Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870.[Spaltenumbruch] 92 Was nicht von einer Jungfrau geboren und vom heiligen Geist empfangen ist, das schmeckt alles nach Adam und Eva und träumt den Leuten davon. 93 Wem ein fromb jungfraw zur eh wird geben, kein süssigkeit mag gleichen dem leben. Lat.: Dulcius est melle, iungi cum lege puellae. (Loci comm., 28.) 94 Wenn die Jungfrau sich nicht selbst nimmt in Acht, so ist umsonst alle Hut und Wacht. Eine Tugend, die bewacht werden muss, ist der Wächter nicht werth. 95 Wenn die Jungfrau versprochen ist, dann finden sich Freier genug. Böhm.: Zasnoubenou pannu kazdy by rad mel za zenu. (Celakovsky, 147.) Poln.: Poslubiona panne kazdy chce miec za zone. (Celakovsky, 147.) 96 Wenn ein Jungfraw Wein trinckt vnd den Gesellen mit Augen winckt, vnd scharrt mit Füssen auff der Erden, so ist sie ein Hur oder wils bald werden. - Petri, II, 657. 97 Wenn Jungfrauen und alte Weiber gebären, so gibt ein Rechenstiel Feuer. Frz.: Vierge enfanter chose impossible par nature. (Leroux, I, 186.) 98 Wenn Jungfrawen viel spatzieren gahn, das ist nicht fein vnd wohlgethan. - Petri, II, 274. 99 Wenn Jungfrawen zum Tantz gehen, sollen sie das Klapperbein daheim lassen. - Petri, II, 660. 100 Wer darff (mag) eine Jungfrau schwechen, der darff (mag) auch wol ein Kirch' (ein Kastell) erbrechen. - Petri, II, 688; Latendorf II, 31; Körte, 3231. 101 Wer ein fromb jungfraw nimbt zur eh, was kurtzweil solt der wünschen meh? Lat.: Optimus est ludus, qui fit cum uirgine nudua. (Loci comm., 28.) 102 Wer ein iunckfrawen schendet, der stirbt keines guten todes. - Agricola I, 664; Egenolff, 254b; Petri, II, 704; Gruter, I, 79; Lehmann, 412, 26; Schottel, 1138b; Pistor., X, 15; Eiselein, 353; Graf, 351, 396; Simrock, 5319. Die Verführung einer Jungfrau war indess nicht stets unsühnbar; der Mann konnte ihr Genugthuung leisten, wenn er die Geschwächte zur Kirche führte und sie dadurch wieder zu Ehren brachte. 103 Wer eine Jungfrau nicht mehr lieben will, muss sie heirathen. - Winckler, IV, 67. Holl.: Wilt gij eene jufvrouw niet meer beminnen, trouw ze, zei de filozoof. (Harrebomee, I, 368a.) 104 Wer eine Jungfraw will erkennen, der muss (gute, scharfe) Luchsaugen haben. - Lehmann, 412, 20. Die Russen: Der Jungfern Unschuld ist meist so klein, dass man sie nicht sehen kann. (Altmann VI, 476.) Dän.: Han maae have los-yene, som kand kiende en jomfru. (Prov. dan., 326.) Lat.: Est magnum crimen perrumpere virginis hymen. - Monacha qui potitur, virga tendente moritur. (Eiselein, 353.) 105 Wer Jungfrawen trawt vnd sein Bett verkaufft, muss auff dem Stro ligen. - Gruter, III, 107; Lehmann, II, 873, 195. 106 Wer Jungkfrawen, Frawen vnd Priester schend, dem ist beschert ein böses End. - Henisch, 885, 43; Petri, II, 726. 107 Wer Jungfrawen zu fall bringt, nimmer es jhm wol gelingt. Lat.: Est magnum crimen, corrumpere urginis hymen. (Loci comm., 203.) 108 Wir solten wol Jungfrawen sein, sagte jhenes Nönnlein, wenn wirs weren. - Franck. II, 116a; Hoefer, 794. *109 Der Jungfrau ein Kind heben. "Ich will gehen und der Jungfrau ein Kind heben", sagte Luther als Mönch, wenn er eine Messe halten wollte. (Luther's Tischr., 159a.) *110 Eine Jungfrau schwächen. - Eiselein, 561. Eiselein bemerkt: "Eine Jungfrau schwächen (für stuprare) scheint von der Wahrheit oder dem Aberglauben herzukommen, dass eine Jungfrau, bevor sie ihre Keuschheit verloren hat, viel stärker ist als nachher, wie z. B. Brunhild im Nibelungenliede vor dem Beischlaf, den sie nicht dulden wollte, so