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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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[Spaltenumbruch] *117 So viel Gedanken als Löcher in einem Siebe.

Jeder hat seine eigenen Ansichten, so viel Köpfe, so viel Sinne.


Gedärm.

*1 Er hat ein sehr kurzes Gedärm.

Behält nicht lange, was er gehört. In den "Sonntagskindern" verspottet Schiller das "geniale Geschlecht", das "heute schon lehren will, was es gestern gelernt", und schliesst mit dem Ausruf: "Ach was haben die Herren doch für ein kurzes Gedärm!"

*2 Er hat immer sieben Ellen leere Gedärme.


Gedeihen.

1 Es gedeiht nicht jeder Hühnerschmaus.

2 Gedeyet einer, so gedeyet er einem gantzen Geschlecht, verdirbt er, so verdirbt er jhm allein. - Henisch, 1407, 19; Petri, II, 325.

3 Wenig gedeiht, viel zerstreut.

4 Wer gedeyen will, der sehe selber zu dem seinigen. - Henisch, 1407, 28; Petri, II, 710.

5 Wer will gedeihen, hüte sich vor Leckereien.

*6 Er gedeiht an den Bettelstab. - Hans Sachs.

*7 Es gedeiht wie heurisch Trauben, die spritzen hinten wieder heraus. - Fischart.

*8 Hat mai dei, of ferderw. (Nordfries.)

Er mag gedeihen oder verderben. Entweder - oder.

*9 He det1 as 'n Duvekötel2 in de Sünne. (Ostfries.) - Frommann, V, 528, 640.

1) Gedeiht.

2) Taubendreck.


Gedenken.

1 Daran einer am meisten gedenckt vnd davon einer offt red, das hat er lieb. - Lehmann, 467, 100.

2 Der böss gedenckt, dem gibt Gott böss. - Lehmann, 240, 46.

3 Der gedenckt allweg zu sterben, der kan nimmermehr verderben. - Henisch, 1403, 46.

4 Es gedenkt mich auch noch, sagte des Schultheissen Frau im neuen Schurz und Kurssen, zu den Weibern, dass ich euersgleichen war. - Fischart, Gesch.

"Sizt still, sizt still, sagt jenes Schultheissen Fraw im newen Schurtz vnd Kurssen zu den Weibern, die zu dem Evangeli auffstunden, es gedenckt mir auch, dass ich ewers gleichen war." (Kloster, VIII, 279.)

5 Es ist einem andern gedacht vnd mir bescheret. - Henisch, 1403, 34; Gruter, I, 32.

6 Es mag einer gedencken, was er will, aber reden muss er, was sich gezimt. - Lehmann, 239, 27.

7 Gedenck an den Tag, den niemand vermeiden mag. - Henisch, 1405, 57.

8 Gedenck der vier letzten stuck, dess Todts, dess Gerichts, der Hölle vnd dess Himmels. - Henisch, 1405, 59.

9 Gedencken ist die beste Arznei vor ein schlecht Gedächtniss.

Lat.: Saepe recordari medicamine fortius omni. (Seybold, 535.)

10 Gedenken der besten Zeit macht fliehn von Sünden weit.

11 Gedenken ist zollfrey. - Pauli, Schimpf, XXVIIb.

12 Ma koan gedencken, dass kroancken Loiten nich wul ist. - Gomolcke, 715; Frommann, III, 410, 398.

13 Vmb gedencken thut man niemand hencken. - Franck, II, 88a.

*14 Er gedenckt, das sein Mutter ein Magd gewesen ist. - Henisch, 1405, 3.

Lat.: Scit quomodo Jupiter duxerit Junonem. (Henisch, 1405, 4.)

*15 Er gedenkt an den russischen Monat. (Posen.)

Da das russische Jahr 13 Tage später beginnt, so endet es auch um so viel später. Man bedient sich nun dieses Sprichworts, wenn man gegen jemand einen Groll hat, ohne dass man, weil es die Umstände verbieten, die Strafe sofort in Vollzug setzen kann, um anzudeuten, dass aufgeschoben nicht aufgehoben sei, da es ja noch einen Monat hinter dem Jahre gebe.

*16 Habt yhr meiner auch gedacht? - Agricola I, 488; Wurzbach II, 82.

