Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.[Spaltenumbruch]
Eselsfresser. * Ein Eselsfresser sein. Ein alter Spottname der Schlesier und, nach Grimm, Weisth., III, 1151, auch der Dransfelder, wie anderer, über dessen Ursprung viel Meinungen vernommen worden sind. Nach einer Sage sollen die Schlesier in den Zeiten ihrer ersten Roheit eine Eselin für einen grossen Hasen gehalten und verschmaust haben. Eine andere Sage erklärt den Ursprung so: Es sei einmal eine Gesandtschaft aus Schlesien nach Wien oder sonst wohin gegangen und habe zum Geschenk für die Behörde die Geburt Christi in silbernen Figuren mitgenommen. Da sie aber lange habe warten müssen, ehe sie Audienz erhalten, so sei sie genöthigt gewesen, den silbernen Esel aus der Gruppe zu verkaufen, um ihre Zehrung zu bezahlen. (Vgl. K. v. Holtei, Die Eselsfresser, III, 97.) Andere suchen den Ausdruck dadurch zu erklären, dass sie ihn von dem ergiebigen Bergwerk, welches bei Reichenstein war und den Namen "der goldene Esel" führte, ableiten. "Nachdem die einheimischen Bergleute", erzählt ein alter Schriftsteller, "keine Fremden auf diesem Gebirge zu lassen wollten, haben die Ausländer aus Aerger gesagt, dass die Schlesier so eifrig auf den goldenen Esel beflissen wären, als wollten sie denselben ganz allein auffressen." (Fülleborn, Breslauer Erzähler, 1800, S. 518.) Magister Kaspar Sommer hat in einer weitläufigen lateinischen Abhandlung, die im Deliciarum manipulo deutsch zu lesen ist, den Ausdruck für eine Metapher erklärt. (Breslauer Erzähler, 1809, S. 547-548.) Es darf hier auch eine jetzt sehr seltene Flugschrift nicht unerwähnt bleiben, die ohne Jahrzahl und Druckort unter dem Titel erschienen ist: Neuer Schlesische Eselsfraass. Die Plutonische Reformation vnd verdauliche Religions-Verkehrung, die Martialische invasion vnd Kriegssichtige Bestürtzung, die Cyclopische Expilation vnd zerüttliche Plünderung des Landes Schlesiens vnd dass sich keiner, auch aus der frembde des Eselsfrasses entschütten könne, andeutende. Das Ganze ist eine poetische Satire. Eine auf dem Zobtenberge aufgestellte, aber mit einem Esel, an welchem allerlei Insignien des römischen Cultus angebracht sind, gekrönte Säule wird umgestürzt, und nun fallen alle Völker über den Esel her und suchen etwas von seinem Fleische zu erhalten. Fülleborn (Breslauer Erzähler, 1800, S. 690) gibt einen Auszug aus der seltenen Schrift. - Ueber die schlesische Eselsfresserei sind übrigens zu seiner Zeit eine Menge Schriften erschienen, vgl. Otto's Lexikon der oberlausitzischen Schriftsteller. Damit ist zu vergleichen der Aufsatz: Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen und Schlesien u. s. w. in der Zeitung für die elegante Wett, 1824, Nr. 128-132; auch Schickufius, lib. 4, c. 1. In neuester Zeit hat K. v. Holtei diesen Spottnamen der Schlesier zum Titel eines 1859 in Breslau erschienenen Romans in drei Bänden, Die Eselsfresser, gewählt. Er lässt dort (I, 257) die Gelehrten Folgendes mittheilen: "Xenophon gedenkt (Cyropaedia, lib. I) des Esels öfter und rechnet ihn unter die jagdbaren Thiere Arabiens. Die heutigen Perser schätzen sein Fleisch höher als jenes der Antilope, und wenn Herodot (Clio, 133) die Esel zu denjenigen Thieren zählt, welche von reichen Leuten ganz gebraten und verzehrt werden, so konnte er nur den wilden Esel meinen, von dem bei uns nicht die Rede ist. Aber auf einem andern Wege nähern wir uns vielleicht doch den Persern und Indern, auf dem des Pferdeopfers, welches bei ihnen so, wie bei unsern Vorfahren für das vornehmste und feierlichste galt. Und auf eben diesem Wege scheint der alte schlesische Sinapius (Oelsnographia, I, 342, 3) die richtige Deutung und Herleitung des Spottnamens Eselsfresser zu finden. >Dem Gotte Jovi Sabotho (Bacho), eigentlich der Sonne, als dem Ursprunge aller Früchte, vorzüglich des Weinstocks, opferten die alten schlesischen Einwohner auf dem Berge, welcher daher Sabothus oder Zobtenberg heisset, wie sie denn auch den Silenum, des Bachi Gefährten, als einen Gott oder Halbgott verehrten, dahero der Berg nicht allein Sabothus, sondern auch Silenus benamet worden. Nach Bekehrung der Schlesier zum Christenthum entstand die Fabel, Schlesien sei deswegen so wenig mit Weinbergen vom Bacchus gesegnet, weil es den Esel des Sileni (dieser wurde auf einem Esel reitend abgebildet) gefressen, das will sagen, weil es nach abgeschworenem Heidenthume den Bacchus und Silenus (göttlich) zu verehren aufgehört habe, wiewol insgemein den Schlesiern die Benennung Eselsfresser vom Reichensteinschen Gold- und Silberbergwerke aufgebürdet wird.