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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870.

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[Spaltenumbruch] 32 Ist das Hemd auch noch so rein (fein), die Jungfer kann eine Hure sein.

Die Russen: Das reine Hemd allein macht keine ehrbare Dirne. (Altmann VI, 462.)

33 Jeder hat ein Hemd von Menschenfleisch. - Simrock, 6974; Eiselein, 460; Binder II, 1329 u 3412.

Niemand ist fehlerfrei, vollkommen.

Lat.: Omnis homo in mundo fragilis stat sicut arundo.

34 Jeder kennt sein Hemde besser als der Fremde.

35 Lieber das Hemd verloren als die Haut.

36 Kurz Hemd und beschissen Loch.

37 Man kann ein Hemd lange einweichen, ehe es trocken wird.

Die Russen: Wenn man das Hemd auch einen Monat lang im Regen hängen lässt, es wird nicht trocken werden. (Altmann VI, 410.)

38 Man muss erst sein eigenes Hemde flicken, ehe man andere kann beglücken.

39 Man sacht, Siewert, säd' de Diern, dat Hemd is noch vör. - Hoefer, 239.

40 Man soll alte Hemden nicht wegwerfen, man habe denn neue anzulegen.

41 Man soll das letzte Hemd daran wenden, um ein reicher Mann zu werden.

42 Man will das Hemd zum Rocke haben.

Wenn etwas zu weit getrieben wird.

43 Manche hat kein Hemde leider und wünscht sich täglich neue Kleider.

44 Mer därf seim oagena Hemmet neimmer traua. - Nefflen, 462.

Nicht dem nächsten Verwandten, dem nächst Verpflichteten.

45 Nicht in jedem Hemde steckt ein Mann.

46 Ohne Hemd gehen, ist nicht immer nackt gehen. - Altmann V, 131.

47 Selbst deinem Hemd sei dein Geheimniss (dein Sinnen) fremd.

Frz.: Ta chemise ne sache ta guise (pensee). (Gaal, 1605; Bovill, II, 88; Kritzinger, 132b; Venedey, 58.)

48 Wenn das Hemd reisst, so wird ein Loch.

Holl.: Als het hemd scheurt, dan is het een gat. (Harrebomee, I, 301.)

49 Wenn das Hemd weiss, was man thun will, muss man's verbrennen.

"Wenn ein Hemd nur darum wüsste, dass es sogleich verbrennen müsste." Um die Wichtigkeit eines anvertrauten Geheimnisses und die Heiligkeit, mit der es bewahrt werden muss, auszudrücken.

50 Wenn man 's Hemde aufhebt, wird der Arsch bloss.

Holl.: Als je je hemd opligt, laat je je gat zien. (Harrebomee, I, 301.)

51 Wenn 's Hemd brennt, ist's übel still sitzen.

Holl.: Hou je gat stil, zei Bartel tegen zijne vrouw, en haar hemd stond in brand. (Harrebomee, I, 301.)

52 Wenn's das neue Hemd thäte, da wimmelte es von neuen (umgewandelten, wiedergeborenen) Menschen.

53 Wer auf ein Hemde wartet, das er erben soll, der kann lange bloss (nackt) gehen.

Aehnlich russisch Altmann, VI, 390; Reinsberg II, 34.

54 Wer kein Hemd hat, was sollen dem Quasten am Rock.

Die englischen Neger in Surinam drücken denselben Gedanken sprichwörtlich so aus: Die Henne hat nichts zu trinken, wo soll sie Wasser hernehmen, sich die Füsse zu waschen. (Wullschlägel.) - Wem das Nothwendige fehlt, wie kann der Mittel haben zum Luxus.

55 Wer keine neuen Hemden machen kann, muss die alten flicken. - Simrock, 4549.

56 Wer selber kein Hemd hat, muss nicht über den Nachbar spotten, der ein Loch im Aermel.

Die Letten: Wer selbst kein Hemd trägt, schimpft zumeist auf die Nackten. (Reinsberg IV, 49.)