Wenn man jemandes in übelm Sinne gedenkt. Agricola führt zur Erklärung der Redensart Folgendes an: "Ein Hertzog von Brunschwig hat einen vogt gehabt zu Wolffenbüttel. Dieser ist von seines herren wegen ynn der stadt vil leutten schuldig gewesen. Nur batten [Spaltenumbruch] yhn die leutte, denen er schuldig war, er wolle yhr gedencken gegen dem Fursten vnnd anhalten, dass sie mochten bezalt werden. Wenn er nun von Wolffenbuttel ausszoge nach der Stadt zu, vnd vber die schlossbrucken reyt, sagte er: Alle plagen gehen den an, welcher mich heut manen wird. Die leutte fragten yhn, ob er yhr auch gedacht hette. Da sagte er: Ja, heut gedacht ich ewer, da ich daheym vber die brucke reytt. Es war aber ynn keinem guten (Sinn) geschehen."

*17 Hettestu seiner ehe gedacht, er were ehe kommen. - Tappius, 46a.

*18 Ich gedencks also bei mir selbs. - Franck, II, 94a.

*19 Ich werde dir's gedenken. - Struve, II, 29.

*20 Man gedencks nicht so lang, als der Schnee im Mertzen ligt. - Lehmann, 780, 7.

*21 Man gedenckt sein, wie dess Pilatus ym Credo. - Agricola I, 633; Gruter, I, 56; Henisch, 1405, 24; Guttenstein, I, 138; Schottel, 1138b.

Wenn man jemandes nur von einer übeln Seite erwähnt. Anspielung auf die Worte im Glauben: "Gelitten unter Pontio Pilato", wo zwar dem Pilatus ein Gedächtniss gesetzt ist, aber nicht gerade zu seiner Verherrlichung.

*22 Man gedenckt seiner, wie dess Bileams in Mose, Judai in der Passion und dess Pilati im Credo. - Mathesy, 395a.

"Zur Schmach und Schande."

*23 Man gedenkt seiner, wie eines bösen Pfennigs.

*24 Ni gedocht und nie gebrocht.

Jüdisch-deutscher Fluch.

*25 'S gedenkt mich nog ungeschan ze sin, das Dink. (Schles.) - Frommann, III, 247, 213.

*26 War koan a oalles gedencken! - Gomolcke, 1060.


Gedicht.

1 Bös Gedicht wird bald zunicht.

2 Es ist nicht alles dicht1, was der Piffel2 gicht. - Henisch, 1615.

1) Dichtung, Gedicht, erdichtet, erfunden, aus der Luft gegriffen.

2) Pöbel.


Geding.

1 Alle Gedinge brechen gemeines Recht. - Graf, 24, 260.

Dies Sprichwort gibt den Massstab, nach welchem einzelne Rechtsgeschäfte zu beurtheilen sind. Zunächst entscheidet das besondere Uebereinkommen - Gedinge, Gelübde, Willkür - mit Ausschluss aller andern Rechte; und, wenn der Gegenstand nicht öffentliche, sondern nur die Rechte der Vertragenden betrifft, auch gegen jedes andere Gesetz, sei dies Land-, Stadt- oder gemeines Recht.

Mhd.: Alle gedinge brechen eyne gemeine recht. (Weichbildsglosse bei Daniels und Gruben, Rechtsdenkmäler des deutschen Mittelalters, 304, 1.)

2 Am Gedinge ist keine Folge. - Pistor., IV, 58; Hertius, II, 21; Eisenhart, 689; Simrock, 3134; Hillebrand, 801, 109; Eiselein, 214; Graf, 560, 82.

Das Sprichwort hat seine Quelle im sächsischen Lehnrecht. Die juridische Grundbedeutung von "Gedinge" ist "Vertrag" oder "Verabredung". (Vgl. Grimm, Rechtsalt., 600; Schmeller, I, 379.) Unter Gedinge ist hier die durch ein Versprechen des Lehnsherrn jemand gegebene Anwartschaft auf ein Lehn zu verstehen, das er ihm geben wolle, sobald es erledigt werde. Wenn mit der gegebenen Anwartschaft nicht eine vorläufige Belehnung verbunden ist, so geht der Sinn des Sprichworts vorzüglich dahin, dass solche Anwartschaften widerruflich sind und den Erben desjenigen, der sie erhielt, noch kein Recht auf den Besitz des Lehns geben, wenn ihrer nicht besonders im Gedingbriefe gedacht worden, dass ferner die Kraft der Anwartschaft mit dem Tode des Versprechenden erlischt, sowie sie den gegenwärtigen Besitzer des Lehns in seinen Rechten nicht kränkt.