< So weit Sinapius. Wie übrigens die Hyperboreer dem Apollo, so können leichtlich die Schlesier ihrem Sabothus Esel geschlachtet, diese statt der Pferde geopfert und - verzehrt haben." Fischart in seiner Geschichtsklitterung sagt: "Wenn dies gelten sollte, möchte einer ein jeden hautjuckigen Vogel für einen Gauch ansehen, ein' Sau für einen Baier, ein' schlesischen Esel für aller Hasen Grossmutter, ein pommerisch Storkennest für Salat." Logau v. 1777 singt: Dass Schlesier haben den Esel gefressen, ist entweder nichts oder bleibet vergessen, sonst würden die Fremden sich eigen gewöhnen, nach schlesischem Futter sich nimmer zu sehnen. Ein Blatt mit lateinischen hierauf bezüglichen Distichen aus dem 15. Jahrhundert, das sich in den Händen W. [Spaltenumbruch] Wackernagel's befindet, hat derselbe in Haupt's Zeitschrift für deutsches Alterthum, VI, 254, abdrucken lassen. Wie die Schlesier Eselsfresser, so heissen die Brugger Chriesisüppler, die Lenzburger Schabziegerstückli, die Aaraner Pappenhauer, die Oltner Frösche, die Aarburger Schnecken, die Zofinger Ochsen. Die Entstehung dieser Spitznamen erzählt der Volkswitz so: Als der Papst Martin von der kostnitzer Kirchenversammlung nach Italien zurückreiste, berührte er die obigen Ortschaften, deren Bewohner ihm dadurch eine besondere Ehre anzuthun glaubten, dass sie ihn alle mit ihrem eigenen Lieblingsgericht bewirtheten, das Beste, was sie kannten. So kochten ihm die Brugger eine rosenrothe Kirschsuppe, die Lenzburger liessen ihm einen scharfduftenden grünen Ziegenkäse auftragen; die Aarauer setzten ihm eine Schüssel weissen Mehlbrei vor, die Oltner eine breite Froschsuppe, die Aarburger überraschten ihn mit einem Gericht Schnecken. In Zofingen endlich hörten die Fastenspeisen auf. Zwölf Schulknaben declamirten ihm lateinische Verse und hinter ihnen schritt ein mit Kapaunen und Fasanen behangener Mastochse. Her Papst war so erfreut, dass er auf der Stelle ein Schülerstipendium stiftete, das noch jetzt vertheilt wird. Obgleich die Zofinger Ochsen heissen, so sind sie doch bisjetzt gute Lateiner geblieben. Von andern schweizer Spitznamen noch folgende: Die Kurzenberger im Canton Appenzell heissen Chorzabergerchropf oder Chorzabergerchröpfi, weil die Kröpfe dort sehr häufig vorkommen. (Vgl. Tobler, 117.) Die Walzenhauser werden Schnetzlifresser (Schnetzler oder Schnitzler = Schnitzer bei Holzarbeiten) genannt (Tobler, 394) und die Ellikaner Schweine. (S. Eber 5.) Riehl (Land und Leute, S. 144;) erzählt: "Wenn sich vordem Boote von Wollin, Cammin oder Gollnow auf der Oder begegneten, so eröffneten sie ein kleines Gefecht mit Wasserspritzen gegeneinander, und die Wolliner wurden dabei als Stintköppe, die Camminer als Plunderköppe, die Gollnower als Pomuffelsköppe begrüsst." - Aehnliche Beinamen führen die Anklamer, Greifswalder, Kösliner und Stralsunder, deren Erklärung sich in den Baltischen Studien, III, 1, 234 fg. findet. Man nennt übrigens nicht blos die Schlesier Eselsfresser, auch die Leute von Neuffen (Würtemberg) erhalten diesen Spottnamen. Es wird nämlich erzählt, die Festung Hohenneuffen sei während des Dreissigjährigen Kriegs sieben Jahre von den Schweden belagert worden und die Besatzung, welche bereits die grösste Noth gelitten, habe endlich mit ihrem letzten Dinkel den Esel gefüttert, der ihnen sonst das Wasser herauftragen musste, ihn sodann geschlachtet, um ihn zu verzehren und den vollgefüllten Wanst über die Mauer der Festung hinabgeworfen. Als der Feind, welcher schon auf die Uebergabe der Festung gehofft, dies gesehen habe, sei er der Meinung geworden, die Belagerten müssten noch reichen Vorrath an Lebensmitteln haben und sei deshalb abgezogen. Von diesem Vorgange sollen die Einwohner von Stadt und Festung den Namen Eselsfresser erhalten haben. (Reinsberg V, 95.) Eine Zusammenstellung von Spitznamen aus dem Lesachthale (Kärnten) hat M. Lexer (Frommann, IV, 158) begonnen. Danach heissen die Bewohner von Kötschach Schörg'n, weil sich viele zu Gerichtsboten verwenden liessen; die von Mauten Heuziechar; die von Drauburg an der tiroler Grenze Aufsechar (Aufseher, Grenzwächter, weil sie auf die Pascher merken); die von Sanct-Jacob Inventierar (Inventarier, Aufzeichner); die von Kornat