4 De hat'n god Maulwerk. (Altmark.) - Danneil, 14. Sie versteht zu schwatzen, weiss sich zu vertheidigen, lässt niemand zu Worte kommen. Maulwerken. * Der kann maulwerken. (Rott-Thal.) Weiss zu reden, ist mundfertig. Maulwurf. 1 Der Maulwurf hat kleine Augen, aber er sieht zu seiner Arbeit. Die Russen: Gott hat des Maulwurfs Auge so eingerichtet, dass ihm die Erde nicht hinein fällt. (Altmann VI, 422.) 2 Der Maulwurf1 schleicht unter der Erde, aber wie er wühlt, sieht man oben. 1) Talpa Europaea. - Dafür sind mundartlich eine grosse Anzahl von Bezeichnungen (Mullworm, Mulworp, Mulle, Wöhler u. v. a.), die Dr. K. Schiller, in seiner Schrift: Zum Thier- und Kräuterbuch, I, 5 fg., sammt der entsprechenden reichen Literatur zusammengestellt hat. Der hochdeutsche Name des Thieres ist aus einem sprachlichen Misverständniss entstanden, wie denn die ältere Naturgeschichte desselben voller Irrthümer ist. Wegen seiner kleinen verborgen liegenden Augen hielt man ihn für blind; und aus seinen Wühlereien schloss man, dass er die Wurzeln der Bäume und Pflanzen fresse, was aber die Naturforscher der neuem Zeit durch seinen eigenen Magen widerlegt haben. Was seine hochdeutsche Benennung betrifft, so sagt Förstemann (Zeitschrift f. vergl. Sprk., I, 4): "Das althochdeutsche molta, Staub, mittelhochdeutsch molte, ging unter und haftete in der Schriftsprache zuletzt nur noch in dem Namen eines Thiers, welches althochdeutsch multwarf, d. i. Erdwerfer, mittelhochdeutsch moltwerf und moltwurf heisst. Als nun der erste Theil dieses Wortes nicht mehr verstanden wurde, wandelte man ihn zu Maul, und so entstand Maulwurf. Einige Mundarten, sowol ältere als neuere, haben auch den letzten Theil des Wortes verdreht, und daher begegnen wir öfters Formen wie Mullworm u. a., wodurch das Thier blos der Etymologie zu Liebe in die Reihe der Würmer degradirt wird." Wie Dr. Schiller a. a. O. bemerkt, kommt das Wort Mull in Mecklenburg in Zusammensetzungen wie: Mullwagen, Mullkasten, Torfmull vor. In Schlesien hat man für staubartige Massen das Wort "Gemülle". Böhm.: Ac krtek pod zemi chodi, predce se ukryti nemuze. (Celakovsky, 250.) 3 Ein Maulwurf unterwühlt ein ganzes Feld. Sogar einen grossen Wall, wie die Chinesen sagen. (Reinsberg III, 125.) 4 Einen Maulwurf verfolgt der Adler nicht. Dän.: Örnen skal ei gierne efter muldvarpe flyve. (Prov. dan., 445.) 5 Maulwurf wühlt viel, verdirbt viel, meint's aber nicht böse. - Körte, 4170. 6 Maulwürfe und Heuchler arbeiten im Finstern. Beide kommen aber früher oder später mit ihrem finstern Treiben ans Licht. 7 Maulwürfe und Mönche suchen ihre Käfer nicht in Bäumen, sondern in finstern Gängen. - Klosterspiegel, 79, 5. 8 Maulwürff graben künstlich vnderm Boden, wenn sie ans Liecht kommen, so sindt sie blind. - Lehmann, 886, 75. "Also sind die Leut geschwindt auff alle listige vörthel vnnd Practicken, in der Hausshaltung vnd im Regiment alss in jhrer gruben vnnd Finsternussen; an der Sonne der warhafften weissheit sind sie blindt, vnnd suchen nur wieder in Boden in jhr Finsternus nach jhrem nutzen zu graben." 9 Was der Maulwurf nicht sieht, das riecht er. 10 Was nützt dem Maulwurf Sonnenlicht. 11 Was weiss der Maulwurf von der Sternenkunde! 12 Wen der Maulworff sein Loch grabt tieff, so der Frosch vmb Regen rief. - Alter Kalender aus dem 17. Jahrhundert. 13 Wenn der Maulwurf wirft im Januar, so dauert der Winter bis Mai sogar. - Bair. Hauskalender. 14 Wenn der Maulwurff todt ist, so sihet er eben so glutz aus, als wenn er lebt. - Petri, III, 13. Beruht auf der früheren irrigen Ansicht, dass der Maulwurf blind sei. *15 Den Maulwurf zum Gärtner machen. - Altmann VI, 524; Reinsberg II, 66. *16 Der alte Maulwurf wühlt fort. Die Ränke und geheimen Feindseligkeiten haben nicht aufgehört. Maulwurfshaufen. 1 Maulwurfshaufen, im März zerstreut, lohnen sich wohl zur Erntezeit. (Mecklenburg.) - Frommann, 551. Holl.: Molshoopen in Maart gespreid, beloont zich in den hooitijd. (Harrebomee, II, 94b.)