Mhd.: An 'me gedinge n'is nenn volge. (Homeyer, Sachsenspiegel, Berlin 1827, V, 1.)

3 Gedinge bricht Landrecht und Stadtrecht. - Graf, 24, 258; Eisenhart, 1; Estor, I, 21, 51; Eiselein, 214; Körte, 1823; Simrock, 3133.

Unter Geding ist ein Vertrag, eine Zusage oder ein Gelübde zu verstehen, was auch früher ein "bedingtes Recht" genannt wurde. Das Landrecht enthält die allgemeinen Bestimmungen, die im ganzen Lande zur Richtschnur bei Entscheidung von Streitigkeiten dienen, aber oft da, wo zwischen einzelnen Personen etwas Besonderes festgesetzt worden ist, nicht in Anwendung kommen können. Als Quelle des obigen Rechtssprichworts wird das sächsische Weichbildrecht angegeben: "Wente gelovede brect allerhande recht." (Vgl. auch Hillebrand, 11.)

Mhd.: Gedeinge brechent lantrecht. (Boner.) (Zingerle, 46; Kirchhofer, 42.) - Geding precht lantrecht vnd statrecht. (Ruprecht, II, 53.)

Lat.:Conventio est lex. (Binder I, 231; II, 579.)


[Spaltenumbruch] *117 So viel Gedanken als Löcher in einem Siebe.

Jeder hat seine eigenen Ansichten, so viel Köpfe, so viel Sinne.


Gedärm.

*1 Er hat ein sehr kurzes Gedärm.

Behält nicht lange, was er gehört. In den „Sonntagskindern“ verspottet Schiller das „geniale Geschlecht“, das „heute schon lehren will, was es gestern gelernt“, und schliesst mit dem Ausruf: „Ach was haben die Herren doch für ein kurzes Gedärm!“

*2 Er hat immer sieben Ellen leere Gedärme.


Gedeihen.

1 Es gedeiht nicht jeder Hühnerschmaus.

2 Gedeyet einer, so gedeyet er einem gantzen Geschlecht, verdirbt er, so verdirbt er jhm allein.Henisch, 1407, 19; Petri, II, 325.

3 Wenig gedeiht, viel zerstreut.

4 Wer gedeyen will, der sehe selber zu dem seinigen.Henisch, 1407, 28; Petri, II, 710.

5 Wer will gedeihen, hüte sich vor Leckereien.

*6 Er gedeiht an den Bettelstab.Hans Sachs.

*7 Es gedeiht wie heurisch Trauben, die spritzen hinten wieder heraus.Fischart.

*8 Hat mai dei, of ferderw. (Nordfries.)

Er mag gedeihen oder verderben. Entweder – oder.

*9 He dêt1 as 'n Duvekötel2 in de Sünne. (Ostfries.) – Frommann, V, 528, 640.

1) Gedeiht.

2) Taubendreck.


Gedenken.

1 Daran einer am meisten gedenckt vnd davon einer offt red, das hat er lieb.Lehmann, 467, 100.

2 Der böss gedenckt, dem gibt Gott böss.Lehmann, 240, 46.

3 Der gedenckt allweg zu sterben, der kan nimmermehr verderben.Henisch, 1403, 46.

4 Es gedenkt mich auch noch, sagte des Schultheissen Frau im neuen Schurz und Kurssen, zu den Weibern, dass ich euersgleichen war.Fischart, Gesch.

„Sizt still, sizt still, sagt jenes Schultheissen Fraw im newen Schurtz vnd Kurssen zu den Weibern, die zu dem Evangeli auffstunden, es gedenckt mir auch, dass ich ewers gleichen war.“ (Kloster, VIII, 279.)

5 Es ist einem andern gedacht vnd mir bescheret.Henisch, 1403, 34; Gruter, I, 32.

6 Es mag einer gedencken, was er will, aber reden muss er, was sich gezimt.Lehmann, 239, 27.

7 Gedenck an den Tag, den niemand vermeiden mag.Henisch, 1405, 57.

8 Gedenck der vier letzten stuck, dess Todts, dess Gerichts, der Hölle vnd dess Himmels.Henisch, 1405, 59.

9 Gedencken ist die beste Arznei vor ein schlecht Gedächtniss.

Lat.: Saepe recordari medicamine fortius omni. (Seybold, 535.)