Armasealn; die von Liesing Wedl, womit Leute gemeint sind, die immer Recht haben wollen und denen Process führen Freude macht; die von Sanct-Lorenzen Groassmachar; die von Luggau Räfar (Raufer, Zänker); die von Obergail, weil viel Krumme darunter sind, Kraschink'n; die von Palas Knöpfe. - Werfen wir einen Blick in die Provinz Preussen, so finden wir, dass die Einwohner von Schöppenbeil Bärenstecher und Erbsenschmecker, die von Fischhausen Gildekneiper (d. i. Zunftfuscher) und Möckeprötscher (Mückenspritzer), die von Königsberg Glomsnickels und Sperlingsschlucker genannt werden. (Vgl. Frischbier, Nr. 160, 260a und 267; ferner den Abschnitt Lokalspötterei in Sagen des preussischen Samlandes von R. Reusch, Königsberg 1860, S. 113.) Das Völklein der Schild- oder Lalenbürger, der Krähwinkler, Polkwitzer, Scheppenstädter oder wie sie sich sonst nennen mögen, hat seine Wohnsitze keineswegs nur in Deutschland, es findet sich auch zerstreut in allen Nachbarländern, wenn auch unter andern Namen, und von den ausserdeutschen Narrenort- oder Landschaften werden mitunter genau dieselben Geschichtchen erzählt, wie von denen unsers Stammes. Nach einem dänischen Sprichwort muss sich auch die Eselsfresserei selbst nicht blos auf die Deutschen beschränken, sondern allgemein sein. Danach hat nämlich jeder etwas vom Esel gekostet: Alle have aedt noget af eselet. (Prov. dan., 20 u. 147.) Wie Schlesien seine Eselsfreser, Schwaben seine Sensenschmecker, seine Mondfänger, seine Gelbfüssler, sein Bopfingen und seine Ganslosen hat, so besitzt die französische Landschaft Berry ihre Moutons, und die Begabung der Gascogner, schnell zu denken und grosse Worte gelassen auszusprechen, ist sprichwörtlich. Wie Schles wig-Holstein seine Büsumer und seine Forkbecker, Mecklenburg seine Teterower, Westpreussen seine Domnauer, Franken seine [Spaltenumbruch]
Eselsfresser. * Ein Eselsfresser sein. Ein alter Spottname der Schlesier und, nach Grimm, Weisth., III, 1151, auch der Dransfelder, wie anderer, über dessen Ursprung viel Meinungen vernommen worden sind. Nach einer Sage sollen die Schlesier in den Zeiten ihrer ersten Roheit eine Eselin für einen grossen Hasen gehalten und verschmaust haben. Eine andere Sage erklärt den Ursprung so: Es sei einmal eine Gesandtschaft aus Schlesien nach Wien oder sonst wohin gegangen und habe zum Geschenk für die Behörde die Geburt Christi in silbernen Figuren mitgenommen. Da sie aber lange habe warten müssen, ehe sie Audienz erhalten, so sei sie genöthigt gewesen, den silbernen Esel aus der Gruppe zu verkaufen, um ihre Zehrung zu bezahlen. (Vgl. K. v. Holtei, Die Eselsfresser, III, 97.) Andere suchen den Ausdruck dadurch zu erklären, dass sie ihn von dem ergiebigen Bergwerk, welches bei Reichenstein war und den Namen „der goldene Esel“ führte, ableiten. „Nachdem die einheimischen Bergleute“, erzählt ein alter Schriftsteller, „keine Fremden auf diesem Gebirge zu lassen wollten, haben die Ausländer aus Aerger gesagt, dass die Schlesier so eifrig auf den goldenen Esel beflissen wären, als wollten sie denselben ganz allein auffressen.“ (Fülleborn, Breslauer Erzähler, 1800, S. 518.) Magister Kaspar Sommer hat in einer weitläufigen lateinischen Abhandlung, die im Deliciarum manipulo deutsch zu lesen ist, den Ausdruck für eine Metapher erklärt. (Breslauer Erzähler, 1809, S. 547-548.) Es darf hier auch eine jetzt sehr seltene Flugschrift nicht unerwähnt bleiben, die ohne Jahrzahl und Druckort unter dem Titel erschienen ist: Neuer Schlesische Eselsfraass. Die Plutonische Reformation vnd verdauliche Religions-Verkehrung, die Martialische invasion vnd Kriegssichtige Bestürtzung, die Cyclopische Expilation vnd zerüttliche Plünderung des Landes Schlesiens vnd dass sich keiner, auch aus der frembde des Eselsfrasses entschütten könne, andeutende. Das Ganze ist eine poetische Satire. Eine auf dem Zobtenberge aufgestellte, aber mit einem Esel, an welchem allerlei Insignien des römischen Cultus angebracht sind, gekrönte Säule wird umgestürzt, und nun fallen alle Völker über den Esel her und suchen etwas von seinem Fleische zu erhalten. Fülleborn (Breslauer Erzähler, 1800, S. 690) gibt einen Auszug aus der seltenen Schrift. – Ueber die schlesische Eselsfresserei sind übrigens zu seiner Zeit eine Menge Schriften erschienen, vgl. Otto's Lexikon der oberlausitzischen Schriftsteller. Damit ist zu vergleichen der Aufsatz: Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen und Schlesien u. s. w. in der Zeitung für die elegante Wett, 1824, Nr. 128-132; auch Schickufius, lib. 4, c. 1. In neuester Zeit hat K. v. Holtei diesen Spottnamen der Schlesier zum Titel eines 1859 in Breslau erschienenen Romans in drei Bänden, Die Eselsfresser, gewählt. Er lässt dort (I, 257) die Gelehrten Folgendes mittheilen: „Xenophon gedenkt (Cyropaedia, lib. I) des Esels öfter und rechnet ihn unter die jagdbaren Thiere Arabiens. Die heutigen Perser schätzen sein Fleisch höher als jenes der Antilope, und wenn Herodot (Clio, 133) die Esel zu denjenigen Thieren zählt, welche von reichen Leuten ganz gebraten und verzehrt werden, so konnte er nur den wilden Esel meinen, von dem bei uns nicht die Rede ist. Aber auf einem andern Wege nähern wir uns vielleicht doch den Persern und Indern, auf dem des Pferdeopfers, welches bei ihnen so, wie bei unsern Vorfahren für das vornehmste und feierlichste galt. 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Nach Bekehrung der Schlesier zum Christenthum entstand die Fabel, Schlesien sei deswegen so wenig mit Weinbergen vom Bacchus gesegnet, weil es den Esel des Sileni (dieser wurde auf einem Esel reitend abgebildet) gefressen, das will sagen, weil es nach abgeschworenem Heidenthume den Bacchus und Silenus (göttlich) zu verehren aufgehört habe, wiewol insgemein den Schlesiern die Benennung Eselsfresser vom Reichensteinschen Gold- und Silberbergwerke aufgebürdet wird.‹ So weit Sinapius. Wie übrigens die Hyperboreer dem Apollo, so können leichtlich die Schlesier ihrem Sabothus Esel geschlachtet, diese statt der Pferde geopfert und – verzehrt haben.“ Fischart in seiner Geschichtsklitterung sagt: „Wenn dies gelten sollte, möchte einer ein jeden hautjuckigen Vogel für einen Gauch ansehen, ein' Sau für einen Baier, ein' schlesischen Esel für aller Hasen Grossmutter, ein pommerisch Storkennest für Salat.“ Logau v. 1777 singt: Dass Schlesier haben den Esel gefressen, ist entweder nichts oder bleibet vergessen, sonst würden die Fremden sich eigen gewöhnen, nach schlesischem Futter sich nimmer zu sehnen. Ein Blatt mit lateinischen hierauf bezüglichen Distichen aus dem 15. Jahrhundert, das sich in den Händen W. [Spaltenumbruch] Wackernagel's befindet, hat derselbe in Haupt's Zeitschrift für deutsches Alterthum, VI, 254, abdrucken lassen. Wie die Schlesier Eselsfresser, so heissen die Brugger Chriesisüppler, die Lenzburger Schabziegerstückli, die Aaraner Pappenhauer, die Oltner Frösche, die Aarburger Schnecken, die Zofinger Ochsen. Die Entstehung dieser Spitznamen erzählt der Volkswitz so: Als der Papst Martin von der kostnitzer Kirchenversammlung nach Italien zurückreiste, berührte er die obigen Ortschaften, deren Bewohner ihm dadurch eine besondere Ehre anzuthun glaubten, dass sie ihn alle mit ihrem eigenen Lieblingsgericht bewirtheten, das Beste, was sie kannten. So kochten ihm die Brugger eine rosenrothe Kirschsuppe, die Lenzburger liessen ihm einen scharfduftenden grünen Ziegenkäse auftragen; die Aarauer setzten ihm eine Schüssel weissen Mehlbrei vor, die Oltner eine breite Froschsuppe, die Aarburger überraschten ihn mit einem Gericht Schnecken. In Zofingen endlich hörten die Fastenspeisen auf. Zwölf Schulknaben declamirten ihm lateinische Verse und hinter ihnen schritt ein mit Kapaunen und Fasanen behangener Mastochse. Her Papst war so erfreut, dass er auf der Stelle ein Schülerstipendium stiftete, das noch jetzt vertheilt wird. Obgleich die Zofinger Ochsen heissen, so sind sie doch bisjetzt gute Lateiner geblieben. Von andern schweizer Spitznamen noch folgende: Die Kurzenberger im Canton Appenzell heissen Chorzabergerchropf oder Chorzabergerchröpfi, weil die Kröpfe dort sehr häufig vorkommen. (Vgl. Tobler, 117.) Die Walzenhauser werden Schnetzlifresser (Schnetzler oder Schnitzler = Schnitzer bei Holzarbeiten) genannt (Tobler, 394) und die Ellikaner Schweine. (S. Eber 5.) Riehl (Land und Leute, S. 144;) erzählt: „Wenn sich vordem Boote von Wollin, Cammin oder Gollnow auf der Oder begegneten, so eröffneten sie ein kleines Gefecht mit Wasserspritzen gegeneinander, und die Wolliner wurden dabei als Stintköppe, die Camminer als Plunderköppe, die Gollnower als Pomuffelsköppe begrüsst.