Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
er gar verloren gegangen wäre, oder ein Unglück
genommen hätte?

Jacob hörte, wie immer bei solchen Kennzeichen
der Kunst in Behauptung und natürlicher Darstel-
lung einer angenommenen Rolle, mit Erstaunen zu,
er lernte nie so was gewohnt werden, die Genie-
streiche seines Suschens setzten ihn immer aufs
neue in Berwunderung, die ihm keinen Ausdruck
derselben zuließen. Stillschweigend gieng er mit
dahin, wo ich im Bette lag, und vom Wein erhitzt,
scharlachfarben aussah, auch würklich eingeschlafen
war. Beinahe wäre Johann Jacob auf den Ver-
dacht gerathen, der alte Marqueur hätte ihm nicht
die Wahrheit gesagt, doch meine Gegenwart über-
zeugte ihn eines andern. Deß ich erhitzt aussah
und eingeschlafen war, bewies ihm beim zweiten
Augenblick der Ueberlegung nichts, aber er beschloß
nun auch, sich zu verstellen, schwieg also gänzlich
und gieng weg.

Als ich erwachte, erhielt mich meine Mutter
nicht mehr im Bette, sie mußte mich wieder an-
ziehen, und ich lief hinaus, wogegen sie eigentlich
nichts mehr einzuwenden hatte, da sie es nicht der
Mühe werth hielt, sich und mir um ihres Herrn
und Gemahls willen länger Zwang anzuthun, die
Sache vorbei hielt, und sich an dem Gedanken wei-
dete,
er gar verloren gegangen waͤre, oder ein Ungluͤck
genommen haͤtte?

Jacob hoͤrte, wie immer bei ſolchen Kennzeichen
der Kunſt in Behauptung und natuͤrlicher Darſtel-
lung einer angenommenen Rolle, mit Erſtaunen zu,
er lernte nie ſo was gewohnt werden, die Genie-
ſtreiche ſeines Suschens ſetzten ihn immer aufs
neue in Berwunderung, die ihm keinen Ausdruck
derſelben zuließen. Stillſchweigend gieng er mit
dahin, wo ich im Bette lag, und vom Wein erhitzt,
ſcharlachfarben ausſah, auch wuͤrklich eingeſchlafen
war. Beinahe waͤre Johann Jacob auf den Ver-
dacht gerathen, der alte Marqueur haͤtte ihm nicht
die Wahrheit geſagt, doch meine Gegenwart uͤber-
zeugte ihn eines andern. Deß ich erhitzt ausſah
und eingeſchlafen war, bewies ihm beim zweiten
Augenblick der Ueberlegung nichts, aber er beſchloß
nun auch, ſich zu verſtellen, ſchwieg alſo gaͤnzlich
und gieng weg.

Als ich erwachte, erhielt mich meine Mutter
nicht mehr im Bette, ſie mußte mich wieder an-
ziehen, und ich lief hinaus, wogegen ſie eigentlich
nichts mehr einzuwenden hatte, da ſie es nicht der
Muͤhe werth hielt, ſich und mir um ihres Herrn
und Gemahls willen laͤnger Zwang anzuthun, die
Sache vorbei hielt, und ſich an dem Gedanken wei-
dete,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SUS">
          <p><pb facs="#f0048" n="44"/>
er gar verloren gegangen wa&#x0364;re, oder ein Unglu&#x0364;ck<lb/>
genommen ha&#x0364;tte?</p><lb/>
          <p>Jacob ho&#x0364;rte, wie immer bei &#x017F;olchen Kennzeichen<lb/>
der Kun&#x017F;t in Behauptung und natu&#x0364;rlicher Dar&#x017F;tel-<lb/>
lung einer angenommenen Rolle, mit Er&#x017F;taunen zu,<lb/>
er lernte nie &#x017F;o was gewohnt werden, die Genie-<lb/>
&#x017F;treiche &#x017F;eines Suschens &#x017F;etzten ihn immer aufs<lb/>
neue in Berwunderung, die ihm keinen Ausdruck<lb/>
der&#x017F;elben zuließen. Still&#x017F;chweigend gieng er mit<lb/>
dahin, wo ich im Bette lag, und vom Wein erhitzt,<lb/>
&#x017F;charlachfarben aus&#x017F;ah, auch wu&#x0364;rklich einge&#x017F;chlafen<lb/>
war. Beinahe wa&#x0364;re Johann Jacob auf den Ver-<lb/>
dacht gerathen, der alte Marqueur ha&#x0364;tte ihm nicht<lb/>
die Wahrheit ge&#x017F;agt, doch meine Gegenwart u&#x0364;ber-<lb/>
zeugte ihn eines andern. Deß ich erhitzt aus&#x017F;ah<lb/>
und einge&#x017F;chlafen war, bewies ihm beim zweiten<lb/>
Augenblick der Ueberlegung nichts, aber er be&#x017F;chloß<lb/>
nun auch, &#x017F;ich zu ver&#x017F;tellen, &#x017F;chwieg al&#x017F;o ga&#x0364;nzlich<lb/>
und gieng weg.</p><lb/>
          <p>Als ich erwachte, erhielt mich meine Mutter<lb/>
nicht mehr im Bette, &#x017F;ie mußte mich wieder an-<lb/>
ziehen, und ich lief hinaus, wogegen &#x017F;ie eigentlich<lb/>
nichts mehr einzuwenden hatte, da &#x017F;ie es nicht der<lb/>
Mu&#x0364;he werth hielt, &#x017F;ich und mir um ihres Herrn<lb/>
und Gemahls willen la&#x0364;nger Zwang anzuthun, die<lb/>
Sache vorbei hielt, und &#x017F;ich an dem Gedanken wei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dete,</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0048] er gar verloren gegangen waͤre, oder ein Ungluͤck genommen haͤtte? Jacob hoͤrte, wie immer bei ſolchen Kennzeichen der Kunſt in Behauptung und natuͤrlicher Darſtel- lung einer angenommenen Rolle, mit Erſtaunen zu, er lernte nie ſo was gewohnt werden, die Genie- ſtreiche ſeines Suschens ſetzten ihn immer aufs neue in Berwunderung, die ihm keinen Ausdruck derſelben zuließen. Stillſchweigend gieng er mit dahin, wo ich im Bette lag, und vom Wein erhitzt, ſcharlachfarben ausſah, auch wuͤrklich eingeſchlafen war. Beinahe waͤre Johann Jacob auf den Ver- dacht gerathen, der alte Marqueur haͤtte ihm nicht die Wahrheit geſagt, doch meine Gegenwart uͤber- zeugte ihn eines andern. Deß ich erhitzt ausſah und eingeſchlafen war, bewies ihm beim zweiten Augenblick der Ueberlegung nichts, aber er beſchloß nun auch, ſich zu verſtellen, ſchwieg alſo gaͤnzlich und gieng weg. Als ich erwachte, erhielt mich meine Mutter nicht mehr im Bette, ſie mußte mich wieder an- ziehen, und ich lief hinaus, wogegen ſie eigentlich nichts mehr einzuwenden hatte, da ſie es nicht der Muͤhe werth hielt, ſich und mir um ihres Herrn und Gemahls willen laͤnger Zwang anzuthun, die Sache vorbei hielt, und ſich an dem Gedanken wei- dete,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/48
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/48>, abgerufen am 27.11.2024.