10 Gedenken der besten Zeit macht fliehn von Sünden weit.

11 Gedenken ist zollfrey.Pauli, Schimpf, XXVIIb.

12 Ma koan gedencken, dass kroancken Loiten nich wul ist.Gomolcke, 715; Frommann, III, 410, 398.

13 Vmb gedencken thut man niemand hencken.Franck, II, 88a.

*14 Er gedenckt, das sein Mutter ein Magd gewesen ist.Henisch, 1405, 3.

Lat.: Scit quomodo Jupiter duxerit Junonem. (Henisch, 1405, 4.)

*15 Er gedenkt an den russischen Monat. (Posen.)

Da das russische Jahr 13 Tage später beginnt, so endet es auch um so viel später. Man bedient sich nun dieses Sprichworts, wenn man gegen jemand einen Groll hat, ohne dass man, weil es die Umstände verbieten, die Strafe sofort in Vollzug setzen kann, um anzudeuten, dass aufgeschoben nicht aufgehoben sei, da es ja noch einen Monat hinter dem Jahre gebe.

*16 Habt yhr meiner auch gedacht?Agricola I, 488; Wurzbach II, 82.

Wenn man jemandes in übelm Sinne gedenkt. Agricola führt zur Erklärung der Redensart Folgendes an: „Ein Hertzog von Brunschwig hat einen vogt gehabt zu Wolffenbüttel. Dieser ist von seines herren wegen ynn der stadt vil leutten schuldig gewesen. Nur batten [Spaltenumbruch] yhn die leutte, denen er schuldig war, er wolle yhr gedencken gegen dem Fursten vnnd anhalten, dass sie mochten bezalt werden. Wenn er nun von Wolffenbuttel ausszoge nach der Stadt zu, vnd vber die schlossbrucken reyt, sagte er: Alle plagen gehen den an, welcher mich heut manen wird. Die leutte fragten yhn, ob er yhr auch gedacht hette. Da sagte er: Ja, heut gedacht ich ewer, da ich daheym vber die brucke reytt. Es war aber ynn keinem guten (Sinn) geschehen.“

*17 Hettestu seiner ehe gedacht, er were ehe kommen.Tappius, 46a.

*18 Ich gedencks also bei mir selbs.Franck, II, 94a.

*19 Ich werde dir's gedenken.Struve, II, 29.

*20 Man gedencks nicht so lang, als der Schnee im Mertzen ligt.Lehmann, 780, 7.

*21 Man gedenckt sein, wie dess Pilatus ym Credo.Agricola I, 633; Gruter, I, 56; Henisch, 1405, 24; Guttenstein, I, 138; Schottel, 1138b.

Wenn man jemandes nur von einer übeln Seite erwähnt. Anspielung auf die Worte im Glauben: „Gelitten unter Pontio Pilato“, wo zwar dem Pilatus ein Gedächtniss gesetzt ist, aber nicht gerade zu seiner Verherrlichung.

*22 Man gedenckt seiner, wie dess Bileams in Mose, Judai in der Passion und dess Pilati im Credo.Mathesy, 395a.

„Zur Schmach und Schande.“

*23 Man gedenkt seiner, wie eines bösen Pfennigs.

*24 Ni gedocht und nie gebrocht.

Jüdisch-deutscher Fluch.

*25 'S gedenkt mich nôg ungeschân ze sin, das Dink. (Schles.) – Frommann, III, 247, 213.

*26 War koan a oalles gedencken!Gomolcke, 1060.


Gedicht.

1 Bös Gedicht wird bald zunicht.

2 Es ist nicht alles dicht1, was der Piffel2 gicht.Henisch, 1615.

1) Dichtung, Gedicht, erdichtet, erfunden, aus der Luft gegriffen.

2) Pöbel.


Geding.

1 Alle Gedinge brechen gemeines Recht.Graf, 24, 260.

Dies Sprichwort gibt den Massstab, nach welchem einzelne Rechtsgeschäfte zu beurtheilen sind. Zunächst entscheidet das besondere Uebereinkommen – Gedinge, Gelübde, Willkür – mit Ausschluss aller andern Rechte; und, wenn der Gegenstand nicht öffentliche, sondern nur die Rechte der Vertragenden betrifft, auch gegen jedes andere Gesetz, sei dies Land-, Stadt- oder gemeines Recht.