“ – Aehnliche Beinamen führen die Anklamer, Greifswalder, Kösliner und Stralsunder, deren Erklärung sich in den Baltischen Studien, III, 1, 234 fg. findet. Man nennt übrigens nicht blos die Schlesier Eselsfresser, auch die Leute von Neuffen (Würtemberg) erhalten diesen Spottnamen. Es wird nämlich erzählt, die Festung Hohenneuffen sei während des Dreissigjährigen Kriegs sieben Jahre von den Schweden belagert worden und die Besatzung, welche bereits die grösste Noth gelitten, habe endlich mit ihrem letzten Dinkel den Esel gefüttert, der ihnen sonst das Wasser herauftragen musste, ihn sodann geschlachtet, um ihn zu verzehren und den vollgefüllten Wanst über die Mauer der Festung hinabgeworfen. Als der Feind, welcher schon auf die Uebergabe der Festung gehofft, dies gesehen habe, sei er der Meinung geworden, die Belagerten müssten noch reichen Vorrath an Lebensmitteln haben und sei deshalb abgezogen. Von diesem Vorgange sollen die Einwohner von Stadt und Festung den Namen Eselsfresser erhalten haben. (Reinsberg V, 95.) Eine Zusammenstellung von Spitznamen aus dem Lesachthale (Kärnten) hat M. Lexer (Frommann, IV, 158) begonnen. Danach heissen die Bewohner von Kötschach Schörg'n, weil sich viele zu Gerichtsboten verwenden liessen; die von Mauten Heuziechar; die von Drauburg an der tiroler Grenze Aufsechar (Aufseher, Grenzwächter, weil sie auf die Pascher merken); die von Sanct-Jacob Inventierar (Inventarier, Aufzeichner); die von Kornat Armasealn; die von Liesing Wêdl, womit Leute gemeint sind, die immer Recht haben wollen und denen Process führen Freude macht; die von Sanct-Lorenzen Groassmachar; die von Luggau Räfar (Raufer, Zänker); die von Obergail, weil viel Krumme darunter sind, Krâschink'n; die von Palas Knöpfe. – Werfen wir einen Blick in die Provinz Preussen, so finden wir, dass die Einwohner von Schöppenbeil Bärenstecher und Erbsenschmecker, die von Fischhausen Gildeknîper (d. i. Zunftfuscher) und Möckeprötscher (Mückenspritzer), die von Königsberg Glomsnickels und Sperlingsschlucker genannt werden. (Vgl. Frischbier, Nr. 160, 260a und 267; ferner den Abschnitt Lokalspötterei in Sagen des preussischen Samlandes von R. Reusch, Königsberg 1860, S. 113.) Das Völklein der Schild- oder Lalenbürger, der Krähwinkler, Polkwitzer, Scheppenstädter oder wie sie sich sonst nennen mögen, hat seine Wohnsitze keineswegs nur in Deutschland, es findet sich auch zerstreut in allen Nachbarländern, wenn auch unter andern Namen, und von den ausserdeutschen Narrenort- oder Landschaften werden mitunter genau dieselben Geschichtchen erzählt, wie von denen unsers Stammes. Nach einem dänischen Sprichwort muss sich auch die Eselsfresserei selbst nicht blos auf die Deutschen beschränken, sondern allgemein sein. Danach hat nämlich jeder etwas vom Esel gekostet: Alle have ædt noget af eselet. (Prov. dan., 20 u. 147.) 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So kochten ihm die Brugger eine rosenrothe Kirschsuppe, die Lenzburger liessen ihm einen scharfduftenden grünen Ziegenkäse auftragen; die Aarauer setzten ihm eine Schüssel weissen Mehlbrei vor, die Oltner eine breite Froschsuppe, die Aarburger überraschten ihn mit einem Gericht Schnecken. In Zofingen endlich hörten die Fastenspeisen auf. Zwölf Schulknaben declamirten ihm lateinische Verse und hinter ihnen schritt ein mit Kapaunen und Fasanen behangener Mastochse. Her Papst war so erfreut, dass er auf der Stelle ein Schülerstipendium stiftete, das noch jetzt vertheilt wird. Obgleich die Zofinger Ochsen heissen, so sind sie doch bisjetzt gute Lateiner geblieben. Von andern schweizer Spitznamen noch folgende: Die Kurzenberger im Canton Appenzell heissen Chorzabergerchropf oder Chorzabergerchröpfi, weil die Kröpfe dort sehr häufig vorkommen. (Vgl. <hi rendition="#i">Tobler, 117.</hi>) Die Walzenhauser werden Schnetzlifresser (Schnetzler oder Schnitzler = Schnitzer bei Holzarbeiten) genannt (<hi rendition="#i">Tobler, 394</hi>) und die Ellikaner Schweine. (S. Eber 5.)</p><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#i">Riehl</hi> (<hi rendition="#i">Land und Leute, S. 144;</hi>) erzählt: „Wenn sich vordem Boote von Wollin, Cammin oder Gollnow auf der Oder begegneten, so eröffneten sie ein kleines Gefecht mit Wasserspritzen gegeneinander, und die Wolliner wurden dabei als Stintköppe, die Camminer als Plunderköppe, die Gollnower als Pomuffelsköppe begrüsst.