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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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Möchte derselbe sich nur bald entschliessen, mit dem Druck seiner Sammlungen vorzugehen. Aber ausser diesen Gebieten der Literatur, allerdings den reichsten Quellen des schriftlichen Sprichworts, die zum grössten Theil in der goldenen Zeit desselben, dem 15. und 16. Jahrhundert, in der alle Welt in Sprichwörtern dachte, redete und schrieb, so lebendig fliessen, wie seitdem nicht wieder, sind noch viele andere Gebiete übrig. Keine geringe Ausbeute würde namentlich die Durchsicht der neuzeitigen Volkskalender und Volksbücher, sowie besonders der Zeitschriften jeder Art, der Zeitungen und aller periodisch erscheinenden Blätter liefern. Die Zeitschriften insbesondere enthalten einen reichen Schatz zerstreuter Notizen und Winke. Dafür müssten sich aber eine Anzahl Kräfte an dem Punkte vereinigen, wo sich eine grosse Bibliothek befindet.

Es wird dies hinreichen, um anzudeuten, was nach der einen Seite der Ausbeute, die Literatur betreffend, geschehen muss, um den verborgenen Sprichwörterschatz zu heben und den bekannten damit zu bereichern. Es scheint dies aber ausreichend zu sein, darzuthun, dass unser nationaler Sprichwörterschatz nicht, wie vielseitig behauptet worden, zu den gepflegtesten Zweigen gehört, dass man ihn vielmehr, was planmässige Ausschöpfung der beiden Quellen (wirkliche Bereicherung und übersichtlich geordnete Concentrirung in einem Werke) betrifft, geradezu vernachlässigt nennen kann. Man wird doch nicht von einem Wissenszweige behaupten, dass er angebaut ist, wenn man ihn aus Cisternen nährt, während seine Quellen verstopft sind und unbeachtet bleiben. Wer aber Nopitsch und Zacher aufschlägt, wird zwar bemerken, dass viel Sprichwörterschriften erschienen sind, aber er wird verhältnissmässig nur sehr wenige finden, welche aus der Literatur selbst schöpfen oder auf die lebendigen Quellen des Volksmundes zurückführen und Neues bieten. Die Orthodoxie schöpft eben nicht aus Quellen, sie schwört auf Namen und glaubt an Worte. Und die Orthodoxie ist überall dieselbe, auch auf dem Felde der Sprichwörter, wo Agricola und Franck ihre Heiligen sind. Anstatt die Quelle auszubeuten, aus der diese geschöpft haben, hat man sich Jahrhunderte mit dem Wasser begnügt, das sie bieten, und die Quellen verwachsen lassen.

Aber es beginnt die Einsicht allmählich platzzugreifen, dass der geringste Theil der Sprichwörter, welche sich in unserer Literatur befinden, in unsere Sammlungen übergegangen ist. Man hat bereits begonnen, dort weiter zu schöpfen; und ich würde es als einen erfreulichen Erfolg meiner Arbeit ansehen, wenn sie überall dazu anregte.

Was nun die andere Hauptquelle, den Volksmund betrifft, so ist auch sie in unserer Zeit wieder geöffnet worden, und es wird aus ihr fast mehr noch als aus der Literatur geschöpft, namentlich aus der reichlich sprudelnden Quelle der Mundarten. Wie auf dem Gebiet der hochdeutschen Literatur das Graf-Dietherr'sche Werk tonangebend dasteht; so glaube ich, dass, was den Aufschluss der mundartlichen Quellen betrifft, dies Verdienst zunächst Germaniens Völkerstimmen von Firmenich gebührt, das in neuerer Zeit zuerst das Interesse für die Mundarten belebte, und dann von der Zeitschrift Die deutschen Mundarten von Frommann darin unterstützt wurde, einer Zeitschrift, die eine wahre Fundgrube für die Kenntniss der Muttersprache bildet und deren nothwendiges Aufhören wahrlich nicht sehr günstig für unsere vaterländische Gesinnung und unsere gehobene Volksbildung in einer Zeit spricht, welche der überflüssigen Zeitschriften so viele unterhält. Es hat sich auch hier wieder gezeigt, dass die Deutschen für alles Geld haben, nur nicht zur Unterstützung nationaler Ideen und Interessen. Ich bekenne freudig und mit warmem Danke, dass erst durch diese Vorarbeiten das Deutsche Sprichwörter-Lexikon dem Bilde, was ich mir von demselben entworfen habe, nahe gekommen ist. Seit einigen Jahren erscheint fast kein bibliographisches Verzeichniss, das nicht irgendeine selbständige mundartliche Arbeit bringt und dadurch eine aus der lebendigen Quelle des Volksmundes geschöpfte Bereicherung unsers Sprichwörterschatzes bietet.

