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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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Nichts geringers, als sie meinen eigenen Wün-
schen geneigt zu machen, versetzte ich; darum kön-
nen Sie sehen, wie groß meine Freundschaft gegen
Sie ist, da ich bereit bin, sie Jhnen abzutreten.

Blasewitz war erstaunt, Schnitzer, rief er aus,
ists möglich; Jhre leibliche Schwester! Jch lachte
über seine Vorurtheile, und suchte ihm zu beweisen,
daß dergleichen Distinctionen blos von der mensch-
lichen Klugheit herkämen, welche durch das Ver-
bot der ehelichen Verbindung unter Blutsfreunden
die Jsolirung der Geschlechter hätte verhüten und
dagegen die Bande der allgemeinen Geselligkeit ein-
führen wollen; also wär diese zum Unrecht oder gar
zum Verbrechen gemachte Chimüre nicht Gesetz der
Natur.

Jhr seht, meine Leser, daß Goldfritzel viel Ver-
stand hatte, und zu unterscheiden wußte, so gut
als manches andere große Genie. Jch that mir auf
diesen Ausspruch in der Folge etwas rechts zu gute,
denn da las ich die Theaterstücke des Herrn Präst-
denten von Kotzebue, und fand, daß dieser, ein gro-
ßer Gelehrter und berühmter Mann, ähnlicher Mei-
nung über diesen Punct sowohl, als überhaupt über
die Fesseln ist, welche Madam Moral der Natur
angelegt hat. Jch hätte den Mann umarmen mö-
gen, daß er Bruder Moritzen die leibliche Schwe-
ster ehligen läßt, und in einigen seiner andern Stücke
die Heldinnen derselben, ohne sich vorher ins Ehejoch
gespannt zu haben, schwanger sind -- Celestin frei-
lich war nicht meiner Meinung, er schüttelte den
Kopf dazu und meinte, man sollte der Ausgelassen-
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Nichts geringers, als ſie meinen eigenen Wuͤn-
ſchen geneigt zu machen, verſetzte ich; darum koͤn-
nen Sie ſehen, wie groß meine Freundſchaft gegen
Sie iſt, da ich bereit bin, ſie Jhnen abzutreten.

Blaſewitz war erſtaunt, Schnitzer, rief er aus,
iſts moͤglich; Jhre leibliche Schweſter! Jch lachte
uͤber ſeine Vorurtheile, und ſuchte ihm zu beweiſen,
daß dergleichen Diſtinctionen blos von der menſch-
lichen Klugheit herkaͤmen, welche durch das Ver-
bot der ehelichen Verbindung unter Blutsfreunden
die Jſolirung der Geſchlechter haͤtte verhuͤten und
dagegen die Bande der allgemeinen Geſelligkeit ein-
fuͤhren wollen; alſo waͤr dieſe zum Unrecht oder gar
zum Verbrechen gemachte Chimuͤre nicht Geſetz der
Natur.

Jhr ſeht, meine Leſer, daß Goldfritzel viel Ver-
ſtand hatte, und zu unterſcheiden wußte, ſo gut
als manches andere große Genie. Jch that mir auf
dieſen Ausſpruch in der Folge etwas rechts zu gute,
denn da las ich die Theaterſtuͤcke des Herrn Praͤſt-
denten von Kotzebue, und fand, daß dieſer, ein gro-
ßer Gelehrter und beruͤhmter Mann, aͤhnlicher Mei-
nung uͤber dieſen Punct ſowohl, als uͤberhaupt uͤber
die Feſſeln iſt, welche Madam Moral der Natur
angelegt hat. Jch haͤtte den Mann umarmen moͤ-
gen, daß er Bruder Moritzen die leibliche Schwe-
ſter ehligen laͤßt, und in einigen ſeiner andern Stuͤcke
die Heldinnen derſelben, ohne ſich vorher ins Ehejoch
geſpannt zu haben, ſchwanger ſind — Celeſtin frei-
lich war nicht meiner Meinung, er ſchuͤttelte den
Kopf dazu und meinte, man ſollte der Ausgelaſſen-
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[391/0395] Nichts geringers, als ſie meinen eigenen Wuͤn- ſchen geneigt zu machen, verſetzte ich; darum koͤn- nen Sie ſehen, wie groß meine Freundſchaft gegen Sie iſt, da ich bereit bin, ſie Jhnen abzutreten. Blaſewitz war erſtaunt, Schnitzer, rief er aus, iſts moͤglich; Jhre leibliche Schweſter! Jch lachte uͤber ſeine Vorurtheile, und ſuchte ihm zu beweiſen, daß dergleichen Diſtinctionen blos von der menſch- lichen Klugheit herkaͤmen, welche durch das Ver- bot der ehelichen Verbindung unter Blutsfreunden die Jſolirung der Geſchlechter haͤtte verhuͤten und dagegen die Bande der allgemeinen Geſelligkeit ein- fuͤhren wollen; alſo waͤr dieſe zum Unrecht oder gar zum Verbrechen gemachte Chimuͤre nicht Geſetz der Natur. Jhr ſeht, meine Leſer, daß Goldfritzel viel Ver- ſtand hatte, und zu unterſcheiden wußte, ſo gut als manches andere große Genie. Jch that mir auf dieſen Ausſpruch in der Folge etwas rechts zu gute, denn da las ich die Theaterſtuͤcke des Herrn Praͤſt- denten von Kotzebue, und fand, daß dieſer, ein gro- ßer Gelehrter und beruͤhmter Mann, aͤhnlicher Mei- nung uͤber dieſen Punct ſowohl, als uͤberhaupt uͤber die Feſſeln iſt, welche Madam Moral der Natur angelegt hat. Jch haͤtte den Mann umarmen moͤ- gen, daß er Bruder Moritzen die leibliche Schwe- ſter ehligen laͤßt, und in einigen ſeiner andern Stuͤcke die Heldinnen derſelben, ohne ſich vorher ins Ehejoch geſpannt zu haben, ſchwanger ſind — Celeſtin frei- lich war nicht meiner Meinung, er ſchuͤttelte den Kopf dazu und meinte, man ſollte der Ausgelaſſen- heit B b 4

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/395>, abgerufen am 22.11.2024.