[Spaltenumbruch] (s. Lust 65), sie seien nur so lange ehrliche Handelsleute gewesen, als man ihnen scharf auf die Finger gesehen habe. Schlechtes Ellenmass, doppelter Preis und falsche Rechnung seien bei ihnen an der Tagesordnung. Die Ostfriesen aber hätten diese Kniffe erkannt; es habe nicht selten so ein spitzbübischer Handelsmann im Thurm (Ortsgefängniss) einige Wochen unfreiwillige Musse erhalten. Auch zum Hängen und Köpfen sei es schon gekommen. Als einst mehrere Felnks ('n hêle Tucht) beisammen waren, erzählten sie sich von den Criminalerlebnissen in ihrem Geschäft, wobei sie in stufenweiser Herzählung bis zum Galgen gelangten. Da fiel es ihnen ein, einmal an sich selbst zu erproben, wie das Hängen wol schmecken möge; und sie kamen überein, Mann für Mann in geordneter Reihenfolge das Hängen zu versuchen. Man hatte einen Strick zur Hand und wählte den ersten Baum zum Querholz. Der erste Feling legte sich das Tau um den Hals; ehe er aber in die Höhe gezogen wurde, ward noch ausgemacht, sobald der Hängende einen pfeifenden Laut von sich gäbe (nach andern, einen Pfiff mit dem Munde thue), wolle man ihn losschneiden. Der erste Galgenbruder wurde nun aufgezogen und festgemacht. Der Strick schnürte sich gleich anfangs so fest um die Kehle, dass er nicht im Stande war, ein Zeichen mit dem Munde zu geben; er streckte im Sterben nur die Zunge aus dem Halse heraus. Die Untenstehenden aber, die glaubten dem Genossen geschähe noch lange kein Leides, freuten sich der Gesichter, welche der Probehängende schnitt und lachten aus vollem Halse dazu. Und obgleich sie endlich merken mochten, dass dem Zappelnden zu viel geschähe, beharrten sie doch bei der gemachten Verabredung und riefen: „Hier helpt kîn Mûlspitzen, der moet fleitet worden.“ Es erfolgte aber nach langem vergeblichen Harren kein Pfeifen; man bekam nur einen Erhängten vom Baume herab. Dies Probehängen soll bei Lübbersfehn geschehen sein, wo man den Baum zeigt, der als Galgen gedient hat. Man erzählt die Entstehung des obigen Sprichworts aber auch in folgender Weise: Die Felnks sind am Kornfelde beschäftigt; als sie das erste Fuder beladen haben, fehlt ihnen der Bindebaum (= Punterbôm), der auf der obersten Schicht festgebunden wird, um beim Schwanken des Wagens das Wackeln und Herunterfallen des Getreides zu hindern. In Ermangelung eines geeignetern Gegenstandes wählten sie nun den längsten Mann unter sich aus, legten ihn kunstgerecht über das Korn hin, Kopf und Füsse desselben festschnürend. Um ihm aber keinen Schaden an seinem Leibe zu thun, schärften sie ihm ein, sobald als es mit dem Schnüren über's Mass gehe, müsse er pfeifen (= fleiten). Der arme Kerl fühlt den Strick immer enger und enger sich zuziehen, will gern pfeifen und kann schon nicht mehr, zieht aber die Lippen krampfhaft zusammen und rollt mit den Augen. „Süh“, rufen die Untenstehenden, „wat kiddelt (kitzelt) em dat!“ Dem menschlichen Bindebaum war aber durchaus nicht kitzlich zu Muthe; er macht verzweifelte Anstrengungen, einen Pfiff zu Stande zu bringen, aber erfolglos. Die Kameraden lachen und sagen: „Mûlspitzen gelt nich, musst fleiten“; und als der Mann kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, meinen sie: „He is d'r all to wennt.