auf ihrer Huth zu sein und sich mit keinem einzu- lassen: denn sie wolle ein ehrliches Mädchen in ih- rem Dienste haben, und könne sie, wenn sie sich übel aufführte, nicht behalten.
Suschen war von der Natur mit einer guten Dosis Stolz versehen worden; dieser hatte sie auch in dem demüthigen Zustande, in welchem sie mit ihrer Mutter in diesen Gasthof gekommen war, nicht verlassen; sie hatte daher gleich in die ersten Erzählungen ihrer Mutter hin und wieder etwas eingestreut, was ihr vor der Wirthinn, noch mehr aber vor den Dienstleuten, die in der Küche zu thun hatten, ein Ansehn geben sollte. So hatte sie z. B. gesagt: ihr Vater hätte eben Unteroffi- cier werden sollen, da ihn sein unglückliches Schick- sal betroffen habe. Sie gedachte auch nachher noch gelegentlich einiger Verwandten von gutem Mittel, die sich hoffentlich ihrer kleinen Brüder annehmen würden. Auch speiste sie keinesweges mit der heis- sen Begierde einer hungrigen Reisenden, die, wie die Mutter sagte, in drei Tagen nichts Warmes genossen hatte, sondern hielt an sich, und ließ sich sogar nöthigen.
Als ihr zuerst der Einfall zu Kopfe gestiegen war, daß sie wohl bei der Frau Wirthinn in Dien- ste kommen möchte, rollte diesem ersten Gedanken
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auf ihrer Huth zu ſein und ſich mit keinem einzu- laſſen: denn ſie wolle ein ehrliches Maͤdchen in ih- rem Dienſte haben, und koͤnne ſie, wenn ſie ſich uͤbel auffuͤhrte, nicht behalten.
Suschen war von der Natur mit einer guten Doſis Stolz verſehen worden; dieſer hatte ſie auch in dem demuͤthigen Zuſtande, in welchem ſie mit ihrer Mutter in dieſen Gaſthof gekommen war, nicht verlaſſen; ſie hatte daher gleich in die erſten Erzaͤhlungen ihrer Mutter hin und wieder etwas eingeſtreut, was ihr vor der Wirthinn, noch mehr aber vor den Dienſtleuten, die in der Kuͤche zu thun hatten, ein Anſehn geben ſollte. So hatte ſie z. B. geſagt: ihr Vater haͤtte eben Unteroffi- cier werden ſollen, da ihn ſein ungluͤckliches Schick- ſal betroffen habe. Sie gedachte auch nachher noch gelegentlich einiger Verwandten von gutem Mittel, die ſich hoffentlich ihrer kleinen Bruͤder annehmen wuͤrden. Auch ſpeiſte ſie keinesweges mit der heis- ſen Begierde einer hungrigen Reiſenden, die, wie die Mutter ſagte, in drei Tagen nichts Warmes genoſſen hatte, ſondern hielt an ſich, und ließ ſich ſogar noͤthigen.
Als ihr zuerſt der Einfall zu Kopfe geſtiegen war, daß ſie wohl bei der Frau Wirthinn in Dien- ſte kommen moͤchte, rollte dieſem erſten Gedanken
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auf ihrer Huth zu ſein und ſich mit keinem einzu-
laſſen: denn ſie wolle ein ehrliches Maͤdchen in ih-
rem Dienſte haben, und koͤnne ſie, wenn ſie ſich
uͤbel auffuͤhrte, nicht behalten.
Suschen war von der Natur mit einer guten
Doſis Stolz verſehen worden; dieſer hatte ſie auch
in dem demuͤthigen Zuſtande, in welchem ſie mit
ihrer Mutter in dieſen Gaſthof gekommen war,
nicht verlaſſen; ſie hatte daher gleich in die erſten
Erzaͤhlungen ihrer Mutter hin und wieder etwas
eingeſtreut, was ihr vor der Wirthinn, noch mehr
aber vor den Dienſtleuten, die in der Kuͤche zu
thun hatten, ein Anſehn geben ſollte. So hatte
ſie z. B. geſagt: ihr Vater haͤtte eben Unteroffi-
cier werden ſollen, da ihn ſein ungluͤckliches Schick-
ſal betroffen habe. Sie gedachte auch nachher noch
gelegentlich einiger Verwandten von gutem Mittel,
die ſich hoffentlich ihrer kleinen Bruͤder annehmen
wuͤrden. Auch ſpeiſte ſie keinesweges mit der heis-
ſen Begierde einer hungrigen Reiſenden, die, wie
die Mutter ſagte, in drei Tagen nichts Warmes
genoſſen hatte, ſondern hielt an ſich, und ließ ſich
ſogar noͤthigen.
Als ihr zuerſt der Einfall zu Kopfe geſtiegen
war, daß ſie wohl bei der Frau Wirthinn in Dien-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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