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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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Die Arbeit des Herrn Prof. Zingerle ist also auf diesem Felde nur ein Anfang; aber es ist ein sehr guter. Hoffentlich wird das Werk in neuer Auflage erscheinen und es dem Herrn Verfasser möglich sein, die in den mehrfach erwähnten Blättern für literarische Unterhaltung laut gewordenen Wünsche in Betreff des Ausbaues desselben zu erfüllen. Ausserdem ist noch rühmlich zu erwähnen der musterhaft abgefasste Commentar zum Narrenschiff des S. Brant von Zarncke (Leipzig 1854), in welchem der Verfasser die gesammte didaktische Literatur vor Brant benutzt und einen überaus reichen Schatz von Sprichwörtern und Redensarten der mittelhochdeutschen Zeit mit genauer Angabe der Quellen und Erklärungen mitgetheilt hat.

Da also der Sprichwörterschatz aus der gesammten mittelhochdeutschen Literatur - von dem der althochdeutschen nicht zu reden - noch gar nicht gesammelt vorliegt, und zur vollständigen Herstellung desselben auch für vereinte Kräfte sehr gut ein Menschenalter gehören kann; so habe ich eigentlich schon das Mass einer einzelnen Kraft überschritten, wenn ich es versuche, die neuhochdeutschen Sprichwörter unter Benutzung der Grimm'schen Schriften, der vortrefflichen Vorarbeiten von Schulze und Zingerle, wie des Graf-Dietherr'schen Werks auf ihre mittelhochdeutschen Quellen zurückzuführen. Es kann nicht fehlen, dass in nächster Zeit der mittelhochdeutsche Sprichwörterschatz vervollständigt wird; nur ist dabei sehr zu wünschen, dass die Angabe der Quellen so genau und vollständig als möglich erfolge. Das letztere ist, wie auch in dem erwähnten Artikel der Blätter für literarische Unterhaltung hervorgehoben ist, bei dem sonst so trefflichen Werke des Herrn Prof. Zingerle nicht genug geschehen. Die in Noten angegebenen literarischen Notizen mögen für die specifischen Gelehrten des Mittelalters ausreichend sein, aber sie sind es nicht stets für solche, die nur Blicke in das Mittelhochdeutsche gethan haben.

Dass das Deutsche Sprichwörter-Lexikon zum Druck gekommen, ist hauptsächlich ein Verdienst derer, die auf Grund des vorgelegten Prospects und im Vertrauen auf die Ausführung der gegebenen Versicherungen unterzeichnet und dadurch der Verlagshandlung die Ueberzeugung gegeben haben, dass die Arbeit ihre Freunde habe und Anklang finden werde. Es lag nahe, dass die Verlagshandlung, so gross das persönliche Interesse ihrer Inhaber an dem Gegenstande selbst ist, in geschäftlicher Hinsicht vor dem Beginn des Drucks wissen wollte, ob und in welcher Weise das Werk Anklang finden werde. Die betreffende Correspondenz hat mir ein Jahr Arbeitskraft gekostet. Es besteht aus vielen, meist bekannten Gründen eine Abneigung gegen Subscription auf Schriften, die in Lieferungen erscheinen; viele Bibliotheken sind statutenmässig verhindert, vor Beendigung solcher Werke Bestellungen darauf zu machen. Ich legte den Prospect mehrern deutschen Fürsten und Regierungen vor, und hoffte, sie würden für die Landesbibliotheken eine Anzahl Exemplare bestimmen; der gesammte Erfolg meiner Prospectversendung an deutsche Fürsten und Regierungen beschränkte sich darauf, dass nur Se. Majestät der König und Se. königliche Hoheit der Kronprinz von Sachsen ihre Theilnahme an der Sache dadurch aussprachen, dass sie das Lexikon für ihre Privatbibliothek verlangten. Man werde, so lautete im allgemeinen der Bescheid von anderer Seite, das Werk, sobald es erschienen, ankaufen. Selbstredend legte ich auch der preussischen Regierung den Prospect vor, und bat, was ich an allen andern Stellen dem Ermessen anheimgestellt hatte, hier direct um eine Unterstützung für die Herausgabe. Es war zur Zeit der sogenannten "liberalen Aera". Der damalige Cultusminister, Herr von Bethmann-Hollweg, beschied mich dahin, dass für diesen Zweck keine Mittel vorhanden seien; nur mit dem Unterschiede, dass mir die Gunst gewährt wurde, das Porto für den Bescheid zu zahlen, den ich von allen andern Seiten unter portofreier Rubrik erhalten hatte. So unterstützt man in Deutschland nationale Arbeiten, von denen auf offener Hand liegt, dass sie nur durch allgemeine Opfer hergestellt werden können.1 Ich würde mich, um das Bild, das ich mir von dem Deutschen Sprichwörter-Lexikon entworfen hatte, wenigstens annähernd zu erreichen, nach Nordamerika um Unterstützung gewandt haben; allein dort herrschte Bürgerkrieg, meine Freunde und Bekannten waren im Heere oder vom Kriege in Anspruch genommen, und ich musste unter solchen Umständen davon Abstand nehmen. Ich blieb auf meine eigene Kraft beschränkt; denn wenn ich auch Genuss in der Arbeit finde, so reichen meine Mittel nicht aus, um Hülfsarbeiter zu bezahlen. Und solche, die vom Genuss an der Arbeit leben, habe ich nicht finden können.