“ (Ostfries. Jahrbuch, I, 50.) Lat.: Non verbis, at factis opus est. (Binder II, 2250; Faselius, 175; Wiegand, 1149.) Maulthier. Wer ein fehlerfreies Maulthier1 haben will, muss zu Fusse gehen. 1) Entstanden aus der Kreuzung von Eselhengst und Pferdestute. Maultrommel. *1 Die Maultrommel rühren. Holl.: Hij roert de mondtrommel. ( Harrebomée, II, 98b.) *2 Die Maultrommel zu spielen verstehen. – Parömiakon, 2884; Simplic., 1031. Von einem grossen Schwätzer. Im Simplic. (331) findet man auch Maulleder. *3 Er hat sich eine Maultrommel gekauft. (Meiningen.) Hat sich beim Kauf oder Handel übervortheilen lassen. Maulvoll. * Es ist ein ganzes Maulvoll. Holl.: Het is een heele bek vol. (Harrebomée, I, 44b.) Maulwerk. 1 Viel Maulwerk, wenig Herz. (S. Hand 56 u. 725.) – Gaal, 1764; Masson, 59. It.: Assai parole e poche lance rotte. (Gaal, 1764.) – Chi teme, brava. – Tal ha paura, ch'a minacciar ardisce. (Masson, 59.) *2 De är Mûlwârk möt aparti dôd slâgen werden. (S. Maul 324.) Der ihr Maul(Mund-)werk muss, wenn sie todt ist, noch besonders todtgeschlagen werden. *3 De hat 'n Mûlwerk, dat'n Ratt'n un Müs daomit vergäwen kann. (Altmark.) – Danneil, 275. *4 De hat'n gôd Mûlwerk. (Altmark.) – Danneil, 14. Sie versteht zu schwatzen, weiss sich zu vertheidigen, lässt niemand zu Worte kommen. Maulwerken. * Der kann maulwerken. (Rott-Thal.) Weiss zu reden, ist mundfertig. Maulwurf. 1 Der Maulwurf hat kleine Augen, aber er sieht zu seiner Arbeit. Die Russen: Gott hat des Maulwurfs Auge so eingerichtet, dass ihm die Erde nicht hinein fällt. (Altmann VI, 422.) 2 Der Maulwurf1 schleicht unter der Erde, aber wie er wühlt, sieht man oben. 1) Talpa Europaea. – Dafür sind mundartlich eine grosse Anzahl von Bezeichnungen (Mullworm, Mulworp, Mulle, Wöhler u. v. a.), die Dr. K. Schiller, in seiner Schrift: Zum Thier- und Kräuterbuch, I, 5 fg., sammt der entsprechenden reichen Literatur zusammengestellt hat. Der hochdeutsche Name des Thieres ist aus einem sprachlichen Misverständniss entstanden, wie denn die ältere Naturgeschichte desselben voller Irrthümer ist. Wegen seiner kleinen verborgen liegenden Augen hielt man ihn für blind; und aus seinen Wühlereien schloss man, dass er die Wurzeln der Bäume und Pflanzen fresse, was aber die Naturforscher der neuem Zeit durch seinen eigenen Magen widerlegt haben. 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(Čelakovsky, 250.) 3 Ein Maulwurf unterwühlt ein ganzes Feld. Sogar einen grossen Wall, wie die Chinesen sagen. (Reinsberg III, 125.) 4 Einen Maulwurf verfolgt der Adler nicht. Dän.: Örnen skal ei gierne efter muldvarpe flyve. (Prov. dan., 445.) 5 Maulwurf wühlt viel, verdirbt viel, meint's aber nicht böse. – Körte, 4170. 6 Maulwürfe und Heuchler arbeiten im Finstern. 