“ – Aehnliche Beinamen führen die Anklamer, Greifswalder, Kösliner und Stralsunder, deren Erklärung sich in den <hi rendition="#i">Baltischen Studien, III,</hi> 1, 234 fg. findet. Man nennt übrigens nicht blos die Schlesier Eselsfresser, auch die Leute von Neuffen (Würtemberg) erhalten diesen Spottnamen. Es wird nämlich erzählt, die Festung Hohenneuffen sei während des Dreissigjährigen Kriegs sieben Jahre von den Schweden belagert worden und die Besatzung, welche bereits die grösste Noth gelitten, habe endlich mit ihrem letzten Dinkel den Esel gefüttert, der ihnen sonst das Wasser herauftragen musste, ihn sodann geschlachtet, um ihn zu verzehren und den vollgefüllten Wanst über die Mauer der Festung hinabgeworfen. Als der Feind, welcher schon auf die Uebergabe der Festung gehofft, dies gesehen habe, sei er der Meinung geworden, die Belagerten müssten noch reichen Vorrath an Lebensmitteln haben und sei deshalb abgezogen. Von diesem Vorgange sollen die Einwohner von Stadt und Festung den Namen Eselsfresser erhalten haben. (<hi rendition="#i">Reinsberg V, 95.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et">Eine Zusammenstellung von Spitznamen aus dem Lesachthale (Kärnten) hat <hi rendition="#i">M. Lexer</hi> (<hi rendition="#i">Frommann, IV, 158</hi>) begonnen. Danach heissen die Bewohner von Kötschach Schörg'n, weil sich viele zu Gerichtsboten verwenden liessen; die von Mauten Heuziechar; die von Drauburg an der tiroler Grenze Aufsechar (Aufseher, Grenzwächter, weil sie auf die Pascher merken); die von Sanct-Jacob Inventierar (Inventarier, Aufzeichner); die von Kornat Armasealn; die von Liesing Wêdl, womit Leute gemeint sind, die immer Recht haben wollen und denen Process führen Freude macht; die von Sanct-Lorenzen Groassmachar; die von Luggau Räfar (Raufer, Zänker); die von Obergail, weil viel Krumme darunter sind, Krâschink'n; die von Palas Knöpfe. – Werfen wir einen Blick in die Provinz Preussen, so finden wir, dass die Einwohner von Schöppenbeil Bärenstecher und Erbsenschmecker, die von Fischhausen Gildeknîper (d. i. Zunftfuscher) und Möckeprötscher (Mückenspritzer), die von Königsberg Glomsnickels und Sperlingsschlucker genannt werden. (Vgl. <hi rendition="#i">Frischbier, Nr. 160, 260<hi rendition="#sup">a</hi> und 267;</hi> ferner den Abschnitt Lokalspötterei in Sagen des preussischen Samlandes von <hi rendition="#i">R. Reusch, Königsberg 1860, S. 113.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et">Das Völklein der Schild- oder Lalenbürger, der Krähwinkler, Polkwitzer, Scheppenstädter oder wie sie sich sonst nennen mögen, hat seine Wohnsitze keineswegs nur in Deutschland, es findet sich auch zerstreut in allen Nachbarländern, wenn auch unter andern Namen, und von den ausserdeutschen Narrenort- oder Landschaften werden mitunter genau dieselben Geschichtchen erzählt, wie von denen unsers Stammes. Nach einem dänischen Sprichwort muss sich auch die Eselsfresserei selbst nicht blos auf die Deutschen beschränken, sondern allgemein sein. Danach hat nämlich jeder etwas vom Esel gekostet: Alle have ædt noget af eselet. (<hi rendition="#i">Prov. dan., 20 u. 147.</hi>) Wie Schlesien seine Eselsfreser, Schwaben seine Sensenschmecker, seine Mondfänger, seine Gelbfüssler, sein Bopfingen und seine Ganslosen hat, so besitzt die französische Landschaft Berry ihre Moutons, und die Begabung der Gascogner, schnell zu denken und grosse Worte gelassen auszusprechen, ist sprichwörtlich. Wie Schles wig-Holstein seine Büsumer und seine Forkbecker, Mecklenburg seine Teterower, Westpreussen seine Domnauer, Franken seine </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[441]/0469]
Eselsfresser.
* Ein Eselsfresser sein.
Ein alter Spottname der Schlesier und, nach Grimm, Weisth., III, 1151, auch der Dransfelder, wie anderer, über dessen Ursprung viel Meinungen vernommen worden sind. Nach einer Sage sollen die Schlesier in den Zeiten ihrer ersten Roheit eine Eselin für einen grossen Hasen gehalten und verschmaust haben. Eine andere Sage erklärt den Ursprung so: Es sei einmal eine Gesandtschaft aus Schlesien nach Wien oder sonst wohin gegangen und habe zum Geschenk für die Behörde die Geburt Christi in silbernen Figuren mitgenommen. Da sie aber lange habe warten müssen, ehe sie Audienz erhalten, so sei sie genöthigt gewesen, den silbernen Esel aus der Gruppe zu verkaufen, um ihre Zehrung zu bezahlen. (Vgl. K. v. Holtei, Die Eselsfresser, III, 97.) Andere suchen den Ausdruck dadurch zu erklären, dass sie ihn von dem ergiebigen Bergwerk, welches bei Reichenstein war und den Namen „der goldene Esel“ führte, ableiten. „Nachdem die einheimischen Bergleute“, erzählt ein alter Schriftsteller, „keine Fremden auf diesem Gebirge zu lassen wollten, haben die Ausländer aus Aerger gesagt, dass die Schlesier so eifrig auf den goldenen Esel beflissen wären, als wollten sie denselben ganz allein auffressen.