57 Wer viel Hemde hat, beschmuzt (zerreisst) viel.

It.: Chi piu ne ha piu ne imbratta. (Pazzaglia, 175, 1.)

*58 Alte Hemden mit neuen flicken. - Sutor, 77.

"Ein Student schribe seiner Mutter umb etliche neue Hemeter, die alte darmit zu flücken."

*59 Das Hemd an seinem Arsche hat Krämpfe.

Holl.: Het hemd trict hem voor 't gat. (Harrebomee, I, 301.)

*60 Das Hemd auf dem Leibe dransetzen.

Das Aeusserste und Letzte wagen.

[Spaltenumbruch] *61 Das Hemd auf dem Leibe ist nicht sein.

Lat.: Nudior leberide. - Nudior paxillo. (Philippi, II, 49.)

*62 Das Hemd für eine Busennadel geben.

Die Russen: Dem Hemd an Linnen fehlen lassen, was der Gurt an Seide hat. (Altmann VI, 522.)

*63 Das Hemd soll ihm nicht einmal den Arsch reiben.

Holl.: Hemdje, raak me naarsje niet, mijn gatje is van goud. (Harrebomee, I, 301.)

*64 Das Hemd über der Jacke tragen.

Die Russen: Das Hemd über den Rock (die Kleider) ziehen. (Altmann VI, 512; Reinsberg IV, 73.)

*65 Das Hemd vom Leibe verlieren (verspielen).

Frz.: Jouer jusqu'a sa chemise. (Kritzinger, 132b.)

Lat.: Perdere naulum. (Juvenal.) (Philippi, II, 91.)

*66 Das Hemd vom Leibe verschenken.

Sehr freigebig sein.

Frz.: Donner jusqu'a sa chemise. (Kritzinger, 132b.)

*67 Den steckt en 't Hemd, met de Kopp herut. (Meurs.) - Firmenich, I, 404, 262.

*68 Du hast noch nicht das letzte Hemd an.

Es kann dir schon noch heimkommen. Noch sind alle Tage nicht vorüber, sagen die Czechen. Und die Esthen: Das Nasenende hast du wol angefasst (gesehen), aber noch nicht das Lebensende. (Reinsberg II, 79.)

*69 Een 't Hemd van d' Näärs offragen. - Stürenburg, 60b.

Um neugieriges oder unverschämtes Fragen zu bezeichnen.

*70 Einem aufs Hemde knien. (Schles.)

Aufs Aeusserste bedrängen.

*71 Einem das Hembd (rechtschaffen) heiss machen. - Simplic. (Nürnberg 1684), I, 373.

*72 Einem das Hemde vom Leibe herunterfragen.

Holl.: Hij vraagt mij het hemd van het gat. (Harrebomee, I, 301.)

*73 Einem das Hemde vom Leibe nehmen.

*74 Einem ins Hemd gebacken sein.

"Weil aber der junge Hertzbruder meinem Obersten gar ins Hemd gebacken war und mir vorgezogen wurde." (Simplic., 635.)

*75 Einen bis aufs Hemd ausziehen.

Ihm alles nehmen, ihn ganz entblössen.

Holl.: Ze hebben hem tot op het hemd uitgekleed (uitgeschud). (Harrebomee, I, 302.)

*76 Einen im Hemde stehen lassen.

Verächtlich behandeln. Wol von dem Bussact entlehnt, den Gregor VII. dem deutschen Kaiser Heinrich IV. auferlegte.

Holl.: Hij laat hem in het hemd staan. (Harrebomee, I, 301.)

*77 Er flickt andern die Hemden und er selber geht nackt.

Aehnlich russisch Altmann VI, 475 und: Näh dir erst selber ein Hemd, eh' du das ganze Dorf mit Hemden versehen willst. (Altmann V, 130; Reinsberg IV, 52.)

*78 Er hat das letzte Hemd erhalten.

Das Todtenhemd.

*79 Er hat kein ganzes Hemd am Leibe.

Damit bezeichnet man jetzt einen Zustand äusserster Armuth.

*80 Er hat kein Hemd auf seinem Rücken.