stark war, dass sie ihren Gemahl, den König Günther, mit einem Gürtel an Händen und füssen band, so an einen Nagel [Spaltenumbruch] hängte und die Brautnacht über dort zappeln liess. Als aber Sivrit mit seiner Tarnkappe in folgender Nacht unsichtbar dem König verholfen hatte, Brunhild zu bezwingen und ihr die Blume zu nehmen, da ward sie so schwach als jedes andere Weib." *111 Eine Jungfrau, so ein Eisen abgeworfen. - Eiselein, 353; Wurzbach II, 215. Die schon ein Kind gehabt. Die Römer scheinen Jungfrauen dieser Art nicht oder nur als Widersprüche gekannt zu haben, denn die Redensart: Virginem parere (Bovill, I, 22,), findet sich nicht selten in Gesellschaft von Mulas parere. *112 Einer Jungfrau in den Schild reiten. (Logau.) - Weinhold, 82. Ihr eine Grobheit, eine Ungezogenheit sagen. *113 Einer Jungfrau Salz und Pfeffer in den Weg werfen. - Eiselein, 427. Ihr durch eine Liebschaft die Lust am Spinnen (an der Arbeit) verderben. *114 Er ist in die elftausend Jungfrauen verliebt. So viel als in jedes Mädchen. Man hat auf verschiedene Weise die elftausend Jungfrauen, die im katholischen Kirchenkalender mit der heiligen Ursula auf den 21. October fallen, zu erklären versucht. Die Legende erzählt, dass unter der Regierung des Kaisers Gratian Flavius Clemens Maximus, der Befehlshaber der römischen Legionen in Grossbritannien, von den aufrührerischen Soldaten zum Kaiser ausgerufen. Er bemächtigte sich der Herrschaft, legte in Gallien Militärcolonien an, denen es aber an Frauen fehlte, die geschafft werden sollten. Regulus, der Befehlshaber der Colonien, schickte nach Grossbritannien und liess um so viel Jungfrauen bitten, als für seine Mannschaften erforderlich wären. Die Britannier schafften deren soviel als möglich herbei, die vornehmste war Ursula, eine Königstochter. Die Einschiffung ging aber gewaltsam vor sich. Die Schiffe kamen jedoch nicht an die französische, sie wurden an die germanische Küste verschlagen, an der eben Hunnenhorden hausten, denen die Jungfrauen eine willkommene Beute waren. Diese waren aber alle elftausend ohne Ausnahme so tugendhaft, dass sie sich, von Ursula aufgemuntert, lieber ermorden liessen, als ihre Jungfräulichkeit opferten, obgleich nicht wahrscheinlich ist, dass bei der Auswahl in Britannien für den vorliegenden Zweck gerade darauf wird Rücksicht genommen worden sein. Nach der Legende, wie sie Gottfried von Monmouth um die Mitte des 12. Jahrhunderts aufgezeichnet hat, sind sie alle grausam ermordet worden. Die Legende ist später noch vielfach ausgeschmückt worden. Man ist nicht einmal über die Zeit des Opfertodes einig. Nach dieser Erzählung fällt derselbe in das Jahr 383, nach andern Darstellungen in die Jahre 235-238, wieder andere nehmen wegen der Hunnen 451 an. - Nach einer kölnischen Sage soll da, wo die Ursulakirche steht, die heilige Ursula mit den elftausend Jungfrauen den Märtyrertod erlitten haben; wenigstens befindet sich dort nicht blos der angebliche Körper der heiligen Ursula und vieler anderer Heiligen, an denen Köln so reich ist, im vergoldeten Metallschrein, sondern auch 1660 Schädel in vergoldeten Glasschränken; auch das Innere der 80 Fuss langen, 10 Fuss hohen und 2 Fuss dicken Chorwand, ohne der Reliquien in 19 Grabgewölben zu gedenken, ist mit lauter Gebeinen angefüllt, unter denen allerdings ein kölnischer Arzt mehrere Stücke von einem grossen Hunde gefunden haben will, für welche Entdeckung er aber zu einer grossen Geldbusse und zur Landesverweisung verurtheilt worden ist. (Vgl. Gesellschafter, Magdeburg 