“ (Fülleborn, Breslauer Erzähler, 1800, S. 518.) Magister Kaspar Sommer hat in einer weitläufigen lateinischen Abhandlung, die im Deliciarum manipulo deutsch zu lesen ist, den Ausdruck für eine Metapher erklärt. (Breslauer Erzähler, 1809, S. 547-548.) Es darf hier auch eine jetzt sehr seltene Flugschrift nicht unerwähnt bleiben, die ohne Jahrzahl und Druckort unter dem Titel erschienen ist: Neuer Schlesische Eselsfraass. Die Plutonische Reformation vnd verdauliche Religions-Verkehrung, die Martialische invasion vnd Kriegssichtige Bestürtzung, die Cyclopische Expilation vnd zerüttliche Plünderung des Landes Schlesiens vnd dass sich keiner, auch aus der frembde des Eselsfrasses entschütten könne, andeutende. Das Ganze ist eine poetische Satire. Eine auf dem Zobtenberge aufgestellte, aber mit einem Esel, an welchem allerlei Insignien des römischen Cultus angebracht sind, gekrönte Säule wird umgestürzt, und nun fallen alle Völker über den Esel her und suchen etwas von seinem Fleische zu erhalten. Fülleborn (Breslauer Erzähler, 1800, S. 690) gibt einen Auszug aus der seltenen Schrift. – Ueber die schlesische Eselsfresserei sind übrigens zu seiner Zeit eine Menge Schriften erschienen, vgl. Otto's Lexikon der oberlausitzischen Schriftsteller. Damit ist zu vergleichen der Aufsatz: Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen und Schlesien u. s. w. in der Zeitung für die elegante Wett, 1824, Nr. 128-132; auch Schickufius, lib. 4, c. 1. In neuester Zeit hat K. v. Holtei diesen Spottnamen der Schlesier zum Titel eines 1859 in Breslau erschienenen Romans in drei Bänden, Die Eselsfresser, gewählt. Er lässt dort (I, 257) die Gelehrten Folgendes mittheilen: „Xenophon gedenkt (Cyropaedia, lib. I) des Esels öfter und rechnet ihn unter die jagdbaren Thiere Arabiens. Die heutigen Perser schätzen sein Fleisch höher als jenes der Antilope, und wenn Herodot (Clio, 133) die Esel zu denjenigen Thieren zählt, welche von reichen Leuten ganz gebraten und verzehrt werden, so konnte er nur den wilden Esel meinen, von dem bei uns nicht die Rede ist. Aber auf einem andern Wege nähern wir uns vielleicht doch den Persern und Indern, auf dem des Pferdeopfers, welches bei ihnen so, wie bei unsern Vorfahren für das vornehmste und feierlichste galt. Und auf eben diesem Wege scheint der alte schlesische Sinapius (Oelsnographia, I, 342, 3) die richtige Deutung und Herleitung des Spottnamens Eselsfresser zu finden. ›Dem Gotte Jovi Sabotho (Bacho), eigentlich der Sonne, als dem Ursprunge aller Früchte, vorzüglich des Weinstocks, opferten die alten schlesischen Einwohner auf dem Berge, welcher daher Sabothus oder Zobtenberg heisset, wie sie denn auch den Silenum, des Bachi Gefährten, als einen Gott oder Halbgott verehrten, dahero der Berg nicht allein Sabothus, sondern auch Silenus benamet worden. Nach Bekehrung der Schlesier zum Christenthum entstand die Fabel, Schlesien sei deswegen so wenig mit Weinbergen vom Bacchus gesegnet, weil es den Esel des Sileni (dieser wurde auf einem Esel reitend abgebildet) gefressen, das will sagen, weil es nach abgeschworenem Heidenthume den Bacchus und Silenus (göttlich) zu verehren aufgehört habe, wiewol insgemein den Schlesiern die Benennung Eselsfresser vom Reichensteinschen Gold- und Silberbergwerke aufgebürdet wird.‹ So weit Sinapius. Wie übrigens die Hyperboreer dem Apollo, so können leichtlich die Schlesier ihrem Sabothus Esel geschlachtet, diese statt der Pferde geopfert und – verzehrt haben.“
Fischart in seiner Geschichtsklitterung sagt: „Wenn dies gelten sollte, möchte einer ein jeden hautjuckigen Vogel für einen Gauch ansehen, ein' Sau für einen Baier, ein' schlesischen Esel für aller Hasen Grossmutter, ein pommerisch Storkennest für Salat.“
Logau v. 1777 singt:
Dass Schlesier haben den Esel gefressen,
ist entweder nichts oder bleibet vergessen,
sonst würden die Fremden sich eigen gewöhnen,
nach schlesischem Futter sich nimmer zu sehnen.
Ein Blatt mit lateinischen hierauf bezüglichen Distichen aus dem 15. Jahrhundert, das sich in den Händen W.
Wackernagel's befindet, hat derselbe in Haupt's Zeitschrift für deutsches Alterthum, VI, 254, abdrucken lassen.