Ist blutarm. Aber es ist gar nicht so lange her, dass ein Hemde noch zu den Luxusartikeln gehörte. Als Jahob von England, der von der verwitweten Gräfin von Mark erzogen ward, einmal des Nachts plötzlich von einer Kolik befallen ward, lief das sämmtliche Dienstpersonal ohne Unterschied des Geschlechts völlig unbekleidet in sein Schlafzimmer, nur die Gräfin hatte ein Hemd an. (Der Gesellschafter, Magdeburg 1785, III, 214.)

Frz.: N'avoir pas une chemise au dos. (Kritzinger, 132b.)

Holl.: Hij heeft geen hemd aan het lijf. (Harrebomee, I, 301.)

*81 Er hat nicht einmal im Hemde Ruhe.

*82 Er ist das Hemd auf dem Leibe schuldig. - Eiselein, 298; Braun, I, 1267.

Lat.: Nec obolum habet, unde restim emat. (Hanzely, 187; Hauer, 65; Philippi, II, 10.)

*83 Er ist ins Hemd geschlüpft und noch drin.

Scherzhafte Antwort auf die Frage, wo jemand ist.

*84 Er kann im Hemde nicht ruhen. (Lit.)

Hat Angst, Unruhe, Sorge u. s. w.

*85 Er kommt um die Hemden, wie Petrus um den Pelz.

*86 Er zieht das Hemde über den Rock.

[Spaltenumbruch] 32 Ist das Hemd auch noch so rein (fein), die Jungfer kann eine Hure sein.

Die Russen: Das reine Hemd allein macht keine ehrbare Dirne. (Altmann VI, 462.)

33 Jeder hat ein Hemd von Menschenfleisch.Simrock, 6974; Eiselein, 460; Binder II, 1329 u 3412.

Niemand ist fehlerfrei, vollkommen.

Lat.: Omnis homo in mundo fragilis stat sicut arundo.

34 Jeder kennt sein Hemde besser als der Fremde.

35 Lieber das Hemd verloren als die Haut.

36 Kurz Hemd und beschissen Loch.

37 Man kann ein Hemd lange einweichen, ehe es trocken wird.

Die Russen: Wenn man das Hemd auch einen Monat lang im Regen hängen lässt, es wird nicht trocken werden. (Altmann VI, 410.)

38 Man muss erst sein eigenes Hemde flicken, ehe man andere kann beglücken.

39 Man sacht, Siewert, säd' de Diern, dat Hemd is noch vör.Hoefer, 239.

40 Man soll alte Hemden nicht wegwerfen, man habe denn neue anzulegen.

41 Man soll das letzte Hemd daran wenden, um ein reicher Mann zu werden.

42 Man will das Hemd zum Rocke haben.

Wenn etwas zu weit getrieben wird.

43 Manche hat kein Hemde leider und wünscht sich täglich neue Kleider.

44 Mer därf seim oagena Hemmet nîmmer traua.Nefflen, 462.

Nicht dem nächsten Verwandten, dem nächst Verpflichteten.

45 Nicht in jedem Hemde steckt ein Mann.

46 Ohne Hemd gehen, ist nicht immer nackt gehen.Altmann V, 131.

47 Selbst deinem Hemd sei dein Geheimniss (dein Sinnen) fremd.

Frz.: Ta chemise ne sache ta guise (pensée). (Gaal, 1605; Bovill, II, 88; Kritzinger, 132b; Venedey, 58.)

48 Wenn das Hemd reisst, so wird ein Loch.

Holl.: Als het hemd scheurt, dan is het een gat. (Harrebomée, I, 301.)

49 Wenn das Hemd weiss, was man thun will, muss man's verbrennen.

„Wenn ein Hemd nur darum wüsste, dass es sogleich verbrennen müsste.“ Um die Wichtigkeit eines anvertrauten Geheimnisses und die Heiligkeit, mit der es bewahrt werden muss, auszudrücken.

50 Wenn man 's Hemde aufhebt, wird der Arsch bloss.

Holl.: Als je je hemd opligt, laat je je gat zien. (Harrebomée, I, 301.)