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Man hatte einen Strick zur Hand und wählte den ersten Baum zum Querholz. Der erste Feling legte sich das Tau um den Hals; ehe er aber in die Höhe gezogen wurde, ward noch ausgemacht, sobald der Hängende einen pfeifenden Laut von sich gäbe (nach andern, einen Pfiff mit dem Munde thue), wolle man ihn losschneiden. Der erste Galgenbruder wurde nun aufgezogen und festgemacht. Der Strick schnürte sich gleich anfangs so fest um die Kehle, dass er nicht im Stande war, ein Zeichen mit dem Munde zu geben; er streckte im Sterben nur die Zunge aus dem Halse heraus. Die Untenstehenden aber, die glaubten dem Genossen geschähe noch lange kein Leides, freuten sich der Gesichter, welche der Probehängende schnitt und lachten aus vollem Halse dazu. Und obgleich sie endlich merken mochten, dass dem Zappelnden zu viel geschähe, beharrten sie doch bei der gemachten Verabredung und riefen: „Hier helpt kîn Mûlspitzen, der moet fleitet worden.“ Es erfolgte aber nach langem vergeblichen Harren kein Pfeifen; man bekam nur einen Erhängten vom Baume herab. Dies Probehängen soll bei Lübbersfehn geschehen sein, wo man den Baum zeigt, der als Galgen gedient hat. Man erzählt die Entstehung des obigen Sprichworts aber auch in folgender Weise: Die Felnks sind am Kornfelde beschäftigt; als sie das erste Fuder beladen haben, fehlt ihnen der Bindebaum (= Punterbôm), der auf der obersten Schicht festgebunden wird, um beim Schwanken des Wagens das Wackeln und Herunterfallen des Getreides zu hindern. In Ermangelung eines geeignetern Gegenstandes wählten sie nun den längsten Mann unter sich aus, legten ihn kunstgerecht über das Korn hin, Kopf und Füsse desselben festschnürend. 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(s. Lust 65), sie seien nur so lange ehrliche Handelsleute gewesen, als man ihnen scharf auf die Finger gesehen habe. Schlechtes Ellenmass, doppelter Preis und falsche Rechnung seien bei ihnen an der Tagesordnung. Die Ostfriesen aber hätten diese Kniffe erkannt; es habe nicht selten so ein spitzbübischer Handelsmann im Thurm (Ortsgefängniss) einige Wochen unfreiwillige Musse erhalten. Auch zum Hängen und Köpfen sei es schon gekommen. Als einst mehrere Felnks ('n hêle Tucht) beisammen waren, erzählten sie sich von den Criminalerlebnissen in ihrem Geschäft, wobei sie in stufenweiser Herzählung bis zum Galgen gelangten. Da fiel es ihnen ein, einmal an sich selbst zu erproben, wie das Hängen wol schmecken möge; und sie kamen überein, Mann für Mann in geordneter Reihenfolge das Hängen zu versuchen. Man hatte einen Strick zur Hand und wählte den ersten Baum zum Querholz. Der erste Feling legte sich das Tau um den Hals; ehe er aber in die Höhe gezogen wurde, ward noch ausgemacht, sobald der Hängende einen pfeifenden Laut von sich gäbe (nach andern, einen Pfiff mit dem Munde thue), wolle man ihn losschneiden. Der erste Galgenbruder wurde nun aufgezogen und festgemacht. Der Strick schnürte sich gleich anfangs so fest um die Kehle, dass er nicht im Stande war, ein Zeichen mit dem Munde zu geben; er streckte im Sterben nur die Zunge aus dem Halse heraus. Die Untenstehenden aber, die glaubten dem Genossen geschähe noch lange kein Leides, freuten sich der Gesichter, welche der Probehängende schnitt und lachten aus vollem Halse dazu. Und obgleich sie endlich merken mochten, dass dem Zappelnden zu viel geschähe, beharrten sie doch bei der gemachten Verabredung und riefen: „Hier helpt kîn Mûlspitzen, der moet fleitet worden.