1784, II, 105.) Pater Sirmond, ein gelehrter Jesuit (gestorben 1651), erklärt die Sage so. In einem Märtyrerbuche habe sich die Stelle gefunden: "SS. Ursula et Undecimilla V. M. (i. e. virgines martyres), was so viel sagen will, als die heilige Ursula und die heilige Undecimilla, Jungfrauen, Märtyrerinen." Diese Stelle wäre aber, indem man das Undecimilla (den weiblichen Namen) zu einer Zahl, undecim millia, machte und die Buchstaben V. M. für virgines martyres las, in heilige Ursula und elftausend Jungfrauen verwandelt worden. J. Chr. Wagenseil (gestorben 1705) erzählt, es wäre anfänglich in den Martyrologiis geschrieben gewesen: "Sancta Ursula cum XI M. Virg.", was soviel bedeute, als die heilige Ursula mit elf Märtyrer Jungfrauen, woraus aber, indem das M für die Abkürzung von Millia gehalten wurde, die Lesart Sancta Ursula cum undecim Mill. Virg., d. i. die heilige Ursula mit elftausend Jungfrauen entstand. Ueber die wenig bekannte heilige Undecimilla hat der göttinger Prof. Heumann eine Abhandlung herausgegeben. (Vgl. Dissertatio exhibens historiae litterariae fragmenta aliquot, Göttingen 1738, Nr. 12.) In neuerer Zeit hat Oskar Schade die Sage behandelt in: Die Sage von der heil. Ursula und den elftausend Jungfrauen; ein Beitrag zur Sagenforschung (Hannover 1852). Schade vermuthet hinter der heiligen Ursula eine Göttin des ältern deutschen Heidenthums. Ja, aus dem Umstande, dass Ursula in einem Schiffe fuhr und dass viel spätere Kirchenbilder ihr einen weiten Mantel gaben, unter dem sich ihre Jungfrauen bergen, erblickte er in der Heiligen eigentlich die ägyptische Isis oder die römisch aufgefasste Nehalennia. Weil die Weber am Niederrhein noch im Mittelalter [Spaltenumbruch] 92 Was nicht von einer Jungfrau geboren und vom heiligen Geist empfangen ist, das schmeckt alles nach Adam und Eva und träumt den Leuten davon. 93 Wem ein fromb jungfraw zur eh wird geben, kein süssigkeit mag gleichen dem leben. Lat.: Dulcius est melle, iungi cum lege puellae. (Loci comm., 28.) 94 Wenn die Jungfrau sich nicht selbst nimmt in Acht, so ist umsonst alle Hut und Wacht. Eine Tugend, die bewacht werden muss, ist der Wächter nicht werth. 95 Wenn die Jungfrau versprochen ist, dann finden sich Freier genug. Böhm.: Zasnoubenou pannu každý by rád mĕl za ženu. (Čelakovsky, 147.) Poln.: Poślubioną pannę każdy chce mieć za żonę. (Čelakovsky, 147.) 96 Wenn ein Jungfraw Wein trinckt vnd den Gesellen mit Augen winckt, vnd scharrt mit Füssen auff der Erden, so ist sie ein Hur oder wils bald werden. – Petri, II, 657. 97 Wenn Jungfrauen und alte Weiber gebären, so gibt ein Rechenstiel Feuer. 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Nach dieser Erzählung fällt derselbe in das Jahr 383, nach andern Darstellungen in die Jahre 235-238, wieder andere nehmen wegen der Hunnen 451 an. – Nach einer kölnischen Sage soll da, wo die Ursulakirche steht, die heilige Ursula mit den elftausend Jungfrauen den Märtyrertod erlitten haben; wenigstens befindet sich dort nicht blos der angebliche Körper der heiligen Ursula und vieler anderer Heiligen, an denen Köln so reich ist, im vergoldeten Metallschrein, sondern auch 1660 Schädel in vergoldeten Glasschränken; auch das Innere der 80 Fuss langen, 10 Fuss hohen und 2 Fuss dicken Chorwand, ohne der Reliquien in 19 Grabgewölben zu gedenken, ist mit lauter Gebeinen angefüllt, unter denen allerdings ein kölnischer Arzt mehrere Stücke von einem grossen Hunde gefunden haben will, für welche Entdeckung er aber zu einer grossen Geldbusse und zur Landesverweisung verurtheilt worden ist. (Vgl. <hi rendition="#i">Gesellschafter, Magdeburg 1784, II, 105.