Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
drei Monaten, die ich über das schon abgelaufene Jahr noch sitzen sollte gemildert ward, und dieß in Ansehung meiner Jugend und Klausens Kunstgriffe der Verführung, welche mein Adpocat ohne Gefahr zu meiner Entschuldigung anführen konnte, weil kein Klaus gegenwärtig war. Mein Mitgehülfe Nehmer wollte zwar widersprechen, aber auch er wurde durch Geld und versprochene Fürbitte zum Schweigen gebracht, auch geschah so viel für ihn, daß er mit 10 Jahren Zuchthausstrafe davon kam. Die Zeit, welche ich noch zu sitzen hatte, ver- ging mir nicht ganz unangenehm, denn meine Mut- ter, die ihr großes Guth hatte verkaufen müssen, ließ mich nicht Noth leiden, welches ich jetzt, da sie mir so mit einem blauen Auge durchgeholfen hatte, durch Bescheidenheit und Schmeichelei zuwegebrachte. Sie dankte nun selbst Gott, daß ich der Schande und der Beraubung der Freiheit entgangen war, zählte auf mein Versprechen, daß ich künftig so viel erwerben wollte, als sie für mich hingegeben, wel- ches ihr dann auch zu gute kommen sollte. Madelons verblichener Körper allein war in Schmelzdorf zurückgeblieben, wir andern sahn es nie wieder. Meine Mutter legte den Rest ihres Vermögens auf den Ankauf eines kleinern Guths an, und ich nahm mir vor, wenn die Zeit meines Arrests vorbei sein würde, bei ihr auszuruhn und mit Muse zu überlegen, wohin ich meine Feder sollte fliegen lassen. Doch es mußte sich schicken, daß ich länger auf dem Lande blieb, als es mein Wille war. Eben
drei Monaten, die ich uͤber das ſchon abgelaufene Jahr noch ſitzen ſollte gemildert ward, und dieß in Anſehung meiner Jugend und Klauſens Kunſtgriffe der Verfuͤhrung, welche mein Adpocat ohne Gefahr zu meiner Entſchuldigung anfuͤhren konnte, weil kein Klaus gegenwaͤrtig war. Mein Mitgehuͤlfe Nehmer wollte zwar widerſprechen, aber auch er wurde durch Geld und verſprochene Fuͤrbitte zum Schweigen gebracht, auch geſchah ſo viel fuͤr ihn, daß er mit 10 Jahren Zuchthausſtrafe davon kam. Die Zeit, welche ich noch zu ſitzen hatte, ver- ging mir nicht ganz unangenehm, denn meine Mut- ter, die ihr großes Guth hatte verkaufen muͤſſen, ließ mich nicht Noth leiden, welches ich jetzt, da ſie mir ſo mit einem blauen Auge durchgeholfen hatte, durch Beſcheidenheit und Schmeichelei zuwegebrachte. Sie dankte nun ſelbſt Gott, daß ich der Schande und der Beraubung der Freiheit entgangen war, zaͤhlte auf mein Verſprechen, daß ich kuͤnftig ſo viel erwerben wollte, als ſie fuͤr mich hingegeben, wel- ches ihr dann auch zu gute kommen ſollte. Madelons verblichener Koͤrper allein war in Schmelzdorf zuruͤckgeblieben, wir andern ſahn es nie wieder. Meine Mutter legte den Reſt ihres Vermoͤgens auf den Ankauf eines kleinern Guths an, und ich nahm mir vor, wenn die Zeit meines Arreſts vorbei ſein wuͤrde, bei ihr auszuruhn und mit Muſe zu uͤberlegen, wohin ich meine Feder ſollte fliegen laſſen. Doch es mußte ſich ſchicken, daß ich laͤnger auf dem Lande blieb, als es mein Wille war. Eben
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Anſehung meiner Jugend und Klauſens Kunſtgriffe
der Verfuͤhrung, welche mein Adpocat ohne Gefahr
zu meiner Entſchuldigung anfuͤhren konnte, weil
kein Klaus gegenwaͤrtig war. Mein Mitgehuͤlfe
Nehmer wollte zwar widerſprechen, aber auch er
wurde durch Geld und verſprochene Fuͤrbitte zum
Schweigen gebracht, auch geſchah ſo viel fuͤr ihn,
daß er mit 10 Jahren Zuchthausſtrafe davon kam.
Die Zeit, welche ich noch zu ſitzen hatte, ver-
ging mir nicht ganz unangenehm, denn meine Mut-
ter, die ihr großes Guth hatte verkaufen muͤſſen, ließ
mich nicht Noth leiden, welches ich jetzt, da ſie mir
ſo mit einem blauen Auge durchgeholfen hatte, durch
Beſcheidenheit und Schmeichelei zuwegebrachte.
Sie dankte nun ſelbſt Gott, daß ich der Schande
und der Beraubung der Freiheit entgangen war,
zaͤhlte auf mein Verſprechen, daß ich kuͤnftig ſo viel
erwerben wollte, als ſie fuͤr mich hingegeben, wel-
ches ihr dann auch zu gute kommen ſollte.
Madelons verblichener Koͤrper allein war in
Schmelzdorf zuruͤckgeblieben, wir andern ſahn es
nie wieder. Meine Mutter legte den Reſt ihres
Vermoͤgens auf den Ankauf eines kleinern Guths
an, und ich nahm mir vor, wenn die Zeit meines
Arreſts vorbei ſein wuͤrde, bei ihr auszuruhn und
mit Muſe zu uͤberlegen, wohin ich meine Feder ſollte
fliegen laſſen. Doch es mußte ſich ſchicken, daß ich
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