Und hierbei muss ich auch noch einer andern Erfahrung gedenken. Als ich im Jahre 1860 die ersten Prospecte ausgab, durch die ich zur Subscription und zu Beiträgen einlud, sandte ich dieselben auch besonders an Gymnasien, weil ich glaubte, das Deutsche Sprichwörter-Lexikon könnte in Gymnasialbibliotheken wol einen Platz verdienen. Hatten von Hunderten unter Streifband versandten Prospecten auch nur die Minderzahl den gewünschten augenblicklichen Erfolg, so wurden sie doch von den Adressaten angenommen; nur drei preussische Gymnasialdirectoren, denen deshalb sicher in der Geschichte des Werks ein Gedächtniss gebührt, verweigerten die Annahme des (frankirten) Prospects,

1 Der Oberlehrer am Gymnasium zu Troppau, Herr Peter, bat den dortigen Landtag um die äusserst bescheidene Unterstützung von 200 Gulden zur Vollendung seines culturgeschichtlichen Werks: Volksthümliches aus Oesterreichisch-Schleien, dessen erster Band 1865 in Troppau erschienen ist; aber erfolglos.

Die Arbeit des Herrn Prof. Zingerle ist also auf diesem Felde nur ein Anfang; aber es ist ein sehr guter. Hoffentlich wird das Werk in neuer Auflage erscheinen und es dem Herrn Verfasser möglich sein, die in den mehrfach erwähnten Blättern für literarische Unterhaltung laut gewordenen Wünsche in Betreff des Ausbaues desselben zu erfüllen. Ausserdem ist noch rühmlich zu erwähnen der musterhaft abgefasste Commentar zum Narrenschiff des S. Brant von Zarncke (Leipzig 1854), in welchem der Verfasser die gesammte didaktische Literatur vor Brant benutzt und einen überaus reichen Schatz von Sprichwörtern und Redensarten der mittelhochdeutschen Zeit mit genauer Angabe der Quellen und Erklärungen mitgetheilt hat.