“ Es erfolgte aber nach langem vergeblichen Harren kein Pfeifen; man bekam nur einen Erhängten vom Baume herab. Dies Probehängen soll bei Lübbersfehn geschehen sein, wo man den Baum zeigt, der als Galgen gedient hat. Man erzählt die Entstehung des obigen Sprichworts aber auch in folgender Weise: Die Felnks sind am Kornfelde beschäftigt; als sie das erste Fuder beladen haben, fehlt ihnen der Bindebaum (= Punterbôm), der auf der obersten Schicht festgebunden wird, um beim Schwanken des Wagens das Wackeln und Herunterfallen des Getreides zu hindern. In Ermangelung eines geeignetern Gegenstandes wählten sie nun den längsten Mann unter sich aus, legten ihn kunstgerecht über das Korn hin, Kopf und Füsse desselben festschnürend. Um ihm aber keinen Schaden an seinem Leibe zu thun, schärften sie ihm ein, sobald als es mit dem Schnüren über's Mass gehe, müsse er pfeifen (= fleiten). Der arme Kerl fühlt den Strick immer enger und enger sich zuziehen, will gern pfeifen und kann schon nicht mehr, zieht aber die Lippen krampfhaft zusammen und rollt mit den Augen. „Süh“, rufen die Untenstehenden, „wat kiddelt (kitzelt) em dat!“ Dem menschlichen Bindebaum war aber durchaus nicht kitzlich zu Muthe; er macht verzweifelte Anstrengungen, einen Pfiff zu Stande zu bringen, aber erfolglos. Die Kameraden lachen und sagen: „Mûlspitzen gelt nich, musst fleiten“; und als der Mann kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, meinen sie: „He is d'r all to wennt.“ (Ostfries. Jahrbuch, I, 50.)
Lat.: Non verbis, at factis opus est. (Binder II, 2250; Faselius, 175; Wiegand, 1149.)
Maulthier.
Wer ein fehlerfreies Maulthier1 haben will, muss zu Fusse gehen.
1) Entstanden aus der Kreuzung von Eselhengst und Pferdestute.
Maultrommel.
*1 Die Maultrommel rühren.
Holl.: Hij roert de mondtrommel. ( Harrebomée, II, 98b.)
*2 Die Maultrommel zu spielen verstehen. – Parömiakon, 2884; Simplic., 1031.
Von einem grossen Schwätzer. Im Simplic. (331) findet man auch Maulleder.
*3 Er hat sich eine Maultrommel gekauft. (Meiningen.)
Hat sich beim Kauf oder Handel übervortheilen lassen.
Maulvoll.
* Es ist ein ganzes Maulvoll.
Holl.: Het is een heele bek vol. (Harrebomée, I, 44b.)
Maulwerk.
1 Viel Maulwerk, wenig Herz. (S. Hand 56 u. 725.) – Gaal, 1764; Masson, 59.
It.: Assai parole e poche lance rotte. (Gaal, 1764.) – Chi teme, brava. – Tal ha paura, ch'a minacciar ardisce. (Masson, 59.)
*2 De är Mûlwârk möt aparti dôd slâgen werden. (S. Maul 324.)
Der ihr Maul(Mund-)werk muss, wenn sie todt ist, noch besonders todtgeschlagen werden.
*3 De hat 'n Mûlwerk, dat'n Ratt'n un Müs daomit vergäwen kann. (Altmark.) – Danneil, 275.
*4 De hat'n gôd Mûlwerk. (Altmark.) – Danneil, 14.
Sie versteht zu schwatzen, weiss sich zu vertheidigen, lässt niemand zu Worte kommen.
Maulwerken.
* Der kann maulwerken. (Rott-Thal.)
Weiss zu reden, ist mundfertig.
Maulwurf.
1 Der Maulwurf hat kleine Augen, aber er sieht zu seiner Arbeit.
Die Russen: Gott hat des Maulwurfs Auge so eingerichtet, dass ihm die Erde nicht hinein fällt. (Altmann VI, 422.)
