nicht alle Miethsleute wären so vernünftig ich, andere könnten sich daran stoßen, und so die Stube, welche ich jetzt bewohnte, wohl gar leer stehen bleiben, wenn ich auf die Universität ging; also verböthen sie sich dergleichen albernes Gewäsch. Der arme Dulter litt also lieber schweigend, und trö- stete sich damit, daß doch der Geist, oder die Gei- ster, welche ihn beruhigten, seiner Gesundheit noch nicht allzugroßen Schaden gethan hätten. Zwar fühlte er sie abnehmen, und merkte sehr wohl, daß es auf jeden Schreck und jede unruhig hingebrach- te Nacht schlimmer wurde; allein sein Trost war, daß ich versprochen hatte, ihn mit auf die Akademie zu nehmen, wo er dann dies unsichere Haus ver- lassen und in Ruhe eine Kur brauchen wollte. Um dies Glück nicht zu verscherzen, ertrug er alles stillschweigend, machte sich mir immer gefälliger, und hatte endlich ganz die Rolle meines Bedien- ten übernommen, in welcher ich ihn auch nicht schonte, sondern zu den kleinsten Verrichtungen brauchte.
Jch hätte ihn in der That nicht um vieles missen wollen, und würde ihm mein Wort, ihn mit auf die Akademie zu nehmen, treulich gehal- ten haben, wenn er die letzte Prüfung überstanden
hätte,
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nicht alle Miethsleute waͤren ſo vernuͤnftig ich, andere koͤnnten ſich daran ſtoßen, und ſo die Stube, welche ich jetzt bewohnte, wohl gar leer ſtehen bleiben, wenn ich auf die Univerſitaͤt ging; alſo verboͤthen ſie ſich dergleichen albernes Gewaͤſch. Der arme Dulter litt alſo lieber ſchweigend, und troͤ- ſtete ſich damit, daß doch der Geiſt, oder die Gei- ſter, welche ihn beruhigten, ſeiner Geſundheit noch nicht allzugroßen Schaden gethan haͤtten. Zwar fuͤhlte er ſie abnehmen, und merkte ſehr wohl, daß es auf jeden Schreck und jede unruhig hingebrach- te Nacht ſchlimmer wurde; allein ſein Troſt war, daß ich verſprochen hatte, ihn mit auf die Akademie zu nehmen, wo er dann dies unſichere Haus ver- laſſen und in Ruhe eine Kur brauchen wollte. Um dies Gluͤck nicht zu verſcherzen, ertrug er alles ſtillſchweigend, machte ſich mir immer gefaͤlliger, und hatte endlich ganz die Rolle meines Bedien- ten uͤbernommen, in welcher ich ihn auch nicht ſchonte, ſondern zu den kleinſten Verrichtungen brauchte.
Jch haͤtte ihn in der That nicht um vieles miſſen wollen, und wuͤrde ihm mein Wort, ihn mit auf die Akademie zu nehmen, treulich gehal- ten haben, wenn er die letzte Pruͤfung uͤberſtanden
haͤtte,
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nicht alle Miethsleute waͤren ſo vernuͤnftig ich,
andere koͤnnten ſich daran ſtoßen, und ſo die Stube,
welche ich jetzt bewohnte, wohl gar leer ſtehen
bleiben, wenn ich auf die Univerſitaͤt ging; alſo
verboͤthen ſie ſich dergleichen albernes Gewaͤſch. Der
arme Dulter litt alſo lieber ſchweigend, und troͤ-
ſtete ſich damit, daß doch der Geiſt, oder die Gei-
ſter, welche ihn beruhigten, ſeiner Geſundheit noch
nicht allzugroßen Schaden gethan haͤtten. Zwar
fuͤhlte er ſie abnehmen, und merkte ſehr wohl, daß
es auf jeden Schreck und jede unruhig hingebrach-
te Nacht ſchlimmer wurde; allein ſein Troſt war,
daß ich verſprochen hatte, ihn mit auf die Akademie
zu nehmen, wo er dann dies unſichere Haus ver-
laſſen und in Ruhe eine Kur brauchen wollte. Um
dies Gluͤck nicht zu verſcherzen, ertrug er alles
ſtillſchweigend, machte ſich mir immer gefaͤlliger,
und hatte endlich ganz die Rolle meines Bedien-
ten uͤbernommen, in welcher ich ihn auch nicht
ſchonte, ſondern zu den kleinſten Verrichtungen
brauchte.
Jch haͤtte ihn in der That nicht um vieles
miſſen wollen, und wuͤrde ihm mein Wort, ihn
mit auf die Akademie zu nehmen, treulich gehal-
ten haben, wenn er die letzte Pruͤfung uͤberſtanden
haͤtte,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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