um sich, und besonders seit etlichen Jahren leu- ter heilloses Gesinde hatte; welches ohne Zweifel auch daher kam, weil sie seit dieser Zeit immer je kränklicher, je verdrüßlicher ward, und die Un- tugenden ihrer Leute schon mehr, als vorher, be- merkte.
Sie hatte Suschen gleich beim ersten Anblicke nicht unleidlich gefunden. Da sie nun hörte, daß sie die Tochter eines ehrlichen Grenadiers wäre, die ihrem Vater die letzten Pflichten hatte leisten helfen; so entstand bei ihr der Gedanke, das Mäd- chen dazubehalten; jedoch wollte sie vor allen Din- gen ein wenig mehr mit ihr bekannt werden, ehe sie etwas in der Sache beschlösse; und dieß war die Ursache, warum der Mutter und der Tochter vergönnt wurde, bis den folgenden Tag im Gast- hofe zu bleiben.
Die Frau Wirthinn machte sich nach Tische noch viel mit den beiden Weibsleuten zu schaffen, gab sogar Suschen einige kleine Aufträge; und das Mädchen, ihrer eignen Absicht voll, verrichtete alles so geschwind, so geschickt und so sittig, daß Madame Schnitzerinn schon ein paarmal auf der Zunge hatte, ihr zu sagen, sie sei willens, Sus- chen bei sich zu behalten. Um sich jedoch nicht zu übereilen, suchte sie die Zeit der Prüfung zu ver-
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um ſich, und beſonders ſeit etlichen Jahren leu- ter heilloſes Geſinde hatte; welches ohne Zweifel auch daher kam, weil ſie ſeit dieſer Zeit immer je kraͤnklicher, je verdruͤßlicher ward, und die Un- tugenden ihrer Leute ſchon mehr, als vorher, be- merkte.
Sie hatte Suschen gleich beim erſten Anblicke nicht unleidlich gefunden. Da ſie nun hoͤrte, daß ſie die Tochter eines ehrlichen Grenadiers waͤre, die ihrem Vater die letzten Pflichten hatte leiſten helfen; ſo entſtand bei ihr der Gedanke, das Maͤd- chen dazubehalten; jedoch wollte ſie vor allen Din- gen ein wenig mehr mit ihr bekannt werden, ehe ſie etwas in der Sache beſchloͤſſe; und dieß war die Urſache, warum der Mutter und der Tochter vergoͤnnt wurde, bis den folgenden Tag im Gaſt- hofe zu bleiben.
Die Frau Wirthinn machte ſich nach Tiſche noch viel mit den beiden Weibsleuten zu ſchaffen, gab ſogar Suschen einige kleine Auftraͤge; und das Maͤdchen, ihrer eignen Abſicht voll, verrichtete alles ſo geſchwind, ſo geſchickt und ſo ſittig, daß Madame Schnitzerinn ſchon ein paarmal auf der Zunge hatte, ihr zu ſagen, ſie ſei willens, Sus- chen bei ſich zu behalten. Um ſich jedoch nicht zu uͤbereilen, ſuchte ſie die Zeit der Pruͤfung zu ver-
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um ſich, und beſonders ſeit etlichen Jahren leu-
ter heilloſes Geſinde hatte; welches ohne Zweifel
auch daher kam, weil ſie ſeit dieſer Zeit immer
je kraͤnklicher, je verdruͤßlicher ward, und die Un-
tugenden ihrer Leute ſchon mehr, als vorher, be-
merkte.
Sie hatte Suschen gleich beim erſten Anblicke
nicht unleidlich gefunden. Da ſie nun hoͤrte, daß
ſie die Tochter eines ehrlichen Grenadiers waͤre,
die ihrem Vater die letzten Pflichten hatte leiſten
helfen; ſo entſtand bei ihr der Gedanke, das Maͤd-
chen dazubehalten; jedoch wollte ſie vor allen Din-
gen ein wenig mehr mit ihr bekannt werden, ehe
ſie etwas in der Sache beſchloͤſſe; und dieß war
die Urſache, warum der Mutter und der Tochter
vergoͤnnt wurde, bis den folgenden Tag im Gaſt-
hofe zu bleiben.
Die Frau Wirthinn machte ſich nach Tiſche
noch viel mit den beiden Weibsleuten zu ſchaffen,
gab ſogar Suschen einige kleine Auftraͤge; und das
Maͤdchen, ihrer eignen Abſicht voll, verrichtete
alles ſo geſchwind, ſo geſchickt und ſo ſittig, daß
Madame Schnitzerinn ſchon ein paarmal auf der
Zunge hatte, ihr zu ſagen, ſie ſei willens, Sus-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/41>, abgerufen am 23.11.2024.
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