eine Predigt von ihrem seligen Mann vorlesen zu lassen, und stellte mich dabei recht sehr gerührt.
Jch wußte indessen nicht, wie mich dies al- les zu meinem Zweck führen sollte, und war der Mühe und des Zwangs überdrüßig, auch hatte ich keine Zeit mehr darauf zu verwenden. Dor- chen liebte mich unaussprechlich, allein was half es mir! Offenbar dachte sie auf eine ernstliche Ver- bindung, welches nicht mein Wille war, und mehr als zu sehr leuchtete mirs ein, daß es äußerst schwer sein würde, sie zu verführen. Gern hätte ich sie mit einer ganz andern Art Lectüre versehen, als die sie verlangte, und ich ihr, um mich ihrer guten Meinung zu versichern, brachte; aber dies durfte ich nicht wagen, die leiseste Erwähnung von Gedichten, oder Stellen aus Büchern, die den Wohlstand beleidigten, erregten ihr Mißfallen.
Diese Dorothea hätte mich belehren sollen, daß nicht alle weibliche Geschöpfe den Frauenzim- mern meiner Jdee gleichen, sie hätte mich bekeh- ren und zum Wohlgefallen an Frauenzimmern ih- rer Art, besonders zu aufrichtiger Gegenliebe für sie bewegen sollen. Allein ich war gebohrner, er- zogner und eingefleischter Thiermensch, der es auch mit allem Bestreben sein wollte; ich machte würk- lich die Bemerkung, Dorothea sei das nicht, was
die
eine Predigt von ihrem ſeligen Mann vorleſen zu laſſen, und ſtellte mich dabei recht ſehr geruͤhrt.
Jch wußte indeſſen nicht, wie mich dies al- les zu meinem Zweck fuͤhren ſollte, und war der Muͤhe und des Zwangs uͤberdruͤßig, auch hatte ich keine Zeit mehr darauf zu verwenden. Dor- chen liebte mich unausſprechlich, allein was half es mir! Offenbar dachte ſie auf eine ernſtliche Ver- bindung, welches nicht mein Wille war, und mehr als zu ſehr leuchtete mirs ein, daß es aͤußerſt ſchwer ſein wuͤrde, ſie zu verfuͤhren. Gern haͤtte ich ſie mit einer ganz andern Art Lectuͤre verſehen, als die ſie verlangte, und ich ihr, um mich ihrer guten Meinung zu verſichern, brachte; aber dies durfte ich nicht wagen, die leiſeſte Erwaͤhnung von Gedichten, oder Stellen aus Buͤchern, die den Wohlſtand beleidigten, erregten ihr Mißfallen.
Dieſe Dorothea haͤtte mich belehren ſollen, daß nicht alle weibliche Geſchoͤpfe den Frauenzim- mern meiner Jdee gleichen, ſie haͤtte mich bekeh- ren und zum Wohlgefallen an Frauenzimmern ih- rer Art, beſonders zu aufrichtiger Gegenliebe fuͤr ſie bewegen ſollen. Allein ich war gebohrner, er- zogner und eingefleiſchter Thiermenſch, der es auch mit allem Beſtreben ſein wollte; ich machte wuͤrk- lich die Bemerkung, Dorothea ſei das nicht, was
die
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eine Predigt von ihrem ſeligen Mann vorleſen zu
laſſen, und ſtellte mich dabei recht ſehr geruͤhrt.
Jch wußte indeſſen nicht, wie mich dies al-
les zu meinem Zweck fuͤhren ſollte, und war der
Muͤhe und des Zwangs uͤberdruͤßig, auch hatte
ich keine Zeit mehr darauf zu verwenden. Dor-
chen liebte mich unausſprechlich, allein was half
es mir! Offenbar dachte ſie auf eine ernſtliche Ver-
bindung, welches nicht mein Wille war, und
mehr als zu ſehr leuchtete mirs ein, daß es aͤußerſt
ſchwer ſein wuͤrde, ſie zu verfuͤhren. Gern haͤtte
ich ſie mit einer ganz andern Art Lectuͤre verſehen,
als die ſie verlangte, und ich ihr, um mich ihrer
guten Meinung zu verſichern, brachte; aber dies
durfte ich nicht wagen, die leiſeſte Erwaͤhnung von
Gedichten, oder Stellen aus Buͤchern, die den
Wohlſtand beleidigten, erregten ihr Mißfallen.
Dieſe Dorothea haͤtte mich belehren ſollen,
daß nicht alle weibliche Geſchoͤpfe den Frauenzim-
mern meiner Jdee gleichen, ſie haͤtte mich bekeh-
ren und zum Wohlgefallen an Frauenzimmern ih-
rer Art, beſonders zu aufrichtiger Gegenliebe fuͤr
ſie bewegen ſollen. Allein ich war gebohrner, er-
zogner und eingefleiſchter Thiermenſch, der es auch
mit allem Beſtreben ſein wollte; ich machte wuͤrk-
lich die Bemerkung, Dorothea ſei das nicht, was
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/321>, abgerufen am 22.11.2024.
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