</hi>) Pater <hi rendition="#i">Sirmond,</hi> ein gelehrter Jesuit (gestorben 1651), erklärt die Sage so. In einem Märtyrerbuche habe sich die Stelle gefunden: „SS. Ursula et Undecimilla V. M. (i. e. virgines martyres), was so viel sagen will, als die heilige Ursula und die heilige Undecimilla, Jungfrauen, Märtyrerinen.“ Diese Stelle wäre aber, indem man das Undecimilla (den weiblichen Namen) zu einer Zahl, undecim millia, machte und die Buchstaben V. M. für virgines martyres las, in heilige Ursula und elftausend Jungfrauen verwandelt worden. <hi rendition="#i">J. Chr. Wagenseil</hi> (gestorben 1705) erzählt, es wäre anfänglich in den <hi rendition="#i">Martyrologiis</hi> geschrieben gewesen: „Sancta Ursula cum XI M. Virg.“, was soviel bedeute, als die heilige Ursula mit elf Märtyrer Jungfrauen, woraus aber, indem das M für die Abkürzung von Millia gehalten wurde, die Lesart Sancta Ursula cum undecim Mill. Virg., d. i. die heilige Ursula mit elftausend Jungfrauen entstand. Ueber die wenig bekannte heilige Undecimilla hat der göttinger Prof. <hi rendition="#i">Heumann</hi> eine Abhandlung herausgegeben. (Vgl. Dissertatio exhibens historiae litterariae fragmenta aliquot, <hi rendition="#i">Göttingen 1738, Nr. 12.</hi>) In neuerer Zeit hat <hi rendition="#i">Oskar Schade</hi> die Sage behandelt in: <hi rendition="#i">Die Sage von der heil. Ursula und den elftausend Jungfrauen; ein Beitrag zur Sagenforschung</hi> (Hannover 1852). <hi rendition="#i">Schade</hi> vermuthet hinter der heiligen Ursula eine Göttin des ältern deutschen Heidenthums. Ja, aus dem Umstande, dass Ursula in einem Schiffe fuhr und dass viel spätere Kirchenbilder ihr einen weiten Mantel gaben, unter dem sich ihre Jungfrauen bergen, erblickte er in der Heiligen eigentlich die ägyptische Isis oder die römisch aufgefasste Nehalennia. Weil die Weber am Niederrhein noch im Mittelalter </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[537]/0543]
92 Was nicht von einer Jungfrau geboren und vom heiligen Geist empfangen ist, das schmeckt alles nach Adam und Eva und träumt den Leuten davon.
93 Wem ein fromb jungfraw zur eh wird geben, kein süssigkeit mag gleichen dem leben.
Lat.: Dulcius est melle, iungi cum lege puellae. (Loci comm., 28.)
94 Wenn die Jungfrau sich nicht selbst nimmt in Acht, so ist umsonst alle Hut und Wacht.
Eine Tugend, die bewacht werden muss, ist der Wächter nicht werth.
95 Wenn die Jungfrau versprochen ist, dann finden sich Freier genug.
Böhm.: Zasnoubenou pannu každý by rád mĕl za ženu. (Čelakovsky, 147.)
Poln.: Poślubioną pannę każdy chce mieć za żonę. (Čelakovsky, 147.)
96 Wenn ein Jungfraw Wein trinckt vnd den Gesellen mit Augen winckt, vnd scharrt mit Füssen auff der Erden, so ist sie ein Hur oder wils bald werden. – Petri, II, 657.
97 Wenn Jungfrauen und alte Weiber gebären, so gibt ein Rechenstiel Feuer.
Frz.: Vierge enfanter chose impossible par nature. (Leroux, I, 186.)
98 Wenn Jungfrawen viel spatzieren gahn, das ist nicht fein vnd wohlgethan. – Petri, II, 274.
99 Wenn Jungfrawen zum Tantz gehen, sollen sie das Klapperbein daheim lassen. – Petri, II, 660.
100 Wer darff (mag) eine Jungfrau schwechen, der darff (mag) auch wol ein Kirch' (ein Kastell) erbrechen. – Petri, II, 688; Latendorf II, 31; Körte, 3231.
101 Wer ein fromb jungfraw nimbt zur eh, was kurtzweil solt der wünschen meh?
Lat.: Optimus est ludus, qui fit cum uirgine nudua. (Loci comm., 28.)