Mhd.: Alle gedinge brechen eyne gemeine recht. (Weichbildsglosse bei Daniels und Gruben, Rechtsdenkmäler des deutschen Mittelalters, 304, 1.)

2 Am Gedinge ist keine Folge.Pistor., IV, 58; Hertius, II, 21; Eisenhart, 689; Simrock, 3134; Hillebrand, 801, 109; Eiselein, 214; Graf, 560, 82.

Das Sprichwort hat seine Quelle im sächsischen Lehnrecht. Die juridische Grundbedeutung von „Gedinge“ ist „Vertrag“ oder „Verabredung“. (Vgl. Grimm, Rechtsalt., 600; Schmeller, I, 379.) Unter Gedinge ist hier die durch ein Versprechen des Lehnsherrn jemand gegebene Anwartschaft auf ein Lehn zu verstehen, das er ihm geben wolle, sobald es erledigt werde. Wenn mit der gegebenen Anwartschaft nicht eine vorläufige Belehnung verbunden ist, so geht der Sinn des Sprichworts vorzüglich dahin, dass solche Anwartschaften widerruflich sind und den Erben desjenigen, der sie erhielt, noch kein Recht auf den Besitz des Lehns geben, wenn ihrer nicht besonders im Gedingbriefe gedacht worden, dass ferner die Kraft der Anwartschaft mit dem Tode des Versprechenden erlischt, sowie sie den gegenwärtigen Besitzer des Lehns in seinen Rechten nicht kränkt.

Mhd.: An 'me gedinge n'is nenn volge. (Homeyer, Sachsenspiegel, Berlin 1827, V, 1.)

3 Gedinge bricht Landrecht und Stadtrecht.Graf, 24, 258; Eisenhart, 1; Estor, I, 21, 51; Eiselein, 214; Körte, 1823; Simrock, 3133.

Unter Geding ist ein Vertrag, eine Zusage oder ein Gelübde zu verstehen, was auch früher ein „bedingtes Recht“ genannt wurde. Das Landrecht enthält die allgemeinen Bestimmungen, die im ganzen Lande zur Richtschnur bei Entscheidung von Streitigkeiten dienen, aber oft da, wo zwischen einzelnen Personen etwas Besonderes festgesetzt worden ist, nicht in Anwendung kommen können. Als Quelle des obigen Rechtssprichworts wird das sächsische Weichbildrecht angegeben: „Wente gelovede brect allerhande recht.“ (Vgl. auch Hillebrand, 11.)

Mhd.: Gedînge brechent lantrecht. (Boner.) (Zingerle, 46; Kirchhofer, 42.) – Geding precht lantrecht vnd statrecht. (Ruprecht, II, 53.)