Da also der Sprichwörterschatz aus der gesammten mittelhochdeutschen Literatur – von dem der althochdeutschen nicht zu reden – noch gar nicht gesammelt vorliegt, und zur vollständigen Herstellung desselben auch für vereinte Kräfte sehr gut ein Menschenalter gehören kann; so habe ich eigentlich schon das Mass einer einzelnen Kraft überschritten, wenn ich es versuche, die neuhochdeutschen Sprichwörter unter Benutzung der Grimm'schen Schriften, der vortrefflichen Vorarbeiten von Schulze und Zingerle, wie des Graf-Dietherr'schen Werks auf ihre mittelhochdeutschen Quellen zurückzuführen. Es kann nicht fehlen, dass in nächster Zeit der mittelhochdeutsche Sprichwörterschatz vervollständigt wird; nur ist dabei sehr zu wünschen, dass die Angabe der Quellen so genau und vollständig als möglich erfolge. Das letztere ist, wie auch in dem erwähnten Artikel der Blätter für literarische Unterhaltung hervorgehoben ist, bei dem sonst so trefflichen Werke des Herrn Prof. Zingerle nicht genug geschehen. Die in Noten angegebenen literarischen Notizen mögen für die specifischen Gelehrten des Mittelalters ausreichend sein, aber sie sind es nicht stets für solche, die nur Blicke in das Mittelhochdeutsche gethan haben.

Dass das Deutsche Sprichwörter-Lexikon zum Druck gekommen, ist hauptsächlich ein Verdienst derer, die auf Grund des vorgelegten Prospects und im Vertrauen auf die Ausführung der gegebenen Versicherungen unterzeichnet und dadurch der Verlagshandlung die Ueberzeugung gegeben haben, dass die Arbeit ihre Freunde habe und Anklang finden werde. Es lag nahe, dass die Verlagshandlung, so gross das persönliche Interesse ihrer Inhaber an dem Gegenstande selbst ist, in geschäftlicher Hinsicht vor dem Beginn des Drucks wissen wollte, ob und in welcher Weise das Werk Anklang finden werde. Die betreffende Correspondenz hat mir ein Jahr Arbeitskraft gekostet. Es besteht aus vielen, meist bekannten Gründen eine Abneigung gegen Subscription auf Schriften, die in Lieferungen erscheinen; viele Bibliotheken sind statutenmässig verhindert, vor Beendigung solcher Werke Bestellungen darauf zu machen. Ich legte den Prospect mehrern deutschen Fürsten und Regierungen vor, und hoffte, sie würden für die Landesbibliotheken eine Anzahl Exemplare bestimmen; der gesammte Erfolg meiner Prospectversendung an deutsche Fürsten und Regierungen beschränkte sich darauf, dass nur Se. Majestät der König und Se. königliche Hoheit der Kronprinz von Sachsen ihre Theilnahme an der Sache dadurch aussprachen, dass sie das Lexikon für ihre Privatbibliothek verlangten. Man werde, so lautete im allgemeinen der Bescheid von anderer Seite, das Werk, sobald es erschienen, ankaufen. Selbstredend legte ich auch der preussischen Regierung den Prospect vor, und bat, was ich an allen andern Stellen dem Ermessen anheimgestellt hatte, hier direct um eine Unterstützung für die Herausgabe. Es war zur Zeit der sogenannten „liberalen Aera“. Der damalige Cultusminister, Herr von Bethmann-Hollweg, beschied mich dahin, dass für diesen Zweck keine Mittel vorhanden seien; nur mit dem Unterschiede, dass mir die Gunst gewährt wurde, das Porto für den Bescheid zu zahlen, den ich von allen andern Seiten unter portofreier Rubrik erhalten hatte. So unterstützt man in Deutschland nationale Arbeiten, von denen auf offener Hand liegt, dass sie nur durch allgemeine Opfer hergestellt werden können.1 Ich würde mich, um das Bild, das ich mir von dem Deutschen Sprichwörter-Lexikon entworfen hatte, wenigstens annähernd zu erreichen, nach Nordamerika um Unterstützung gewandt haben; allein dort herrschte Bürgerkrieg, meine Freunde und Bekannten waren im Heere oder vom Kriege in Anspruch genommen, und ich musste unter solchen Umständen davon Abstand nehmen. Ich blieb auf meine eigene Kraft beschränkt; denn wenn ich auch Genuss in der Arbeit finde, so reichen meine Mittel nicht aus, um Hülfsarbeiter zu bezahlen. Und solche, die vom Genuss an der Arbeit leben, habe ich nicht finden können.

