sah oft nach, wie viel noch vorhanden wäre, un- tersuchte sogar in der Küche, ob davon gekocht würde und verlangte wohl gar, daß sie nebst den Kindern davon essen sollte, wo sie denn nur für ihn, seines schlechten Magens wegen, ein apartes Gerichtchen besorgen durfte. Die gute Frau hatte also jedesmal, wenn er solche Fülle ins Haus brachte, einen großen Schreck, denn sie wußte nicht, wie sie sich dabei verhalten sollte.
Da es nun unmöglich war sein Verlangen pünkt- lich zu erfüllen, so setzte es doch immer Verdruß, wobei er am meisten zu leiden behauptete, und sich einen Kreutzträger nannte.
Um sein betrübtes Schicksal zu erleichtern, kaufte er ein kleines Landguth, schickte Frau und Kinder dahin, verpachtete aber die Wirthschaft, und setzte äußerst wenig für seine Familie und ein ar- mes Landmädchen, das er statt aller Bedienung für sie annahm, aus. Er wünschte sich Glück, diese Einrichtung getroffen zu haben, denn einmal war des Aufgangs in der Stadt um so viel weni- ger, und er durfte blos einen Bedienten halten, den er leider nicht entbehren konnte. Zweitens brauchten Frau und Kinder auf dem Lande nicht so viel Staat, weshalb er auch die besten Klei- der der ersten bei sich behielt und sie sorgfältig ver-
wahr-
ſah oft nach, wie viel noch vorhanden waͤre, un- terſuchte ſogar in der Kuͤche, ob davon gekocht wuͤrde und verlangte wohl gar, daß ſie nebſt den Kindern davon eſſen ſollte, wo ſie denn nur fuͤr ihn, ſeines ſchlechten Magens wegen, ein apartes Gerichtchen beſorgen durfte. Die gute Frau hatte alſo jedesmal, wenn er ſolche Fuͤlle ins Haus brachte, einen großen Schreck, denn ſie wußte nicht, wie ſie ſich dabei verhalten ſollte.
Da es nun unmoͤglich war ſein Verlangen puͤnkt- lich zu erfuͤllen, ſo ſetzte es doch immer Verdruß, wobei er am meiſten zu leiden behauptete, und ſich einen Kreutztraͤger nannte.
Um ſein betruͤbtes Schickſal zu erleichtern, kaufte er ein kleines Landguth, ſchickte Frau und Kinder dahin, verpachtete aber die Wirthſchaft, und ſetzte aͤußerſt wenig fuͤr ſeine Familie und ein ar- mes Landmaͤdchen, das er ſtatt aller Bedienung fuͤr ſie annahm, aus. Er wuͤnſchte ſich Gluͤck, dieſe Einrichtung getroffen zu haben, denn einmal war des Aufgangs in der Stadt um ſo viel weni- ger, und er durfte blos einen Bedienten halten, den er leider nicht entbehren konnte. Zweitens brauchten Frau und Kinder auf dem Lande nicht ſo viel Staat, weshalb er auch die beſten Klei- der der erſten bei ſich behielt und ſie ſorgfaͤltig ver-
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ſah oft nach, wie viel noch vorhanden waͤre, un-
terſuchte ſogar in der Kuͤche, ob davon gekocht
wuͤrde und verlangte wohl gar, daß ſie nebſt den
Kindern davon eſſen ſollte, wo ſie denn nur fuͤr
ihn, ſeines ſchlechten Magens wegen, ein apartes
Gerichtchen beſorgen durfte. Die gute Frau hatte
alſo jedesmal, wenn er ſolche Fuͤlle ins Haus
brachte, einen großen Schreck, denn ſie wußte
nicht, wie ſie ſich dabei verhalten ſollte.
Da es nun unmoͤglich war ſein Verlangen puͤnkt-
lich zu erfuͤllen, ſo ſetzte es doch immer Verdruß,
wobei er am meiſten zu leiden behauptete, und
ſich einen Kreutztraͤger nannte.
Um ſein betruͤbtes Schickſal zu erleichtern,
kaufte er ein kleines Landguth, ſchickte Frau und
Kinder dahin, verpachtete aber die Wirthſchaft,
und ſetzte aͤußerſt wenig fuͤr ſeine Familie und ein ar-
mes Landmaͤdchen, das er ſtatt aller Bedienung
fuͤr ſie annahm, aus. Er wuͤnſchte ſich Gluͤck,
dieſe Einrichtung getroffen zu haben, denn einmal
war des Aufgangs in der Stadt um ſo viel weni-
ger, und er durfte blos einen Bedienten halten,
den er leider nicht entbehren konnte. Zweitens
brauchten Frau und Kinder auf dem Lande nicht
ſo viel Staat, weshalb er auch die beſten Klei-
der der erſten bei ſich behielt und ſie ſorgfaͤltig ver-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/337>, abgerufen am 25.11.2024.
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