51 Wenn 's Hemd brennt, ist's übel still sitzen.

Holl.: Hou je gat stil, zei Bartel tegen zijne vrouw, en haar hemd stond in brand. (Harrebomée, I, 301.)

52 Wenn's das neue Hemd thäte, da wimmelte es von neuen (umgewandelten, wiedergeborenen) Menschen.

53 Wer auf ein Hemde wartet, das er erben soll, der kann lange bloss (nackt) gehen.

Aehnlich russisch Altmann, VI, 390; Reinsberg II, 34.

54 Wer kein Hemd hat, was sollen dem Quasten am Rock.

Die englischen Neger in Surinam drücken denselben Gedanken sprichwörtlich so aus: Die Henne hat nichts zu trinken, wo soll sie Wasser hernehmen, sich die Füsse zu waschen. (Wullschlägel.) – Wem das Nothwendige fehlt, wie kann der Mittel haben zum Luxus.

55 Wer keine neuen Hemden machen kann, muss die alten flicken.Simrock, 4549.

56 Wer selber kein Hemd hat, muss nicht über den Nachbar spotten, der ein Loch im Aermel.

Die Letten: Wer selbst kein Hemd trägt, schimpft zumeist auf die Nackten. (Reinsberg IV, 49.)

57 Wer viel Hemde hat, beschmuzt (zerreisst) viel.

It.: Chi più ne hà più ne imbratta. (Pazzaglia, 175, 1.)

*58 Alte Hemden mit neuen flicken.Sutor, 77.

„Ein Student schribe seiner Mutter umb etliche neue Hemeter, die alte darmit zu flücken.“

*59 Das Hemd an seinem Arsche hat Krämpfe.

Holl.: Het hemd trict hem voor 't gat. (Harrebomée, I, 301.)

*60 Das Hemd auf dem Leibe dransetzen.

Das Aeusserste und Letzte wagen.

[Spaltenumbruch] *61 Das Hemd auf dem Leibe ist nicht sein.

Lat.: Nudior leberide. – Nudior paxillo. (Philippi, II, 49.)

*62 Das Hemd für eine Busennadel geben.

Die Russen: Dem Hemd an Linnen fehlen lassen, was der Gurt an Seide hat. (Altmann VI, 522.)

*63 Das Hemd soll ihm nicht einmal den Arsch reiben.

Holl.: Hemdje, raak me naarsje niet, mijn gatje is van goud. (Harrebomée, I, 301.)

*64 Das Hemd über der Jacke tragen.

Die Russen: Das Hemd über den Rock (die Kleider) ziehen. (Altmann VI, 512; Reinsberg IV, 73.)

*65 Das Hemd vom Leibe verlieren (verspielen).

Frz.: Jouer jusqu'à sa chemise. (Kritzinger, 132b.)

Lat.: Perdere naulum. (Juvenal.) (Philippi, II, 91.)

*66 Das Hemd vom Leibe verschenken.

Sehr freigebig sein.

Frz.: Donner jusqu'à sa chemise. (Kritzinger, 132b.)

*67 Den steckt en 't Hemd, met de Kopp herut. (Meurs.) – Firmenich, I, 404, 262.

*68 Du hast noch nicht das letzte Hemd an.

Es kann dir schon noch heimkommen. Noch sind alle Tage nicht vorüber, sagen die Czechen. Und die Esthen: Das Nasenende hast du wol angefasst (gesehen), aber noch nicht das Lebensende. (Reinsberg II, 79.)

*69 Een 't Hemd van d' Näärs offragen.Stürenburg, 60b.

Um neugieriges oder unverschämtes Fragen zu bezeichnen.

*70 Einem aufs Hemde knien. (Schles.)

Aufs Aeusserste bedrängen.

*71 Einem das Hembd (rechtschaffen) heiss machen.Simplic. (Nürnberg 1684), I, 373.

*72 Einem das Hemde vom Leibe herunterfragen.

Holl.: Hij vraagt mij het hemd van het gat. (Harrebomée, I, 301.)