Und hierbei muss ich auch noch einer andern Erfahrung gedenken. Als ich im Jahre 1860 die ersten Prospecte ausgab, durch die ich zur Subscription und zu Beiträgen einlud, sandte ich dieselben auch besonders an Gymnasien, weil ich glaubte, das Deutsche Sprichwörter-Lexikon könnte in Gymnasialbibliotheken wol einen Platz verdienen. Hatten von Hunderten unter Streifband versandten Prospecten auch nur die Minderzahl den gewünschten augenblicklichen Erfolg, so wurden sie doch von den Adressaten angenommen; nur drei preussische Gymnasialdirectoren, denen deshalb sicher in der Geschichte des Werks ein Gedächtniss gebührt, verweigerten die Annahme des (frankirten) Prospects,

1 Der Oberlehrer am Gymnasium zu Troppau, Herr Peter, bat den dortigen Landtag um die äusserst bescheidene Unterstützung von 200 Gulden zur Vollendung seines culturgeschichtlichen Werks: Volksthümliches aus Oesterreichisch-Schleien, dessen erster Band 1865 in Troppau erschienen ist; aber erfolglos.
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[XXII/0020] Die Arbeit des Herrn Prof. Zingerle ist also auf diesem Felde nur ein Anfang; aber es ist ein sehr guter. Hoffentlich wird das Werk in neuer Auflage erscheinen und es dem Herrn Verfasser möglich sein, die in den mehrfach erwähnten Blättern für literarische Unterhaltung laut gewordenen Wünsche in Betreff des Ausbaues desselben zu erfüllen. Ausserdem ist noch rühmlich zu erwähnen der musterhaft abgefasste Commentar zum Narrenschiff des S. Brant von Zarncke (Leipzig 1854), in welchem der Verfasser die gesammte didaktische Literatur vor Brant benutzt und einen überaus reichen Schatz von Sprichwörtern und Redensarten der mittelhochdeutschen Zeit mit genauer Angabe der Quellen und Erklärungen mitgetheilt hat. Da also der Sprichwörterschatz aus der gesammten mittelhochdeutschen Literatur – von dem der althochdeutschen nicht zu reden – noch gar nicht gesammelt vorliegt, und zur vollständigen Herstellung desselben auch für vereinte Kräfte sehr gut ein Menschenalter gehören kann; so habe ich eigentlich schon das Mass einer einzelnen Kraft überschritten, wenn ich es versuche, die neuhochdeutschen Sprichwörter unter Benutzung der Grimm'schen Schriften, der vortrefflichen Vorarbeiten von Schulze und Zingerle, wie des Graf-Dietherr'schen Werks auf ihre mittelhochdeutschen Quellen zurückzuführen. Es kann nicht fehlen, dass in nächster Zeit der mittelhochdeutsche Sprichwörterschatz vervollständigt wird; nur ist dabei sehr zu wünschen, dass die Angabe der Quellen so genau und vollständig als möglich erfolge. Das letztere ist, wie auch in dem erwähnten Artikel der Blätter für literarische Unterhaltung hervorgehoben ist, bei dem sonst so trefflichen Werke des Herrn Prof. Zingerle nicht genug geschehen. Die in Noten angegebenen literarischen Notizen mögen für die specifischen Gelehrten des Mittelalters ausreichend sein, aber sie sind es nicht stets für solche, die nur Blicke in das Mittelhochdeutsche gethan haben. Dass das Deutsche Sprichwörter-Lexikon zum Druck gekommen, ist hauptsächlich ein Verdienst derer, die auf Grund des vorgelegten Prospects und im Vertrauen auf die Ausführung der gegebenen Versicherungen unterzeichnet und dadurch der Verlagshandlung die Ueberzeugung gegeben haben, dass die Arbeit ihre Freunde habe und Anklang finden werde. Es lag nahe, dass die Verlagshandlung, so gross das persönliche Interesse ihrer Inhaber an dem Gegenstande