Walther, Johann: Tempe Historica [...] Lust- und Schauplatz [...] anmuthiger und wolrichender Blumen. Jena, 1669.50. Liebe eines Jünglings gegen ein Steinern Bild. WAs die Liebe vermag/ hat man erfahren an einem reichen jungen Gesellen in der Stadt Athen/ denn als daselbst ein treflich schön künstlich Bild/ wunder artig aus einem schönen Marmelstein/ in gestalt einer wolformirten Jungfrauen/ (der Veneris) zugerichtet/ und an einen öffentlichen Platz in der Stadt Athen gesetzet ward/ so hat dasselbe wunderschöne liebliche Bild ein junger Gesell so inbrünstig grausamb lieb gewonnen/ daß er es auch fast nimmer aus den Augen ließe/ sondern blieb stets bey ihm/ hertzete und küssete es/ als wann es eine lebendige Creatur gewesen/ und wann er wieder von dem Bilde weg ging/ und es aus dem Gesichte verlohr/ weinete er bitterlich/ daß es auch wol dem allerhertzsten zu Mitleiden und Erbarmung beweget hette. Darumb es freylich wahr / daß wann ihm ein Menseh etwas hart einbildet/ sonderlich in der Liebe/ so ist es nicht leicht aus dem Hertzen zubringen/ daher ihn den auch letzlich die grosse Liebe so er zum Bilde 50. Liebe eines Jünglings gegen ein Steinern Bild. WAs die Liebe vermag/ hat man erfahren an einem reichen jungen Gesellen in der Stadt Athen/ denn als daselbst ein treflich schön künstlich Bild/ wunder artig aus einem schönen Marmelstein/ in gestalt einer wolformirten Jungfrauen/ (der Veneris) zugerichtet/ und an einen öffentlichen Platz in der Stadt Athen gesetzet ward/ so hat dasselbe wunderschöne liebliche Bild ein junger Gesell so inbrünstig grausamb lieb gewonnen/ daß er es auch fast nimmer aus den Augen ließe/ sondern blieb stets bey ihm/ hertzete und küssete es/ als wann es eine lebendige Creatur gewesen/ und wann er wieder von dem Bilde weg ging/ und es aus dem Gesichte verlohr/ weinete er bitterlich/ daß es auch wol dem allerhertzsten zu Mitleiden und Erbarmung beweget hette. Darumb es freylich wahr / daß wann ihm ein Menseh etwas hart einbildet/ sonderlich in der Liebe/ so ist es nicht leicht aus dem Hertzen zubringen/ daher ihn den auch letzlich die grosse Liebe so er zum Bilde <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0138" n="118"/> <p>50.</p> <p>Liebe eines Jünglings gegen ein Steinern Bild.</p> <p>WAs die Liebe vermag/ hat man erfahren an einem reichen jungen Gesellen in der Stadt Athen/ denn als daselbst ein treflich schön künstlich Bild/ wunder artig aus einem schönen Marmelstein/ in gestalt einer wolformirten Jungfrauen/ (der Veneris) zugerichtet/ und an einen öffentlichen Platz in der Stadt Athen gesetzet ward/ so hat dasselbe wunderschöne liebliche Bild ein junger Gesell so inbrünstig grausamb lieb gewonnen/ daß er es auch fast nimmer aus den Augen ließe/ sondern blieb stets bey ihm/ hertzete und küssete es/ als wann es eine lebendige Creatur gewesen/ und wann er wieder von dem Bilde weg ging/ und es aus dem Gesichte verlohr/ weinete er bitterlich/ daß es auch wol dem allerhertzsten zu Mitleiden und Erbarmung beweget hette. Darumb es freylich wahr / daß wann ihm ein Menseh etwas hart einbildet/ sonderlich in der Liebe/ so ist es nicht leicht aus dem Hertzen zubringen/ daher ihn den auch letzlich die grosse Liebe so er zum Bilde </p> </div> </body> </text> </TEI> [118/0138]
50.
Liebe eines Jünglings gegen ein Steinern Bild.
WAs die Liebe vermag/ hat man erfahren an einem reichen jungen Gesellen in der Stadt Athen/ denn als daselbst ein treflich schön künstlich Bild/ wunder artig aus einem schönen Marmelstein/ in gestalt einer wolformirten Jungfrauen/ (der Veneris) zugerichtet/ und an einen öffentlichen Platz in der Stadt Athen gesetzet ward/ so hat dasselbe wunderschöne liebliche Bild ein junger Gesell so inbrünstig grausamb lieb gewonnen/ daß er es auch fast nimmer aus den Augen ließe/ sondern blieb stets bey ihm/ hertzete und küssete es/ als wann es eine lebendige Creatur gewesen/ und wann er wieder von dem Bilde weg ging/ und es aus dem Gesichte verlohr/ weinete er bitterlich/ daß es auch wol dem allerhertzsten zu Mitleiden und Erbarmung beweget hette. Darumb es freylich wahr / daß wann ihm ein Menseh etwas hart einbildet/ sonderlich in der Liebe/ so ist es nicht leicht aus dem Hertzen zubringen/ daher ihn den auch letzlich die grosse Liebe so er zum Bilde
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