*73 Einem das Hemde vom Leibe nehmen.

*74 Einem ins Hemd gebacken sein.

„Weil aber der junge Hertzbruder meinem Obersten gar ins Hemd gebacken war und mir vorgezogen wurde.“ (Simplic., 635.)

*75 Einen bis aufs Hemd ausziehen.

Ihm alles nehmen, ihn ganz entblössen.

Holl.: Ze hebben hem tot op het hemd uitgekleed (uitgeschud). (Harrebomée, I, 302.)

*76 Einen im Hemde stehen lassen.

Verächtlich behandeln. Wol von dem Bussact entlehnt, den Gregor VII. dem deutschen Kaiser Heinrich IV. auferlegte.

Holl.: Hij laat hem in het hemd staan. (Harrebomée, I, 301.)

*77 Er flickt andern die Hemden und er selber geht nackt.

Aehnlich russisch Altmann VI, 475 und: Näh dir erst selber ein Hemd, eh' du das ganze Dorf mit Hemden versehen willst. (Altmann V, 130; Reinsberg IV, 52.)

*78 Er hat das letzte Hemd erhalten.

Das Todtenhemd.

*79 Er hat kein ganzes Hemd am Leibe.

Damit bezeichnet man jetzt einen Zustand äusserster Armuth.

*80 Er hat kein Hemd auf seinem Rücken.

Ist blutarm. Aber es ist gar nicht so lange her, dass ein Hemde noch zu den Luxusartikeln gehörte. Als Jahob von England, der von der verwitweten Gräfin von Mark erzogen ward, einmal des Nachts plötzlich von einer Kolik befallen ward, lief das sämmtliche Dienstpersonal ohne Unterschied des Geschlechts völlig unbekleidet in sein Schlafzimmer, nur die Gräfin hatte ein Hemd an. (Der Gesellschafter, Magdeburg 1785, III, 214.)

Frz.: N'avoir pas une chemise au dos. (Kritzinger, 132b.)

Holl.: Hij heeft geen hemd aan het lijf. (Harrebomée, I, 301.)

*81 Er hat nicht einmal im Hemde Ruhe.

*82 Er ist das Hemd auf dem Leibe schuldig.Eiselein, 298; Braun, I, 1267.

Lat.: Nec obolum habet, unde restim emat. (Hanzely, 187; Hauer, 65; Philippi, II, 10.)

*83 Er ist ins Hemd geschlüpft und noch drin.

Scherzhafte Antwort auf die Frage, wo jemand ist.

*84 Er kann im Hemde nicht ruhen. (Lit.)

Hat Angst, Unruhe, Sorge u. s. w.

*85 Er kommt um die Hemden, wie Petrus um den Pelz.

*86 Er zieht das Hemde über den Rock.