2 Der Maulwurf1 schleicht unter der Erde, aber wie er wühlt, sieht man oben.
1) Talpa Europaea. – Dafür sind mundartlich eine grosse Anzahl von Bezeichnungen (Mullworm, Mulworp, Mulle, Wöhler u. v. a.), die Dr. K. Schiller, in seiner Schrift: Zum Thier- und Kräuterbuch, I, 5 fg., sammt der entsprechenden reichen Literatur zusammengestellt hat. Der hochdeutsche Name des Thieres ist aus einem sprachlichen Misverständniss entstanden, wie denn die ältere Naturgeschichte desselben voller Irrthümer ist. Wegen seiner kleinen verborgen liegenden Augen hielt man ihn für blind; und aus seinen Wühlereien schloss man, dass er die Wurzeln der Bäume und Pflanzen fresse, was aber die Naturforscher der neuem Zeit durch seinen eigenen Magen widerlegt haben. Was seine hochdeutsche Benennung betrifft, so sagt Förstemann (Zeitschrift f. vergl. Sprk., I, 4): „Das althochdeutsche molta, Staub, mittelhochdeutsch molte, ging unter und haftete in der Schriftsprache zuletzt nur noch in dem Namen eines Thiers, welches althochdeutsch multwarf, d. i. Erdwerfer, mittelhochdeutsch moltwerf und moltwurf heisst. Als nun der erste Theil dieses Wortes nicht mehr verstanden wurde, wandelte man ihn zu Maul, und so entstand Maulwurf. Einige Mundarten, sowol ältere als neuere, haben auch den letzten Theil des Wortes verdreht, und daher begegnen wir öfters Formen wie Mullworm u. a., wodurch das Thier blos der Etymologie zu Liebe in die Reihe der Würmer degradirt wird.“ Wie Dr. Schiller a. a. O. bemerkt, kommt das Wort Mull in Mecklenburg in Zusammensetzungen wie: Mullwagen, Mullkasten, Torfmull vor. In Schlesien hat man für staubartige Massen das Wort „Gemülle“.
Böhm.: Ač krtek pod zemí chodí, předce se ukryti nemůze. (Čelakovsky, 250.)
3 Ein Maulwurf unterwühlt ein ganzes Feld.
Sogar einen grossen Wall, wie die Chinesen sagen. (Reinsberg III, 125.)
4 Einen Maulwurf verfolgt der Adler nicht.
Dän.: Örnen skal ei gierne efter muldvarpe flyve. (Prov. dan., 445.)
5 Maulwurf wühlt viel, verdirbt viel, meint's aber nicht böse. – Körte, 4170.
6 Maulwürfe und Heuchler arbeiten im Finstern.
Beide kommen aber früher oder später mit ihrem finstern Treiben ans Licht.
7 Maulwürfe und Mönche suchen ihre Käfer nicht in Bäumen, sondern in finstern Gängen. – Klosterspiegel, 79, 5.
8 Maulwürff graben künstlich vnderm Boden, wenn sie ans Liecht kommen, so sindt sie blind. – Lehmann, 886, 75.
„Also sind die Leut geschwindt auff alle listige vörthel vnnd Practicken, in der Hausshaltung vnd im Regiment alss in jhrer gruben vnnd Finsternussen; an der Sonne der warhafften weissheit sind sie blindt, vnnd suchen nur wieder in Boden in jhr Finsternus nach jhrem nutzen zu graben.“
9 Was der Maulwurf nicht sieht, das riecht er.
10 Was nützt dem Maulwurf Sonnenlicht.
11 Was weiss der Maulwurf von der Sternenkunde!
12 Wen der Maulworff sein Loch grabt tieff, so der Frosch vmb Regen rief. – Alter Kalender aus dem 17. Jahrhundert.
13 Wenn der Maulwurf wirft im Januar, so dauert der Winter bis Mai sogar. – Bair. Hauskalender.
14 Wenn der Maulwurff todt ist, so sihet er eben so glutz aus, als wenn er lebt. – Petri, III, 13.
Beruht auf der früheren irrigen Ansicht, dass der Maulwurf blind sei.
*15 Den Maulwurf zum Gärtner machen. – Altmann VI, 524; Reinsberg II, 66.
*16 Der alte Maulwurf wühlt fort.
Die Ränke und geheimen Feindseligkeiten haben nicht aufgehört.
Maulwurfshaufen.
1 Maulwurfshaufen, im März zerstreut, lohnen sich wohl zur Erntezeit. (Mecklenburg.) – Frommann, 551.
Holl.: Molshoopen in Maart gespreid, beloont zich in den hooitijd. (Harrebomée, II, 94b.)
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