Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669.ich habe einen jungen Sohn / ohngefehr von anderthalb Zahren/ wann diese beyde zu ihren Zahren kommen / können wir zwischen ihnen eine Heyrath machen. Er ward darüber sehr ungedultig / und klagte es auff den Morgen ihrem Vater und sprach: Eure Tochter hat mich betrogen/ denn ich habe vermeinet/ ich wolte eine reine Jungfrau bekommen/ so hat sie mir gesagt/ sie hette ein Kind/ begehre sie deßwegen nicht zu behalten. Der Vater redet ihm zu/ sagte er solte sich zu frieden geben / vielleicht hette sie solches aus Kurtzweil geredet; Nein/ nein sprach er/ es war ihr rechter Ernst. Der Vater sagte/ ich weiß einen Rath/ ich wil die Mutter zu ihr senden/ die soll sie fragen/ und wir beyde wollen hinter der Thür stehen/ und anhören/ was sie sagen/ welches also geschahe. Die Mutter gieng zu der Tochter/ und fragte/ ob sie solches zu ihrem Mann aus Schertz oder aus Ernst gesagz: Die Tochter antwortete: Ich habe es aus rechtem Ernst gesagt/ ist auch die Warheit. Die Mutter fragte: Hastu denn ein Kind gehabt? Ja freylich/ sprach sie. Warumb hastu es denn deinem Mann gesagt? Sie antwortet / hat er mir doch das seine auch gesagt. Da sprach die Mutter: O du Närrin! Ich hatte wol drey Kinder gehabt/ als ich deinen Vater nahm/ und hab es jhm doch mein Lebtag nicht gesagt. Die so vor der Thür stunden/ höreten dieses alles an / ver- ich habe einen jungen Sohn / ohngefehr von anderthalb Zahren/ wann diese beyde zu ihren Zahren kommen / können wir zwischen ihnen eine Heyrath machen. Er ward darüber sehr ungedultig / und klagte es auff den Morgen ihrem Vater und sprach: Eure Tochter hat mich betrogen/ denn ich habe vermeinet/ ich wolte eine reine Jungfrau bekommen/ so hat sie mir gesagt/ sie hette ein Kind/ begehre sie deßwegen nicht zu behalten. Der Vater redet ihm zu/ sagte er solte sich zu frieden geben / vielleicht hette sie solches aus Kurtzweil geredet; Nein/ nein sprach er/ es war ihr rechter Ernst. Der Vater sagte/ ich weiß einen Rath/ ich wil die Mutter zu ihr senden/ die soll sie fragen/ und wir beyde wollen hinter der Thür stehen/ und anhören/ was sie sagen/ welches also geschahe. Die Mutter gieng zu der Tochter/ und fragte/ ob sie solches zu ihrem Mann aus Schertz oder aus Ernst gesagz: Die Tochter antwortete: Ich habe es aus rechtem Ernst gesagt/ ist auch die Warheit. Die Mutter fragte: Hastu denn ein Kind gehabt? Ja freylich/ sprach sie. Warumb hastu es denn deinem Mann gesagt? Sie antwortet / hat er mir doch das seine auch gesagt. Da sprach die Mutter: O du Närrin! Ich hatte wol drey Kinder gehabt/ als ich deinen Vater nahm/ und hab es jhm doch mein Lebtag nicht gesagt. Die so vor der Thür stunden/ höreten dieses alles an / ver- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0316" n="296"/> ich habe einen jungen Sohn / ohngefehr von anderthalb Zahren/ wann diese beyde zu ihren Zahren kommen / können wir zwischen ihnen eine Heyrath machen. Er ward darüber sehr ungedultig / und klagte es auff den Morgen ihrem Vater und sprach: Eure Tochter hat mich betrogen/ denn ich habe vermeinet/ ich wolte eine reine Jungfrau bekommen/ so hat sie mir gesagt/ sie hette ein Kind/ begehre sie deßwegen nicht zu behalten. Der Vater redet ihm zu/ sagte er solte sich zu frieden geben / vielleicht hette sie solches aus Kurtzweil geredet; Nein/ nein sprach er/ es war ihr rechter Ernst. Der Vater sagte/ ich weiß einen Rath/ ich wil die Mutter zu ihr senden/ die soll sie fragen/ und wir beyde wollen hinter der Thür stehen/ und anhören/ was sie sagen/ welches also geschahe. Die Mutter gieng zu der Tochter/ und fragte/ ob sie solches zu ihrem Mann aus Schertz oder aus Ernst gesagz: Die Tochter antwortete: Ich habe es aus rechtem Ernst gesagt/ ist auch die Warheit. Die Mutter fragte: Hastu denn ein Kind gehabt? Ja freylich/ sprach sie. Warumb hastu es denn deinem Mann gesagt? Sie antwortet / hat er mir doch das seine auch gesagt. Da sprach die Mutter: O du Närrin! Ich hatte wol drey Kinder gehabt/ als ich deinen Vater nahm/ und hab es jhm doch mein Lebtag nicht gesagt. Die so vor der Thür stunden/ höreten dieses alles an / ver- </p> </div> </body> </text> </TEI> [296/0316]
ich habe einen jungen Sohn / ohngefehr von anderthalb Zahren/ wann diese beyde zu ihren Zahren kommen / können wir zwischen ihnen eine Heyrath machen. Er ward darüber sehr ungedultig / und klagte es auff den Morgen ihrem Vater und sprach: Eure Tochter hat mich betrogen/ denn ich habe vermeinet/ ich wolte eine reine Jungfrau bekommen/ so hat sie mir gesagt/ sie hette ein Kind/ begehre sie deßwegen nicht zu behalten. Der Vater redet ihm zu/ sagte er solte sich zu frieden geben / vielleicht hette sie solches aus Kurtzweil geredet; Nein/ nein sprach er/ es war ihr rechter Ernst. Der Vater sagte/ ich weiß einen Rath/ ich wil die Mutter zu ihr senden/ die soll sie fragen/ und wir beyde wollen hinter der Thür stehen/ und anhören/ was sie sagen/ welches also geschahe. Die Mutter gieng zu der Tochter/ und fragte/ ob sie solches zu ihrem Mann aus Schertz oder aus Ernst gesagz: Die Tochter antwortete: Ich habe es aus rechtem Ernst gesagt/ ist auch die Warheit. Die Mutter fragte: Hastu denn ein Kind gehabt? Ja freylich/ sprach sie. Warumb hastu es denn deinem Mann gesagt? Sie antwortet / hat er mir doch das seine auch gesagt. Da sprach die Mutter: O du Närrin! Ich hatte wol drey Kinder gehabt/ als ich deinen Vater nahm/ und hab es jhm doch mein Lebtag nicht gesagt. Die so vor der Thür stunden/ höreten dieses alles an / ver-
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Zitationshilfe: | Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walther_tempe_1669/316>, abgerufen am 16.02.2025. |