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[[251]/0257] 32 Ist das Hemd auch noch so rein (fein), die Jungfer kann eine Hure sein. Die Russen: Das reine Hemd allein macht keine ehrbare Dirne. (Altmann VI, 462.) 33 Jeder hat ein Hemd von Menschenfleisch. – Simrock, 6974; Eiselein, 460; Binder II, 1329 u 3412. Niemand ist fehlerfrei, vollkommen. Lat.: Omnis homo in mundo fragilis stat sicut arundo. 34 Jeder kennt sein Hemde besser als der Fremde. 35 Lieber das Hemd verloren als die Haut. 36 Kurz Hemd und beschissen Loch. 37 Man kann ein Hemd lange einweichen, ehe es trocken wird. Die Russen: Wenn man das Hemd auch einen Monat lang im Regen hängen lässt, es wird nicht trocken werden. (Altmann VI, 410.) 38 Man muss erst sein eigenes Hemde flicken, ehe man andere kann beglücken. 39 Man sacht, Siewert, säd' de Diern, dat Hemd is noch vör. – Hoefer, 239. 40 Man soll alte Hemden nicht wegwerfen, man habe denn neue anzulegen. 41 Man soll das letzte Hemd daran wenden, um ein reicher Mann zu werden. 42 Man will das Hemd zum Rocke haben. Wenn etwas zu weit getrieben wird. 43 Manche hat kein Hemde leider und wünscht sich täglich neue Kleider. 44 Mer därf seim oagena Hemmet nîmmer traua. – Nefflen, 462. Nicht dem nächsten Verwandten, dem nächst Verpflichteten. 45 Nicht in jedem Hemde steckt ein Mann. 46 Ohne Hemd gehen, ist nicht immer nackt gehen. – Altmann V, 131. 47 Selbst deinem Hemd sei dein Geheimniss (dein Sinnen) fremd. Frz.: Ta chemise ne sache ta guise (pensée). (Gaal, 1605; Bovill, II, 88; Kritzinger, 132b; Venedey, 58.) 48 Wenn das Hemd reisst, so wird ein Loch. Holl.: Als het hemd scheurt, dan is het een gat. (Harrebomée, I, 301.) 49 Wenn das Hemd weiss, was man thun will, muss man's verbrennen. „Wenn ein Hemd nur darum wüsste, dass es sogleich verbrennen müsste.“ Um die Wichtigkeit eines anvertrauten Geheimnisses und die Heiligkeit, mit der es bewahrt werden muss, auszudrücken. 50 Wenn man 's Hemde aufhebt, wird der Arsch bloss. Holl.: Als je je hemd opligt, laat je je gat zien. (Harrebomée, I, 301.) 51 Wenn 's Hemd brennt, ist's übel still sitzen. Holl.: Hou je gat stil, zei Bartel tegen zijne vrouw, en haar hemd stond in brand. (Harrebomée, I, 301.) 52 Wenn's das neue Hemd thäte, da wimmelte es von neuen (umgewandelten, wiedergeborenen) Menschen. 53 Wer auf ein Hemde wartet, das er erben soll, der kann lange bloss (nackt) gehen. Aehnlich russisch Altmann, VI, 390; Reinsberg II, 34. 54 Wer kein Hemd hat, was sollen dem Quasten am Rock. Die englischen Neger in Surinam drücken denselben Gedanken sprichwörtlich so aus: Die Henne hat nichts zu trinken, wo soll sie Wasser hernehmen, sich die Füsse zu waschen. (Wullschlägel.) – Wem das Nothwendige fehlt, wie kann der Mittel haben zum Luxus. 55 Wer keine neuen Hemden machen kann, muss die alten flicken. – Simrock, 4549. 56 Wer selber kein Hemd hat, muss nicht über den Nachbar spotten, der ein Loch im Aermel. Die Letten: Wer selbst kein Hemd trägt, schimpft zumeist auf die Nackten. (Reinsberg IV, 49.) 57 Wer viel Hemde hat, beschmuzt (zerreisst) viel. It.: Chi più ne hà più ne imbratta. (Pazzaglia, 175, 1.) *58 Alte Hemden mit neuen flicken. – Sutor, 77. „Ein Student schribe seiner Mutter umb etliche neue Hemeter, die alte darmit zu flücken.