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[[700]/0728] *117 So viel Gedanken als Löcher in einem Siebe. Jeder hat seine eigenen Ansichten, so viel Köpfe, so viel Sinne. Gedärm. *1 Er hat ein sehr kurzes Gedärm. Behält nicht lange, was er gehört. In den „Sonntagskindern“ verspottet Schiller das „geniale Geschlecht“, das „heute schon lehren will, was es gestern gelernt“, und schliesst mit dem Ausruf: „Ach was haben die Herren doch für ein kurzes Gedärm!“ *2 Er hat immer sieben Ellen leere Gedärme. Gedeihen. 1 Es gedeiht nicht jeder Hühnerschmaus. 2 Gedeyet einer, so gedeyet er einem gantzen Geschlecht, verdirbt er, so verdirbt er jhm allein. – Henisch, 1407, 19; Petri, II, 325. 3 Wenig gedeiht, viel zerstreut. 4 Wer gedeyen will, der sehe selber zu dem seinigen. – Henisch, 1407, 28; Petri, II, 710. 5 Wer will gedeihen, hüte sich vor Leckereien. *6 Er gedeiht an den Bettelstab. – Hans Sachs. *7 Es gedeiht wie heurisch Trauben, die spritzen hinten wieder heraus. – Fischart. *8 Hat mai dei, of ferderw. (Nordfries.) Er mag gedeihen oder verderben. Entweder – oder. *9 He dêt1 as 'n Duvekötel2 in de Sünne. (Ostfries.) – Frommann, V, 528, 640. 1) Gedeiht. 2) Taubendreck. Gedenken. 1 Daran einer am meisten gedenckt vnd davon einer offt red, das hat er lieb. – Lehmann, 467, 100. 2 Der böss gedenckt, dem gibt Gott böss. – Lehmann, 240, 46. 3 Der gedenckt allweg zu sterben, der kan nimmermehr verderben. – Henisch, 1403, 46. 4 Es gedenkt mich auch noch, sagte des Schultheissen Frau im neuen Schurz und Kurssen, zu den Weibern, dass ich euersgleichen war. – Fischart, Gesch. „Sizt still, sizt still, sagt jenes Schultheissen Fraw im newen Schurtz vnd Kurssen zu den Weibern, die zu dem Evangeli auffstunden, es gedenckt mir auch, dass ich ewers gleichen war.“ (Kloster, VIII, 279.) 5 Es ist einem andern gedacht vnd mir bescheret. – Henisch, 1403, 34; Gruter, I, 32. 6 Es mag einer gedencken, was er will, aber reden muss er, was sich gezimt. – Lehmann, 239, 27. 7 Gedenck an den Tag, den niemand vermeiden mag. – Henisch, 1405, 57. 8 Gedenck der vier letzten stuck, dess Todts, dess Gerichts, der Hölle vnd dess Himmels. – Henisch, 1405, 59. 9 Gedencken ist die beste Arznei vor ein schlecht Gedächtniss. Lat.: Saepe recordari medicamine fortius omni. (Seybold, 535.) 10 Gedenken der besten Zeit macht fliehn von Sünden weit. 11 Gedenken ist zollfrey. – Pauli, Schimpf, XXVIIb. 12 Ma koan gedencken, dass kroancken Loiten nich wul ist. – Gomolcke, 715; Frommann, III, 410, 398. 13 Vmb gedencken thut man niemand hencken. – Franck, II, 88a. *14 Er gedenckt, das sein Mutter ein Magd gewesen ist. – Henisch, 1405, 3. Lat.: Scit quomodo Jupiter duxerit Junonem. (Henisch, 1405, 4.) *15 Er gedenkt an den russischen Monat. (Posen.) Da das russische Jahr 13 Tage später beginnt, so endet es auch um so viel später. Man bedient sich nun dieses Sprichworts, wenn man gegen jemand einen Groll hat, ohne dass man, weil es die Umstände verbieten, die Strafe sofort in Vollzug setzen kann, um anzudeuten, dass aufgeschoben nicht aufgehoben sei, da es ja noch einen Monat hinter dem Jahre gebe. *16 Habt yhr meiner auch gedacht? – Agricola I, 488; Wurzbach II, 82. Wenn man jemandes in übelm Sinne gedenkt. Agricola führt zur Erklärung der Redensart Folgendes an: „Ein Hertzog von Brunschwig hat einen vogt gehabt zu Wolffenbüttel. Dieser ist von seines herren wegen ynn der stadt vil leutten schuldig gewesen. Nur batten yhn die leutte, denen er schuldig war, er wolle yhr gedencken gegen dem Fursten vnnd anhalten, dass sie mochten bezalt werden. Wenn er nun von Wolffenbuttel ausszoge nach der Stadt zu, vnd vber die schlossbrucken reyt, sagte er: Alle plagen gehen den an, welcher mich heut manen wird. Die leutte fragten yhn, ob er yhr auch gedacht hette. Da sagte er: Ja, heut gedacht ich ewer, da ich daheym vber die brucke reytt. Es war aber ynn keinem guten (Sinn) geschehen.