Ich erinnere nur an die Schriften von Amand Baumgarten, Curtze, Deecke, Diermissen, Frischbier,

Möchte derselbe sich nur bald entschliessen, mit dem Druck seiner Sammlungen vorzugehen. Aber ausser diesen Gebieten der Literatur, allerdings den reichsten Quellen des schriftlichen Sprichworts, die zum grössten Theil in der goldenen Zeit desselben, dem 15. und 16. Jahrhundert, in der alle Welt in Sprichwörtern dachte, redete und schrieb, so lebendig fliessen, wie seitdem nicht wieder, sind noch viele andere Gebiete übrig. Keine geringe Ausbeute würde namentlich die Durchsicht der neuzeitigen Volkskalender und Volksbücher, sowie besonders der Zeitschriften jeder Art, der Zeitungen und aller periodisch erscheinenden Blätter liefern. Die Zeitschriften insbesondere enthalten einen reichen Schatz zerstreuter Notizen und Winke. Dafür müssten sich aber eine Anzahl Kräfte an dem Punkte vereinigen, wo sich eine grosse Bibliothek befindet.

Es wird dies hinreichen, um anzudeuten, was nach der einen Seite der Ausbeute, die Literatur betreffend, geschehen muss, um den verborgenen Sprichwörterschatz zu heben und den bekannten damit zu bereichern. Es scheint dies aber ausreichend zu sein, darzuthun, dass unser nationaler Sprichwörterschatz nicht, wie vielseitig behauptet worden, zu den gepflegtesten Zweigen gehört, dass man ihn vielmehr, was planmässige Ausschöpfung der beiden Quellen (wirkliche Bereicherung und übersichtlich geordnete Concentrirung in einem Werke) betrifft, geradezu vernachlässigt nennen kann. Man wird doch nicht von einem Wissenszweige behaupten, dass er angebaut ist, wenn man ihn aus Cisternen nährt, während seine Quellen verstopft sind und unbeachtet bleiben. Wer aber Nopitsch und Zacher aufschlägt, wird zwar bemerken, dass viel Sprichwörterschriften erschienen sind, aber er wird verhältnissmässig nur sehr wenige finden, welche aus der Literatur selbst schöpfen oder auf die lebendigen Quellen des Volksmundes zurückführen und Neues bieten. Die Orthodoxie schöpft eben nicht aus Quellen, sie schwört auf Namen und glaubt an Worte. Und die Orthodoxie ist überall dieselbe, auch auf dem Felde der Sprichwörter, wo Agricola und Franck ihre Heiligen sind. Anstatt die Quelle auszubeuten, aus der diese geschöpft haben, hat man sich Jahrhunderte mit dem Wasser begnügt, das sie bieten, und die Quellen verwachsen lassen.

Aber es beginnt die Einsicht allmählich platzzugreifen, dass der geringste Theil der Sprichwörter, welche sich in unserer Literatur befinden, in unsere Sammlungen übergegangen ist. Man hat bereits begonnen, dort weiter zu schöpfen; und ich würde es als einen erfreulichen Erfolg meiner Arbeit ansehen, wenn sie überall dazu anregte.

Was nun die andere Hauptquelle, den Volksmund betrifft, so ist auch sie in unserer Zeit wieder geöffnet worden, und es wird aus ihr fast mehr noch als aus der Literatur geschöpft, namentlich aus der reichlich sprudelnden Quelle der Mundarten. Wie auf dem Gebiet der hochdeutschen Literatur das Graf-Dietherr'sche Werk tonangebend dasteht; so glaube ich, dass, was den Aufschluss der mundartlichen Quellen betrifft, dies Verdienst zunächst Germaniens Völkerstimmen von Firmenich gebührt, das in neuerer Zeit zuerst das Interesse für die Mundarten belebte, und dann von der Zeitschrift Die deutschen Mundarten von Frommann darin unterstützt wurde, einer Zeitschrift, die eine wahre Fundgrube für die Kenntniss der Muttersprache bildet und deren nothwendiges Aufhören wahrlich nicht sehr günstig für unsere vaterländische Gesinnung und unsere gehobene Volksbildung in einer Zeit spricht, welche der überflüssigen Zeitschriften so viele unterhält. Es hat sich auch hier wieder gezeigt, dass die Deutschen für alles Geld haben, nur nicht zur Unterstützung nationaler Ideen und Interessen. Ich bekenne freudig und mit warmem Danke, dass erst durch diese Vorarbeiten das Deutsche Sprichwörter-Lexikon dem Bilde, was ich mir von demselben entworfen habe, nahe gekommen ist. Seit einigen Jahren erscheint fast kein bibliographisches Verzeichniss, das nicht irgendeine selbständige mundartliche Arbeit bringt und dadurch eine aus der lebendigen Quelle des Volksmundes geschöpfte Bereicherung unsers Sprichwörterschatzes bietet.