“ *59 Das Hemd an seinem Arsche hat Krämpfe. Holl.: Het hemd trict hem voor 't gat. (Harrebomée, I, 301.) *60 Das Hemd auf dem Leibe dransetzen. Das Aeusserste und Letzte wagen. *61 Das Hemd auf dem Leibe ist nicht sein. Lat.: Nudior leberide. – Nudior paxillo. (Philippi, II, 49.) *62 Das Hemd für eine Busennadel geben. Die Russen: Dem Hemd an Linnen fehlen lassen, was der Gurt an Seide hat. (Altmann VI, 522.) *63 Das Hemd soll ihm nicht einmal den Arsch reiben. Holl.: Hemdje, raak me naarsje niet, mijn gatje is van goud. (Harrebomée, I, 301.) *64 Das Hemd über der Jacke tragen. Die Russen: Das Hemd über den Rock (die Kleider) ziehen. (Altmann VI, 512; Reinsberg IV, 73.) *65 Das Hemd vom Leibe verlieren (verspielen). Frz.: Jouer jusqu'à sa chemise. (Kritzinger, 132b.) Lat.: Perdere naulum. (Juvenal.) (Philippi, II, 91.) *66 Das Hemd vom Leibe verschenken. Sehr freigebig sein. Frz.: Donner jusqu'à sa chemise. (Kritzinger, 132b.) *67 Den steckt en 't Hemd, met de Kopp herut. (Meurs.) – Firmenich, I, 404, 262. *68 Du hast noch nicht das letzte Hemd an. Es kann dir schon noch heimkommen. Noch sind alle Tage nicht vorüber, sagen die Czechen. Und die Esthen: Das Nasenende hast du wol angefasst (gesehen), aber noch nicht das Lebensende. (Reinsberg II, 79.) *69 Een 't Hemd van d' Näärs offragen. – Stürenburg, 60b. Um neugieriges oder unverschämtes Fragen zu bezeichnen. *70 Einem aufs Hemde knien. (Schles.) Aufs Aeusserste bedrängen. *71 Einem das Hembd (rechtschaffen) heiss machen. – Simplic. (Nürnberg 1684), I, 373. *72 Einem das Hemde vom Leibe herunterfragen. Holl.: Hij vraagt mij het hemd van het gat. (Harrebomée, I, 301.) *73 Einem das Hemde vom Leibe nehmen. *74 Einem ins Hemd gebacken sein. „Weil aber der junge Hertzbruder meinem Obersten gar ins Hemd gebacken war und mir vorgezogen wurde.“ (Simplic., 635.) *75 Einen bis aufs Hemd ausziehen. Ihm alles nehmen, ihn ganz entblössen. Holl.: Ze hebben hem tot op het hemd uitgekleed (uitgeschud). (Harrebomée, I, 302.) *76 Einen im Hemde stehen lassen. Verächtlich behandeln. Wol von dem Bussact entlehnt, den Gregor VII. dem deutschen Kaiser Heinrich IV. auferlegte. Holl.: Hij laat hem in het hemd staan. (Harrebomée, I, 301.) *77 Er flickt andern die Hemden und er selber geht nackt. Aehnlich russisch Altmann VI, 475 und: Näh dir erst selber ein Hemd, eh' du das ganze Dorf mit Hemden versehen willst. (Altmann V, 130; Reinsberg IV, 52.) *78 Er hat das letzte Hemd erhalten. Das Todtenhemd. *79 Er hat kein ganzes Hemd am Leibe. Damit bezeichnet man jetzt einen Zustand äusserster Armuth. *80 Er hat kein Hemd auf seinem Rücken. Ist blutarm. Aber es ist gar nicht so lange her, dass ein Hemde noch zu den Luxusartikeln gehörte. Als Jahob von England, der von der verwitweten Gräfin von Mark erzogen ward, einmal des Nachts plötzlich von einer Kolik befallen ward, lief das sämmtliche Dienstpersonal ohne Unterschied des Geschlechts völlig unbekleidet in sein Schlafzimmer, nur die Gräfin hatte ein Hemd an. (Der Gesellschafter, Magdeburg 1785, III, 214.) Frz.: N'avoir pas une chemise au dos. (Kritzinger, 132b.) Holl.: Hij heeft geen hemd aan het lijf. (Harrebomée, I, 301.) *81 Er hat nicht einmal im Hemde Ruhe. *82 Er ist das Hemd auf dem Leibe schuldig. – Eiselein, 298; Braun, I, 1267. Lat.: Nec obolum habet, unde restim emat. (Hanzely, 187; Hauer, 65; Philippi, II, 10.) *83 Er ist ins Hemd geschlüpft und noch drin. Scherzhafte Antwort auf die Frage, wo jemand ist. *84 Er kann im Hemde nicht ruhen. (Lit.) Hat Angst, Unruhe, Sorge u. s. w. *85 Er kommt um die Hemden, wie Petrus um den Pelz. *86 Er zieht das Hemde über den Rock.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870, S. [251]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon02_1870/257>, abgerufen am 28.11.2024.