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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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Jch bat um die Vergünstigung, meiner Mut-
ter schreiben zu dürfen und erhielt sie; da ich aber
zeigen sollte, was ich schrieb, so faßte ichs kurz und
beschwur blos meine Mutter hoch und theuer selbst
zu kommen. Sie gehorchte, wiewohl ungern; da
ich unterdessen erkundet hatte, daß mir weniger nicht
zuerkannt werden könnte, als Festungsbau oder Zucht-
hausstrafe wo nicht auf Zeit Lebens doch auf viele Jah-
re, so fand sie mich gerüstet, sie aufs äußerste zu trei-
ben, damit sie mich, sollte es auch ihr halbes Vermö-
gen kosten, auch davon befreien möchte.

Einer Leiche ähnlich trat sie in mein Gefäng-
niß, sagte, die Hände ringend: ach du gottloses
Kind! und sank auf einen zerbrochenen Strohstuhl,
der mit ihr umfiel. Der Gefangenen Aufseher hat-
te herzliches Mitleiden, er hob sie auf, tröstete sie,
holte Wasser, ja so gar Mediein herbei, um der
ohnmächtig seienden oder thuenden Dame beizu-
stehn. Nachdem sie sich etwas erholt hatte, blieben
wir allein, und da waren wir beide in der ersten
Minute so stumm, daß eins von dem andern glau-
ben mußte, es habe die Sprache verloren. Meine
Mutter gab zuerst den Beweiß, daß sie noch sprechen
könnte; noch einmal sagte sie: o du gottloses Kind!
was machst du mir für Schande und Herreleid!

Jch. Schande und Herzeleid? Wie curiös Sie
sprechen! als wenn das nun so viel zu sagen hätte,
wenn ein so lustiger Streich, wie ich dem Pro-
fessor Knapp gespielt habe, an Tag kömmt! Ge-
stehn Sie nur, daß Sie die Sache an sich für
nichts, ja vielmehr gar für ein recht pfiffiges
Stückchen halten.

Meine
D d 2
Jch bat um die Verguͤnſtigung, meiner Mut-
ter ſchreiben zu duͤrfen und erhielt ſie; da ich aber
zeigen ſollte, was ich ſchrieb, ſo faßte ichs kurz und
beſchwur blos meine Mutter hoch und theuer ſelbſt
zu kommen. Sie gehorchte, wiewohl ungern; da
ich unterdeſſen erkundet hatte, daß mir weniger nicht
zuerkannt werden koͤnnte, als Feſtungsbau oder Zucht-
hausſtrafe wo nicht auf Zeit Lebens doch auf viele Jah-
re, ſo fand ſie mich geruͤſtet, ſie aufs aͤußerſte zu trei-
ben, damit ſie mich, ſollte es auch ihr halbes Vermoͤ-
gen koſten, auch davon befreien moͤchte.

Einer Leiche aͤhnlich trat ſie in mein Gefaͤng-
niß, ſagte, die Haͤnde ringend: ach du gottloſes
Kind! und ſank auf einen zerbrochenen Strohſtuhl,
der mit ihr umfiel. Der Gefangenen Aufſeher hat-
te herzliches Mitleiden, er hob ſie auf, troͤſtete ſie,
holte Waſſer, ja ſo gar Mediein herbei, um der
ohnmaͤchtig ſeienden oder thuenden Dame beizu-
ſtehn. Nachdem ſie ſich etwas erholt hatte, blieben
wir allein, und da waren wir beide in der erſten
Minute ſo ſtumm, daß eins von dem andern glau-
ben mußte, es habe die Sprache verloren. Meine
Mutter gab zuerſt den Beweiß, daß ſie noch ſprechen
koͤnnte; noch einmal ſagte ſie: o du gottloſes Kind!
was machſt du mir fuͤr Schande und Herꝛeleid!

Jch. Schande und Herzeleid? Wie curioͤs Sie
ſprechen! als wenn das nun ſo viel zu ſagen haͤtte,
wenn ein ſo luſtiger Streich, wie ich dem Pro-
feſſor Knapp geſpielt habe, an Tag koͤmmt! Ge-
ſtehn Sie nur, daß Sie die Sache an ſich fuͤr
nichts, ja vielmehr gar fuͤr ein recht pfiffiges
Stuͤckchen halten.

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[419/0423] Jch bat um die Verguͤnſtigung, meiner Mut- ter ſchreiben zu duͤrfen und erhielt ſie; da ich aber zeigen ſollte, was ich ſchrieb, ſo faßte ichs kurz und beſchwur blos meine Mutter hoch und theuer ſelbſt zu kommen. Sie gehorchte, wiewohl ungern; da ich unterdeſſen erkundet hatte, daß mir weniger nicht zuerkannt werden koͤnnte, als Feſtungsbau oder Zucht- hausſtrafe wo nicht auf Zeit Lebens doch auf viele Jah- re, ſo fand ſie mich geruͤſtet, ſie aufs aͤußerſte zu trei- ben, damit ſie mich, ſollte es auch ihr halbes Vermoͤ- gen koſten, auch davon befreien moͤchte. Einer Leiche aͤhnlich trat ſie in mein Gefaͤng- niß, ſagte, die Haͤnde ringend: ach du gottloſes Kind! und ſank auf einen zerbrochenen Strohſtuhl, der mit ihr umfiel. Der Gefangenen Aufſeher hat- te herzliches Mitleiden, er hob ſie auf, troͤſtete ſie, holte Waſſer, ja ſo gar Mediein herbei, um der ohnmaͤchtig ſeienden oder thuenden Dame beizu- ſtehn. Nachdem ſie ſich etwas erholt hatte, blieben wir allein, und da waren wir beide in der erſten Minute ſo ſtumm, daß eins von dem andern glau- ben mußte, es habe die Sprache verloren. Meine Mutter gab zuerſt den Beweiß, daß ſie noch ſprechen koͤnnte; noch einmal ſagte ſie: o du gottloſes Kind! was machſt du mir fuͤr Schande und Herꝛeleid! Jch. Schande und Herzeleid? Wie curioͤs Sie ſprechen! als wenn das nun ſo viel zu ſagen haͤtte, wenn ein ſo luſtiger Streich, wie ich dem Pro- feſſor Knapp geſpielt habe, an Tag koͤmmt! Ge- ſtehn Sie nur, daß Sie die Sache an ſich fuͤr nichts, ja vielmehr gar fuͤr ein recht pfiffiges Stuͤckchen halten. Meine D d 2

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/423>, abgerufen am 28.11.2024.