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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

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sich bei dieser Aussicht unendlich glücklich. Zehnmal
drückte sie den lieben Brief an ihr Herz, zwanzigmal
küßte sie ihn und gab dem Verfasser die zärtlichsten
Namen, auch die Fanchon mußte ihn küssen, und
erhielt auf die gute Hoffnung, daß der Herr Ba-
ron wieder kommen, Freude und Gewinn zurück-
bringen werde, ein Geschenk. Das zärtliche Sus-
chen richtete seinen Auftrag sehr pünktlich aus,
und war schon im Begriff, ihm darauf schriftlichen
Bericht abzustatten, als sie den glücklichen Einfall
bekam, lieber selbst in das Bad, woher Treff ge-
schrieben hatte, zu reisen.

Schnitzer wunderte sich nicht wenig über die-
sen Einfall, als sie ihm denselben mittheilte, aber
da er nur den Mund öffnete, um sich wörtlich zu
wundern, bezeigte sie mit lauter Stimme ihr Mis-
fallen an der Hartherzigkeit eines Mannes, der
seiner Frau nach so viel ausgestandner Plage und
schweren Krankheiten nicht einmal diese Recrea-
tionsreise gönnen wollte. Schnitzer überlegte, in-
dessen, sie schrie, daß er ein Thor wäre, diesem
Ruhepunkt in seinem jetzigen Lebenslauf entgegen
zu arbeiten und sagte ganz gelassen: "Du hast
recht, mein liebes Suschen, reise -- reise in Got-
tes Namen!"

Sus-

ſich bei dieſer Ausſicht unendlich gluͤcklich. Zehnmal
druͤckte ſie den lieben Brief an ihr Herz, zwanzigmal
kuͤßte ſie ihn und gab dem Verfaſſer die zaͤrtlichſten
Namen, auch die Fanchon mußte ihn kuͤſſen, und
erhielt auf die gute Hoffnung, daß der Herr Ba-
ron wieder kommen, Freude und Gewinn zuruͤck-
bringen werde, ein Geſchenk. Das zaͤrtliche Sus-
chen richtete ſeinen Auftrag ſehr puͤnktlich aus,
und war ſchon im Begriff, ihm darauf ſchriftlichen
Bericht abzuſtatten, als ſie den gluͤcklichen Einfall
bekam, lieber ſelbſt in das Bad, woher Treff ge-
ſchrieben hatte, zu reiſen.

Schnitzer wunderte ſich nicht wenig uͤber die-
ſen Einfall, als ſie ihm denſelben mittheilte, aber
da er nur den Mund oͤffnete, um ſich woͤrtlich zu
wundern, bezeigte ſie mit lauter Stimme ihr Mis-
fallen an der Hartherzigkeit eines Mannes, der
ſeiner Frau nach ſo viel ausgeſtandner Plage und
ſchweren Krankheiten nicht einmal dieſe Recrea-
tionsreiſe goͤnnen wollte. Schnitzer uͤberlegte, in-
deſſen, ſie ſchrie, daß er ein Thor waͤre, dieſem
Ruhepunkt in ſeinem jetzigen Lebenslauf entgegen
zu arbeiten und ſagte ganz gelaſſen: „Du haſt
recht, mein liebes Suschen, reiſe — reiſe in Got-
tes Namen!“

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[364/0370] ſich bei dieſer Ausſicht unendlich gluͤcklich. Zehnmal druͤckte ſie den lieben Brief an ihr Herz, zwanzigmal kuͤßte ſie ihn und gab dem Verfaſſer die zaͤrtlichſten Namen, auch die Fanchon mußte ihn kuͤſſen, und erhielt auf die gute Hoffnung, daß der Herr Ba- ron wieder kommen, Freude und Gewinn zuruͤck- bringen werde, ein Geſchenk. Das zaͤrtliche Sus- chen richtete ſeinen Auftrag ſehr puͤnktlich aus, und war ſchon im Begriff, ihm darauf ſchriftlichen Bericht abzuſtatten, als ſie den gluͤcklichen Einfall bekam, lieber ſelbſt in das Bad, woher Treff ge- ſchrieben hatte, zu reiſen. Schnitzer wunderte ſich nicht wenig uͤber die- ſen Einfall, als ſie ihm denſelben mittheilte, aber da er nur den Mund oͤffnete, um ſich woͤrtlich zu wundern, bezeigte ſie mit lauter Stimme ihr Mis- fallen an der Hartherzigkeit eines Mannes, der ſeiner Frau nach ſo viel ausgeſtandner Plage und ſchweren Krankheiten nicht einmal dieſe Recrea- tionsreiſe goͤnnen wollte. Schnitzer uͤberlegte, in- deſſen, ſie ſchrie, daß er ein Thor waͤre, dieſem Ruhepunkt in ſeinem jetzigen Lebenslauf entgegen zu arbeiten und ſagte ganz gelaſſen: „Du haſt recht, mein liebes Suschen, reiſe — reiſe in Got- tes Namen!“ Sus-

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/370>, abgerufen am 27.11.2024.