“ *17 Hettestu seiner ehe gedacht, er were ehe kommen. – Tappius, 46a. *18 Ich gedencks also bei mir selbs. – Franck, II, 94a. *19 Ich werde dir's gedenken. – Struve, II, 29. *20 Man gedencks nicht so lang, als der Schnee im Mertzen ligt. – Lehmann, 780, 7. *21 Man gedenckt sein, wie dess Pilatus ym Credo. – Agricola I, 633; Gruter, I, 56; Henisch, 1405, 24; Guttenstein, I, 138; Schottel, 1138b. Wenn man jemandes nur von einer übeln Seite erwähnt. Anspielung auf die Worte im Glauben: „Gelitten unter Pontio Pilato“, wo zwar dem Pilatus ein Gedächtniss gesetzt ist, aber nicht gerade zu seiner Verherrlichung. *22 Man gedenckt seiner, wie dess Bileams in Mose, Judai in der Passion und dess Pilati im Credo. – Mathesy, 395a. „Zur Schmach und Schande.“ *23 Man gedenkt seiner, wie eines bösen Pfennigs. *24 Ni gedocht und nie gebrocht. Jüdisch-deutscher Fluch. *25 'S gedenkt mich nôg ungeschân ze sin, das Dink. (Schles.) – Frommann, III, 247, 213. *26 War koan a oalles gedencken! – Gomolcke, 1060. Gedicht. 1 Bös Gedicht wird bald zunicht. 2 Es ist nicht alles dicht1, was der Piffel2 gicht. – Henisch, 1615. 1) Dichtung, Gedicht, erdichtet, erfunden, aus der Luft gegriffen. 2) Pöbel. Geding. 1 Alle Gedinge brechen gemeines Recht. – Graf, 24, 260. Dies Sprichwort gibt den Massstab, nach welchem einzelne Rechtsgeschäfte zu beurtheilen sind. Zunächst entscheidet das besondere Uebereinkommen – Gedinge, Gelübde, Willkür – mit Ausschluss aller andern Rechte; und, wenn der Gegenstand nicht öffentliche, sondern nur die Rechte der Vertragenden betrifft, auch gegen jedes andere Gesetz, sei dies Land-, Stadt- oder gemeines Recht. Mhd.: Alle gedinge brechen eyne gemeine recht. (Weichbildsglosse bei Daniels und Gruben, Rechtsdenkmäler des deutschen Mittelalters, 304, 1.) 2 Am Gedinge ist keine Folge. – Pistor., IV, 58; Hertius, II, 21; Eisenhart, 689; Simrock, 3134; Hillebrand, 801, 109; Eiselein, 214; Graf, 560, 82. Das Sprichwort hat seine Quelle im sächsischen Lehnrecht. Die juridische Grundbedeutung von „Gedinge“ ist „Vertrag“ oder „Verabredung“. (Vgl. Grimm, Rechtsalt., 600; Schmeller, I, 379.) Unter Gedinge ist hier die durch ein Versprechen des Lehnsherrn jemand gegebene Anwartschaft auf ein Lehn zu verstehen, das er ihm geben wolle, sobald es erledigt werde. Wenn mit der gegebenen Anwartschaft nicht eine vorläufige Belehnung verbunden ist, so geht der Sinn des Sprichworts vorzüglich dahin, dass solche Anwartschaften widerruflich sind und den Erben desjenigen, der sie erhielt, noch kein Recht auf den Besitz des Lehns geben, wenn ihrer nicht besonders im Gedingbriefe gedacht worden, dass ferner die Kraft der Anwartschaft mit dem Tode des Versprechenden erlischt, sowie sie den gegenwärtigen Besitzer des Lehns in seinen Rechten nicht kränkt. Mhd.: An 'me gedinge n'is nenn volge. (Homeyer, Sachsenspiegel, Berlin 1827, V, 1.) 3 Gedinge bricht Landrecht und Stadtrecht. – Graf, 24, 258; Eisenhart, 1; Estor, I, 21, 51; Eiselein, 214; Körte, 1823; Simrock, 3133. Unter Geding ist ein Vertrag, eine Zusage oder ein Gelübde zu verstehen, was auch früher ein „bedingtes Recht“ genannt wurde. Das Landrecht enthält die allgemeinen Bestimmungen, die im ganzen Lande zur Richtschnur bei Entscheidung von Streitigkeiten dienen, aber oft da, wo zwischen einzelnen Personen etwas Besonderes festgesetzt worden ist, nicht in Anwendung kommen können. Als Quelle des obigen Rechtssprichworts wird das sächsische Weichbildrecht angegeben: „Wente gelovede brect allerhande recht.“ (Vgl. auch Hillebrand, 11.) Mhd.: Gedînge brechent lantrecht. (Boner.) (Zingerle, 46; Kirchhofer, 42.) – Geding precht lantrecht vnd statrecht. (Ruprecht, II, 53.) Lat.:Conventio est lex. (Binder I, 231; II, 579.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. [700]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/728>, abgerufen am 22.11.2024.