Wie die Schlesier Eselsfresser, so heissen die Brugger Chriesisüppler, die Lenzburger Schabziegerstückli, die Aaraner Pappenhauer, die Oltner Frösche, die Aarburger Schnecken, die Zofinger Ochsen. Die Entstehung dieser Spitznamen erzählt der Volkswitz so: Als der Papst Martin von der kostnitzer Kirchenversammlung nach Italien zurückreiste, berührte er die obigen Ortschaften, deren Bewohner ihm dadurch eine besondere Ehre anzuthun glaubten, dass sie ihn alle mit ihrem eigenen Lieblingsgericht bewirtheten, das Beste, was sie kannten. So kochten ihm die Brugger eine rosenrothe Kirschsuppe, die Lenzburger liessen ihm einen scharfduftenden grünen Ziegenkäse auftragen; die Aarauer setzten ihm eine Schüssel weissen Mehlbrei vor, die Oltner eine breite Froschsuppe, die Aarburger überraschten ihn mit einem Gericht Schnecken. In Zofingen endlich hörten die Fastenspeisen auf. Zwölf Schulknaben declamirten ihm lateinische Verse und hinter ihnen schritt ein mit Kapaunen und Fasanen behangener Mastochse. Her Papst war so erfreut, dass er auf der Stelle ein Schülerstipendium stiftete, das noch jetzt vertheilt wird. Obgleich die Zofinger Ochsen heissen, so sind sie doch bisjetzt gute Lateiner geblieben. Von andern schweizer Spitznamen noch folgende: Die Kurzenberger im Canton Appenzell heissen Chorzabergerchropf oder Chorzabergerchröpfi, weil die Kröpfe dort sehr häufig vorkommen. (Vgl. Tobler, 117.) Die Walzenhauser werden Schnetzlifresser (Schnetzler oder Schnitzler = Schnitzer bei Holzarbeiten) genannt (Tobler, 394) und die Ellikaner Schweine. (S. Eber 5.)
Riehl (Land und Leute, S. 144;) erzählt: „Wenn sich vordem Boote von Wollin, Cammin oder Gollnow auf der Oder begegneten, so eröffneten sie ein kleines Gefecht mit Wasserspritzen gegeneinander, und die Wolliner wurden dabei als Stintköppe, die Camminer als Plunderköppe, die Gollnower als Pomuffelsköppe begrüsst.“ – Aehnliche Beinamen führen die Anklamer, Greifswalder, Kösliner und Stralsunder, deren Erklärung sich in den Baltischen Studien, III, 1, 234 fg. findet. Man nennt übrigens nicht blos die Schlesier Eselsfresser, auch die Leute von Neuffen (Würtemberg) erhalten diesen Spottnamen. Es wird nämlich erzählt, die Festung Hohenneuffen sei während des Dreissigjährigen Kriegs sieben Jahre von den Schweden belagert worden und die Besatzung, welche bereits die grösste Noth gelitten, habe endlich mit ihrem letzten Dinkel den Esel gefüttert, der ihnen sonst das Wasser herauftragen musste, ihn sodann geschlachtet, um ihn zu verzehren und den vollgefüllten Wanst über die Mauer der Festung hinabgeworfen. Als der Feind, welcher schon auf die Uebergabe der Festung gehofft, dies gesehen habe, sei er der Meinung geworden, die Belagerten müssten noch reichen Vorrath an Lebensmitteln haben und sei deshalb abgezogen. Von diesem Vorgange sollen die Einwohner von Stadt und Festung den Namen Eselsfresser erhalten haben. (Reinsberg V, 95.)
Eine Zusammenstellung von Spitznamen aus dem Lesachthale (Kärnten) hat M. Lexer (Frommann, IV, 158) begonnen. Danach heissen die Bewohner von Kötschach Schörg'n, weil sich viele zu Gerichtsboten verwenden liessen; die von Mauten Heuziechar; die von Drauburg an der tiroler Grenze Aufsechar (Aufseher, Grenzwächter, weil sie auf die Pascher merken); die von Sanct-Jacob Inventierar (Inventarier, Aufzeichner); die von Kornat Armasealn; die von Liesing Wêdl, womit Leute gemeint sind, die immer Recht haben wollen und denen Process führen Freude macht; die von Sanct-Lorenzen Groassmachar; die von Luggau Räfar (Raufer, Zänker); die von Obergail, weil viel Krumme darunter sind, Krâschink'n; die von Palas Knöpfe. – Werfen wir einen Blick in die Provinz Preussen, so finden wir, dass die Einwohner von Schöppenbeil Bärenstecher und Erbsenschmecker, die von Fischhausen Gildeknîper (d. i. Zunftfuscher) und Möckeprötscher (Mückenspritzer), die von Königsberg Glomsnickels und Sperlingsschlucker genannt werden. (Vgl. Frischbier, Nr. 160, 260a und 267; ferner den Abschnitt Lokalspötterei in Sagen des preussischen Samlandes von R. Reusch, Königsberg 1860, S. 113.)
Das Völklein der Schild- oder Lalenbürger, der Krähwinkler, Polkwitzer, Scheppenstädter oder wie sie sich sonst nennen mögen, hat seine Wohnsitze keineswegs nur in Deutschland, es findet sich auch zerstreut in allen Nachbarländern, wenn auch unter andern Namen, und von den ausserdeutschen Narrenort- oder Landschaften werden mitunter genau dieselben Geschichtchen erzählt, wie von denen unsers Stammes. Nach einem dänischen Sprichwort muss sich auch die Eselsfresserei selbst nicht blos auf die Deutschen beschränken, sondern allgemein sein. Danach hat nämlich jeder etwas vom Esel gekostet: Alle have ædt noget af eselet. (Prov. dan., 20 u. 147.) Wie Schlesien seine Eselsfreser, Schwaben seine Sensenschmecker, seine Mondfänger, seine Gelbfüssler, sein Bopfingen und seine Ganslosen hat, so besitzt die französische Landschaft Berry ihre Moutons, und die Begabung der Gascogner, schnell zu denken und grosse Worte gelassen auszusprechen, ist sprichwörtlich. Wie Schles wig-Holstein seine Büsumer und seine Forkbecker, Mecklenburg seine Teterower, Westpreussen seine Domnauer, Franken seine
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