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[XIX/0017] Möchte derselbe sich nur bald entschliessen, mit dem Druck seiner Sammlungen vorzugehen. Aber ausser diesen Gebieten der Literatur, allerdings den reichsten Quellen des schriftlichen Sprichworts, die zum grössten Theil in der goldenen Zeit desselben, dem 15. und 16. Jahrhundert, in der alle Welt in Sprichwörtern dachte, redete und schrieb, so lebendig fliessen, wie seitdem nicht wieder, sind noch viele andere Gebiete übrig. Keine geringe Ausbeute würde namentlich die Durchsicht der neuzeitigen Volkskalender und Volksbücher, sowie besonders der Zeitschriften jeder Art, der Zeitungen und aller periodisch erscheinenden Blätter liefern. Die Zeitschriften insbesondere enthalten einen reichen Schatz zerstreuter Notizen und Winke. Dafür müssten sich aber eine Anzahl Kräfte an dem Punkte vereinigen, wo sich eine grosse Bibliothek befindet. Es wird dies hinreichen, um anzudeuten, was nach der einen Seite der Ausbeute, die Literatur betreffend, geschehen muss, um den verborgenen Sprichwörterschatz zu heben und den bekannten damit zu bereichern. Es scheint dies aber ausreichend zu sein, darzuthun, dass unser nationaler Sprichwörterschatz nicht, wie vielseitig behauptet worden, zu den gepflegtesten Zweigen gehört, dass man ihn vielmehr, was planmässige Ausschöpfung der beiden Quellen (wirkliche Bereicherung und übersichtlich geordnete Concentrirung in einem Werke) betrifft, geradezu vernachlässigt nennen kann. Man wird doch nicht von einem Wissenszweige behaupten, dass er angebaut ist, wenn man ihn aus Cisternen nährt, während seine Quellen verstopft sind und unbeachtet bleiben. Wer aber Nopitsch und Zacher aufschlägt, wird zwar bemerken, dass viel Sprichwörterschriften erschienen sind, aber er wird verhältnissmässig nur sehr wenige finden, welche aus der Literatur selbst schöpfen oder auf die lebendigen Quellen des Volksmundes zurückführen und Neues bieten. Die Orthodoxie schöpft eben nicht aus Quellen, sie schwört auf Namen und glaubt an Worte. Und die Orthodoxie ist überall dieselbe, auch auf dem Felde der Sprichwörter, wo Agricola und Franck ihre Heiligen sind. Anstatt die Quelle auszubeuten, aus der diese geschöpft haben, hat man sich Jahrhunderte mit dem Wasser begnügt, das sie bieten, und die Quellen verwachsen lassen. Aber es beginnt die Einsicht allmählich platzzugreifen, dass der geringste Theil der Sprichwörter, welche sich in unserer Literatur befinden, in unsere Sammlungen übergegangen ist. Man hat bereits begonnen, dort weiter zu schöpfen; und ich würde es als einen erfreulichen Erfolg meiner Arbeit ansehen, wenn sie überall dazu anregte. Was nun die andere Hauptquelle, den Volksmund betrifft, so ist auch sie in unserer Zeit wieder geöffnet worden, und es wird aus ihr fast mehr noch als aus der Literatur geschöpft, namentlich aus der reichlich sprudelnden Quelle der Mundarten. Wie auf dem Gebiet der hochdeutschen Literatur das Graf-Dietherr'sche Werk tonangebend dasteht; so glaube ich, dass, was den Aufschluss der mundartlichen Quellen betrifft, dies Verdienst zunächst Germaniens Völkerstimmen von Firmenich gebührt, das in neuerer Zeit zuerst das Interesse für die Mundarten belebte, und dann von der Zeitschrift Die deutschen Mundarten von Frommann darin unterstützt wurde, einer Zeitschrift, die eine wahre Fundgrube für die Kenntniss der Muttersprache bildet und deren nothwendiges Aufhören wahrlich nicht sehr günstig für unsere vaterländische Gesinnung und unsere gehobene Volksbildung in einer Zeit spricht, welche der überflüssigen Zeitschriften so viele unterhält. Es hat sich auch hier wieder gezeigt, dass die Deutschen für alles Geld haben, nur nicht zur Unterstützung nationaler Ideen und Interessen. Ich bekenne freudig und mit warmem Danke, dass erst durch diese Vorarbeiten das Deutsche Sprichwörter-Lexikon dem Bilde, was ich mir von demselben entworfen habe, nahe gekommen ist. Seit einigen Jahren erscheint fast kein bibliographisches Verzeichniss, das nicht irgendeine selbständige mundartliche Arbeit bringt und dadurch eine aus der lebendigen Quelle des Volksmundes geschöpfte Bereicherung unsers Sprichwörterschatzes bietet. Ich erinnere nur an die Schriften von Amand Baumgarten, Curtze, Deecke, Diermissen, Frischbier,

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. XIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/17>, abgerufen am 27.11.2024.