Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
lassen. Jch war in ein ausschweifendes Leben ge- rathen, mein Oncle warnte mich, ich hörte nicht, er zog seine Hand von mir ab, ich trotzte und fiel tiefer. Was ich dadurch verdiente, war gänzliches Verstoßen, Verachtung, Enterbung. Doch der gü- tige Mann wollte mich so nicht strafen, er wollte mich vielmehr durch Wohlthaten zur Tugend zurück- führen; welch ein Geschöpf wäre ich, wenn ich nun nicht durch Befolgung seiner Lehren und seines Bei- spiels die einzige Art von Dankbarkeit gegen den Seeligen ausübte, wozu ich fähig bin. Sie werden, gnädige Frau, nach diesem ver- muthlich den Ausspruch thun, daß ich ein Träu- mer geworden bin, der sich für eine Frau Jhres Tons nicht schickt. Jn der That würden wir beide nicht glücklich zusammen sein, da ich mir einen ganz andern Lebensplan vorgezeichnet habe, als Sie ihn schildern. Jch werde meist auf dem Lande und zwar sehr einfach leben, zugleich aber die Freude, die man im Haus- und Naturstande so süß und be- lohnend findet, reichlich genießen. Demnach schickt sich keine andere Person zur Gattinn für mich, als die noch nicht an die rauschenden Freuden der gro- ßen Welt gewöhnt ist, also den nehmlichen Ge- schmack hat, oder zu nehmen fähig ist, wie ich jetzt angenommen habe. Jch E 2
laſſen. Jch war in ein ausſchweifendes Leben ge- rathen, mein Oncle warnte mich, ich hoͤrte nicht, er zog ſeine Hand von mir ab, ich trotzte und fiel tiefer. Was ich dadurch verdiente, war gaͤnzliches Verſtoßen, Verachtung, Enterbung. Doch der guͤ- tige Mann wollte mich ſo nicht ſtrafen, er wollte mich vielmehr durch Wohlthaten zur Tugend zuruͤck- fuͤhren; welch ein Geſchoͤpf waͤre ich, wenn ich nun nicht durch Befolgung ſeiner Lehren und ſeines Bei- ſpiels die einzige Art von Dankbarkeit gegen den Seeligen ausuͤbte, wozu ich faͤhig bin. Sie werden, gnaͤdige Frau, nach dieſem ver- muthlich den Ausſpruch thun, daß ich ein Traͤu- mer geworden bin, der ſich fuͤr eine Frau Jhres Tons nicht ſchickt. Jn der That wuͤrden wir beide nicht gluͤcklich zuſammen ſein, da ich mir einen ganz andern Lebensplan vorgezeichnet habe, als Sie ihn ſchildern. Jch werde meiſt auf dem Lande und zwar ſehr einfach leben, zugleich aber die Freude, die man im Haus- und Naturſtande ſo ſuͤß und be- lohnend findet, reichlich genießen. Demnach ſchickt ſich keine andere Perſon zur Gattinn fuͤr mich, als die noch nicht an die rauſchenden Freuden der gro- ßen Welt gewoͤhnt iſt, alſo den nehmlichen Ge- ſchmack hat, oder zu nehmen faͤhig iſt, wie ich jetzt angenommen habe. Jch E 2
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laſſen. Jch war in ein ausſchweifendes Leben ge-
rathen, mein Oncle warnte mich, ich hoͤrte nicht,
er zog ſeine Hand von mir ab, ich trotzte und fiel
tiefer. Was ich dadurch verdiente, war gaͤnzliches
Verſtoßen, Verachtung, Enterbung. Doch der guͤ-
tige Mann wollte mich ſo nicht ſtrafen, er wollte
mich vielmehr durch Wohlthaten zur Tugend zuruͤck-
fuͤhren; welch ein Geſchoͤpf waͤre ich, wenn ich nun
nicht durch Befolgung ſeiner Lehren und ſeines Bei-
ſpiels die einzige Art von Dankbarkeit gegen den
Seeligen ausuͤbte, wozu ich faͤhig bin.
Sie werden, gnaͤdige Frau, nach dieſem ver-
muthlich den Ausſpruch thun, daß ich ein Traͤu-
mer geworden bin, der ſich fuͤr eine Frau Jhres
Tons nicht ſchickt. Jn der That wuͤrden wir beide
nicht gluͤcklich zuſammen ſein, da ich mir einen
ganz andern Lebensplan vorgezeichnet habe, als Sie
ihn ſchildern. Jch werde meiſt auf dem Lande und
zwar ſehr einfach leben, zugleich aber die Freude,
die man im Haus- und Naturſtande ſo ſuͤß und be-
lohnend findet, reichlich genießen. Demnach ſchickt
ſich keine andere Perſon zur Gattinn fuͤr mich, als
die noch nicht an die rauſchenden Freuden der gro-
ßen Welt gewoͤhnt iſt, alſo den nehmlichen Ge-
ſchmack hat, oder zu nehmen faͤhig iſt, wie ich jetzt
angenommen habe.
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