102 Wer ein iunckfrawen schendet, der stirbt keines guten todes. – Agricola I, 664; Egenolff, 254b; Petri, II, 704; Gruter, I, 79; Lehmann, 412, 26; Schottel, 1138b; Pistor., X, 15; Eiselein, 353; Graf, 351, 396; Simrock, 5319.
Die Verführung einer Jungfrau war indess nicht stets unsühnbar; der Mann konnte ihr Genugthuung leisten, wenn er die Geschwächte zur Kirche führte und sie dadurch wieder zu Ehren brachte.
103 Wer eine Jungfrau nicht mehr lieben will, muss sie heirathen. – Winckler, IV, 67.
Holl.: Wilt gij eene jufvrouw niet meer beminnen, trouw ze, zei de filozoof. (Harrebomée, I, 368a.)
104 Wer eine Jungfraw will erkennen, der muss (gute, scharfe) Luchsaugen haben. – Lehmann, 412, 20.
Die Russen: Der Jungfern Unschuld ist meist so klein, dass man sie nicht sehen kann. (Altmann VI, 476.)
Dän.: Han maae have los-yene, som kand kiende en jomfru. (Prov. dan., 326.)
Lat.: Est magnum crimen perrumpere virginis hymen. – Monacha qui potitur, virga tendente moritur. (Eiselein, 353.)
105 Wer Jungfrawen trawt vnd sein Bett verkaufft, muss auff dem Stro ligen. – Gruter, III, 107; Lehmann, II, 873, 195.
106 Wer Jungkfrawen, Frawen vnd Priester schend, dem ist beschert ein böses End. – Henisch, 885, 43; Petri, II, 726.
107 Wer Jungfrawen zu fall bringt, nimmer es jhm wol gelingt.
Lat.: Est magnum crimen, corrumpere urginis hymen. (Loci comm., 203.)
108 Wir solten wol Jungfrawen sein, sagte jhenes Nönnlein, wenn wirs weren. – Franck. II, 116a; Hoefer, 794.
*109 Der Jungfrau ein Kind heben.
„Ich will gehen und der Jungfrau ein Kind heben“, sagte Luther als Mönch, wenn er eine Messe halten wollte. (Luther's Tischr., 159a.)
*110 Eine Jungfrau schwächen. – Eiselein, 561.
Eiselein bemerkt: „Eine Jungfrau schwächen (für stuprare) scheint von der Wahrheit oder dem Aberglauben herzukommen, dass eine Jungfrau, bevor sie ihre Keuschheit verloren hat, viel stärker ist als nachher, wie z. B. Brunhild im Nibelungenliede vor dem Beischlaf, den sie nicht dulden wollte, so stark war, dass sie ihren Gemahl, den König Günther, mit einem Gürtel an Händen und füssen band, so an einen Nagel
hängte und die Brautnacht über dort zappeln liess. Als aber Sivrit mit seiner Tarnkappe in folgender Nacht unsichtbar dem König verholfen hatte, Brunhild zu bezwingen und ihr die Blume zu nehmen, da ward sie so schwach als jedes andere Weib.“
*111 Eine Jungfrau, so ein Eisen abgeworfen. – Eiselein, 353; Wurzbach II, 215.
Die schon ein Kind gehabt. Die Römer scheinen Jungfrauen dieser Art nicht oder nur als Widersprüche gekannt zu haben, denn die Redensart: Virginem parere (Bovill, I, 22,), findet sich nicht selten in Gesellschaft von Mulas parere.
*112 Einer Jungfrau in den Schild reiten. (Logau.) – Weinhold, 82.
Ihr eine Grobheit, eine Ungezogenheit sagen.
*113 Einer Jungfrau Salz und Pfeffer in den Weg werfen. – Eiselein, 427.
Ihr durch eine Liebschaft die Lust am Spinnen (an der Arbeit) verderben.
*114 Er ist in die elftausend Jungfrauen verliebt.
