armen Spittel sie endlich Ruhe gefunden hatte, hin- aus ohne jedoch zu wissen, welchen Weg ich wäh- len sollte. Jch hatte nur noch einige Thaler, doch aber befand sich in einem der Gasthöfe noch ein Cof- fer mit Kleidern und Wäsche, den mir die Gläubiger, da ich eigentlich nicht ihr Schuldner war, lassen mußten. Jndem ich nun also, die Hände in die Seiten gestemmt, auf ein ehrenvolles Fortkommen sann, stieß ich auf die große Schwierigkeit ohne Baar- schaft zu sein, dabei es mir unmöglich schien, als ein Chevalier d' Jndustrie, der es aufs große an- legen will, fort zu kommen. Woher aber in der Geschwindigkeit Geld nehmen? -- Ein Spiel mit den etlichen Thalern wagen, dachte ich, und sich dabei klug benommen, die Stadt ist zwar klein und es fehlt an Spielern von Beträchtlichkeit, nur in einer einzigen Kneipe spielen etliche lüderliche Bür- ger und dito Söhne andrer reicher Bürger, wenn ich ihnen zusammen nur 100 Thlr. abnehme, so ist das doch ein kleiner Anfang; damit begeb ich mich in eine andere Stadt und so will ich mich schon glücklich forthelfen.
Allein der Mensch denkt und das Schicksal lenkt! Jch machte den Versuch in der Kneipe so be- hutsam als ich konnte; aber da war unter andern ein naseweiser Schneiders-Sohn, der blos darum ein Spieler worden war und seine Mutter zu Grun- de richtete, weil sein Vater mit allem, was ihm angehörte, durchaus zur vornehmen Welt gehören wollte. Leute von Stande aus der dortigen Gegend, deren Garderobe er auf Credit besorgte, hatten ihn
hierin-
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armen Spittel ſie endlich Ruhe gefunden hatte, hin- aus ohne jedoch zu wiſſen, welchen Weg ich waͤh- len ſollte. Jch hatte nur noch einige Thaler, doch aber befand ſich in einem der Gaſthoͤfe noch ein Cof- fer mit Kleidern und Waͤſche, den mir die Glaͤubiger, da ich eigentlich nicht ihr Schuldner war, laſſen mußten. Jndem ich nun alſo, die Haͤnde in die Seiten geſtemmt, auf ein ehrenvolles Fortkommen ſann, ſtieß ich auf die große Schwierigkeit ohne Baar- ſchaft zu ſein, dabei es mir unmoͤglich ſchien, als ein Chevalier d’ Jnduſtrie, der es aufs große an- legen will, fort zu kommen. Woher aber in der Geſchwindigkeit Geld nehmen? — Ein Spiel mit den etlichen Thalern wagen, dachte ich, und ſich dabei klug benommen, die Stadt iſt zwar klein und es fehlt an Spielern von Betraͤchtlichkeit, nur in einer einzigen Kneipe ſpielen etliche luͤderliche Buͤr- ger und dito Soͤhne andrer reicher Buͤrger, wenn ich ihnen zuſammen nur 100 Thlr. abnehme, ſo iſt das doch ein kleiner Anfang; damit begeb ich mich in eine andere Stadt und ſo will ich mich ſchon gluͤcklich forthelfen.
Allein der Menſch denkt und das Schickſal lenkt! Jch machte den Verſuch in der Kneipe ſo be- hutſam als ich konnte; aber da war unter andern ein naſeweiſer Schneiders-Sohn, der blos darum ein Spieler worden war und ſeine Mutter zu Grun- de richtete, weil ſein Vater mit allem, was ihm angehoͤrte, durchaus zur vornehmen Welt gehoͤren wollte. Leute von Stande aus der dortigen Gegend, deren Garderobe er auf Credit beſorgte, hatten ihn
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armen Spittel ſie endlich Ruhe gefunden hatte, hin-
aus ohne jedoch zu wiſſen, welchen Weg ich waͤh-
len ſollte. Jch hatte nur noch einige Thaler, doch
aber befand ſich in einem der Gaſthoͤfe noch ein Cof-
fer mit Kleidern und Waͤſche, den mir die Glaͤubiger,
da ich eigentlich nicht ihr Schuldner war, laſſen
mußten. Jndem ich nun alſo, die Haͤnde in die
Seiten geſtemmt, auf ein ehrenvolles Fortkommen
ſann, ſtieß ich auf die große Schwierigkeit ohne Baar-
ſchaft zu ſein, dabei es mir unmoͤglich ſchien, als
ein Chevalier d’ Jnduſtrie, der es aufs große an-
legen will, fort zu kommen. Woher aber in der
Geſchwindigkeit Geld nehmen? — Ein Spiel mit
den etlichen Thalern wagen, dachte ich, und ſich
dabei klug benommen, die Stadt iſt zwar klein und
es fehlt an Spielern von Betraͤchtlichkeit, nur in
einer einzigen Kneipe ſpielen etliche luͤderliche Buͤr-
ger und dito Soͤhne andrer reicher Buͤrger, wenn
ich ihnen zuſammen nur 100 Thlr. abnehme, ſo
iſt das doch ein kleiner Anfang; damit begeb ich
mich in eine andere Stadt und ſo will ich mich
ſchon gluͤcklich forthelfen.
Allein der Menſch denkt und das Schickſal
lenkt! Jch machte den Verſuch in der Kneipe ſo be-
hutſam als ich konnte; aber da war unter andern
ein naſeweiſer Schneiders-Sohn, der blos darum
ein Spieler worden war und ſeine Mutter zu Grun-
de richtete, weil ſein Vater mit allem, was ihm
angehoͤrte, durchaus zur vornehmen Welt gehoͤren
wollte. Leute von Stande aus der dortigen Gegend,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/459>, abgerufen am 22.11.2024.
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