selbst ist, in geschäftlicher Hinsicht vor dem Beginn des Drucks wissen wollte, ob und in welcher Weise das Werk Anklang finden werde. Die betreffende Correspondenz hat mir ein Jahr Arbeitskraft gekostet. Es besteht aus vielen, meist bekannten Gründen eine Abneigung gegen Subscription auf Schriften, die in Lieferungen erscheinen; viele Bibliotheken sind statutenmässig verhindert, vor Beendigung solcher Werke Bestellungen darauf zu machen. Ich legte den Prospect mehrern deutschen Fürsten und Regierungen vor, und hoffte, sie würden für die Landesbibliotheken eine Anzahl Exemplare bestimmen; der gesammte Erfolg meiner Prospectversendung an deutsche Fürsten und Regierungen beschränkte sich darauf, dass nur Se. Majestät der König und Se. königliche Hoheit der Kronprinz von Sachsen ihre Theilnahme an der Sache dadurch aussprachen, dass sie das Lexikon für ihre Privatbibliothek verlangten. Man werde, so lautete im allgemeinen der Bescheid von anderer Seite, das Werk, sobald es erschienen, ankaufen. Selbstredend legte ich auch der preussischen Regierung den Prospect vor, und bat, was ich an allen andern Stellen dem Ermessen anheimgestellt hatte, hier direct um eine Unterstützung für die Herausgabe. Es war zur Zeit der sogenannten „liberalen Aera“. Der damalige Cultusminister, Herr von Bethmann-Hollweg, beschied mich dahin, dass für diesen Zweck keine Mittel vorhanden seien; nur mit dem Unterschiede, dass mir die Gunst gewährt wurde, das Porto für den Bescheid zu zahlen, den ich von allen andern Seiten unter portofreier Rubrik erhalten hatte. So unterstützt man in Deutschland nationale Arbeiten, von denen auf offener Hand liegt, dass sie nur durch allgemeine Opfer hergestellt werden können. 1 Ich würde mich, um das Bild, das ich mir von dem Deutschen Sprichwörter-Lexikon entworfen hatte, wenigstens annähernd zu erreichen, nach Nordamerika um Unterstützung gewandt haben; allein dort herrschte Bürgerkrieg, meine Freunde und Bekannten waren im Heere oder vom Kriege in Anspruch genommen, und ich musste unter solchen Umständen davon Abstand nehmen. Ich blieb auf meine eigene Kraft beschränkt; denn wenn ich auch Genuss in der Arbeit finde, so reichen meine Mittel nicht aus, um Hülfsarbeiter zu bezahlen. Und solche, die vom Genuss an der Arbeit leben, habe ich nicht finden können. Und hierbei muss ich auch noch einer andern Erfahrung gedenken. Als ich im Jahre 1860 die ersten Prospecte ausgab, durch die ich zur Subscription und zu Beiträgen einlud, sandte ich dieselben auch besonders an Gymnasien, weil ich glaubte, das Deutsche Sprichwörter-Lexikon könnte in Gymnasialbibliotheken wol einen Platz verdienen. Hatten von Hunderten unter Streifband versandten Prospecten auch nur die Minderzahl den gewünschten augenblicklichen Erfolg, so wurden sie doch von den Adressaten angenommen; nur drei preussische Gymnasialdirectoren, denen deshalb sicher in der Geschichte des Werks ein Gedächtniss gebührt, verweigerten die Annahme des (frankirten) Prospects, 1 Der Oberlehrer am Gymnasium zu Troppau, Herr Peter, bat den dortigen Landtag um die äusserst bescheidene Unterstützung von 200 Gulden zur Vollendung seines culturgeschichtlichen Werks: Volksthümliches aus Oesterreichisch-Schleien, dessen erster Band 1865 in Troppau erschienen ist; aber erfolglos.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. XXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/20>, abgerufen am 21.11.2024.