So viel als in jedes Mädchen. Man hat auf verschiedene Weise die elftausend Jungfrauen, die im katholischen Kirchenkalender mit der heiligen Ursula auf den 21. October fallen, zu erklären versucht. Die Legende erzählt, dass unter der Regierung des Kaisers Gratian Flavius Clemens Maximus, der Befehlshaber der römischen Legionen in Grossbritannien, von den aufrührerischen Soldaten zum Kaiser ausgerufen. Er bemächtigte sich der Herrschaft, legte in Gallien Militärcolonien an, denen es aber an Frauen fehlte, die geschafft werden sollten. Regulus, der Befehlshaber der Colonien, schickte nach Grossbritannien und liess um so viel Jungfrauen bitten, als für seine Mannschaften erforderlich wären. Die Britannier schafften deren soviel als möglich herbei, die vornehmste war Ursula, eine Königstochter. Die Einschiffung ging aber gewaltsam vor sich. Die Schiffe kamen jedoch nicht an die französische, sie wurden an die germanische Küste verschlagen, an der eben Hunnenhorden hausten, denen die Jungfrauen eine willkommene Beute waren. Diese waren aber alle elftausend ohne Ausnahme so tugendhaft, dass sie sich, von Ursula aufgemuntert, lieber ermorden liessen, als ihre Jungfräulichkeit opferten, obgleich nicht wahrscheinlich ist, dass bei der Auswahl in Britannien für den vorliegenden Zweck gerade darauf wird Rücksicht genommen worden sein. Nach der Legende, wie sie Gottfried von Monmouth um die Mitte des 12. Jahrhunderts aufgezeichnet hat, sind sie alle grausam ermordet worden. Die Legende ist später noch vielfach ausgeschmückt worden. Man ist nicht einmal über die Zeit des Opfertodes einig. Nach dieser Erzählung fällt derselbe in das Jahr 383, nach andern Darstellungen in die Jahre 235-238, wieder andere nehmen wegen der Hunnen 451 an. – Nach einer kölnischen Sage soll da, wo die Ursulakirche steht, die heilige Ursula mit den elftausend Jungfrauen den Märtyrertod erlitten haben; wenigstens befindet sich dort nicht blos der angebliche Körper der heiligen Ursula und vieler anderer Heiligen, an denen Köln so reich ist, im vergoldeten Metallschrein, sondern auch 1660 Schädel in vergoldeten Glasschränken; auch das Innere der 80 Fuss langen, 10 Fuss hohen und 2 Fuss dicken Chorwand, ohne der Reliquien in 19 Grabgewölben zu gedenken, ist mit lauter Gebeinen angefüllt, unter denen allerdings ein kölnischer Arzt mehrere Stücke von einem grossen Hunde gefunden haben will, für welche Entdeckung er aber zu einer grossen Geldbusse und zur Landesverweisung verurtheilt worden ist. (Vgl. Gesellschafter, Magdeburg 1784, II, 105.) Pater Sirmond, ein gelehrter Jesuit (gestorben 1651), erklärt die Sage so. In einem Märtyrerbuche habe sich die Stelle gefunden: „SS. Ursula et Undecimilla V. M. (i. e. virgines martyres), was so viel sagen will, als die heilige Ursula und die heilige Undecimilla, Jungfrauen, Märtyrerinen.“ Diese Stelle wäre aber, indem man das Undecimilla (den weiblichen Namen) zu einer Zahl, undecim millia, machte und die Buchstaben V. M. für virgines martyres las, in heilige Ursula und elftausend Jungfrauen verwandelt worden. J. Chr. Wagenseil (gestorben 1705) erzählt, es wäre anfänglich in den Martyrologiis geschrieben gewesen: „Sancta Ursula cum XI M. Virg.“, was soviel bedeute, als die heilige Ursula mit elf Märtyrer Jungfrauen, woraus aber, indem das M für die Abkürzung von Millia gehalten wurde, die Lesart Sancta Ursula cum undecim Mill. Virg., d. i. die heilige Ursula mit elftausend Jungfrauen entstand. Ueber die wenig bekannte heilige Undecimilla hat der göttinger Prof. Heumann eine Abhandlung herausgegeben. (Vgl. Dissertatio exhibens historiae litterariae fragmenta aliquot, Göttingen 1738, Nr. 12.) In neuerer Zeit hat Oskar Schade die Sage behandelt in: Die Sage von der heil. Ursula und den elftausend Jungfrauen; ein Beitrag zur Sagenforschung (Hannover 1852). Schade vermuthet hinter der heiligen Ursula eine Göttin des ältern deutschen Heidenthums. Ja, aus dem Umstande, dass Ursula in einem Schiffe fuhr und dass viel spätere Kirchenbilder ihr einen weiten Mantel gaben, unter dem sich ihre Jungfrauen bergen, erblickte er in der Heiligen eigentlich die ägyptische Isis oder die römisch aufgefasste Nehalennia. Weil die Weber am Niederrhein noch im Mittelalter
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