Sophie war erstaunt, bestürzt, erschrocken, zit- terte und wankte, hatte aber nicht Zeit ohnmäch- tig zu werden, sondern lief wie sie war zu ihren Schwiegereltern, ihre Unschuld unterstützte sie, wie sie nachher gesagt haben soll, auf diesem Gange und stärkte ihren Muth; sie glaubte Albrechten leicht überzeugen zu können, daß sie nicht strafbar an ihm gehandelt hätte. Doch hier betrog sie der Glaube an ihre gerechte Sache. Busch sprach sie nicht, und seine Eltern riethen ihr, zu thun wie er von ihr verlangt hätte, alles was sie denn zu sagen hätte, würde sie anzubringen schon Gelegen- heit bekommen. Bei einer solchen Behandlung wollte sich Sophie nicht zu dringenden Bitten er- niedrigen, indem sie sich gestand, daß ihre Auf- führung mit Wilhelm Robert unbehutsam gewesen war, fühlte sich auch, daß sie übrigens schuldlos sei und eine Begegnung, wie ihr jetzt wiederfuhr, nicht verdiente. Sie gieng zurück, ließ ihre Sa- chen zu ihren Eltern bringen und begab sich sogleich selbst zu ihnen.
Auch ihre Eltern waren von der übeln Sage, die bisher über Sophien ergangen war, einiger- maßen unterrichtet, sie hatten darüber mit ihr ge- sprochen, glaubten aber, da Sophie selbst nachge- dacht und ihren Umgang mit Roberten einge-
schränkt
Sophie war erſtaunt, beſtuͤrzt, erſchrocken, zit- terte und wankte, hatte aber nicht Zeit ohnmaͤch- tig zu werden, ſondern lief wie ſie war zu ihren Schwiegereltern, ihre Unſchuld unterſtuͤtzte ſie, wie ſie nachher geſagt haben ſoll, auf dieſem Gange und ſtaͤrkte ihren Muth; ſie glaubte Albrechten leicht uͤberzeugen zu koͤnnen, daß ſie nicht ſtrafbar an ihm gehandelt haͤtte. Doch hier betrog ſie der Glaube an ihre gerechte Sache. Buſch ſprach ſie nicht, und ſeine Eltern riethen ihr, zu thun wie er von ihr verlangt haͤtte, alles was ſie denn zu ſagen haͤtte, wuͤrde ſie anzubringen ſchon Gelegen- heit bekommen. Bei einer ſolchen Behandlung wollte ſich Sophie nicht zu dringenden Bitten er- niedrigen, indem ſie ſich geſtand, daß ihre Auf- fuͤhrung mit Wilhelm Robert unbehutſam geweſen war, fuͤhlte ſich auch, daß ſie uͤbrigens ſchuldlos ſei und eine Begegnung, wie ihr jetzt wiederfuhr, nicht verdiente. Sie gieng zuruͤck, ließ ihre Sa- chen zu ihren Eltern bringen und begab ſich ſogleich ſelbſt zu ihnen.
Auch ihre Eltern waren von der uͤbeln Sage, die bisher uͤber Sophien ergangen war, einiger- maßen unterrichtet, ſie hatten daruͤber mit ihr ge- ſprochen, glaubten aber, da Sophie ſelbſt nachge- dacht und ihren Umgang mit Roberten einge-
ſchraͤnkt
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0360"n="354"/><p>Sophie war erſtaunt, beſtuͤrzt, erſchrocken, zit-<lb/>
terte und wankte, hatte aber nicht Zeit ohnmaͤch-<lb/>
tig zu werden, ſondern lief wie ſie war zu ihren<lb/>
Schwiegereltern, ihre Unſchuld unterſtuͤtzte ſie, wie<lb/>ſie nachher geſagt haben ſoll, auf dieſem Gange und<lb/>ſtaͤrkte ihren Muth; ſie glaubte Albrechten leicht<lb/>
uͤberzeugen zu koͤnnen, daß ſie nicht ſtrafbar an<lb/>
ihm gehandelt haͤtte. Doch hier betrog ſie der<lb/>
Glaube an ihre gerechte Sache. Buſch ſprach ſie<lb/>
nicht, und ſeine Eltern riethen ihr, zu thun wie<lb/>
er von ihr verlangt haͤtte, alles was ſie denn zu<lb/>ſagen haͤtte, wuͤrde ſie anzubringen ſchon Gelegen-<lb/>
heit bekommen. Bei einer ſolchen Behandlung<lb/>
wollte ſich Sophie nicht zu dringenden Bitten er-<lb/>
niedrigen, indem ſie ſich geſtand, daß ihre Auf-<lb/>
fuͤhrung mit Wilhelm Robert unbehutſam geweſen<lb/>
war, fuͤhlte ſich auch, daß ſie uͤbrigens ſchuldlos<lb/>ſei und eine Begegnung, wie ihr jetzt wiederfuhr,<lb/>
nicht verdiente. Sie gieng zuruͤck, ließ ihre Sa-<lb/>
chen zu ihren Eltern bringen und begab ſich ſogleich<lb/>ſelbſt zu ihnen.</p><lb/><p>Auch ihre Eltern waren von der uͤbeln Sage,<lb/>
die bisher uͤber Sophien ergangen war, einiger-<lb/>
maßen unterrichtet, ſie hatten daruͤber mit ihr ge-<lb/>ſprochen, glaubten aber, da Sophie ſelbſt nachge-<lb/>
dacht und ihren Umgang mit Roberten einge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchraͤnkt</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[354/0360]
Sophie war erſtaunt, beſtuͤrzt, erſchrocken, zit-
terte und wankte, hatte aber nicht Zeit ohnmaͤch-
tig zu werden, ſondern lief wie ſie war zu ihren
Schwiegereltern, ihre Unſchuld unterſtuͤtzte ſie, wie
ſie nachher geſagt haben ſoll, auf dieſem Gange und
ſtaͤrkte ihren Muth; ſie glaubte Albrechten leicht
uͤberzeugen zu koͤnnen, daß ſie nicht ſtrafbar an
ihm gehandelt haͤtte. Doch hier betrog ſie der
Glaube an ihre gerechte Sache. Buſch ſprach ſie
nicht, und ſeine Eltern riethen ihr, zu thun wie
er von ihr verlangt haͤtte, alles was ſie denn zu
ſagen haͤtte, wuͤrde ſie anzubringen ſchon Gelegen-
heit bekommen. Bei einer ſolchen Behandlung
wollte ſich Sophie nicht zu dringenden Bitten er-
niedrigen, indem ſie ſich geſtand, daß ihre Auf-
fuͤhrung mit Wilhelm Robert unbehutſam geweſen
war, fuͤhlte ſich auch, daß ſie uͤbrigens ſchuldlos
ſei und eine Begegnung, wie ihr jetzt wiederfuhr,
nicht verdiente. Sie gieng zuruͤck, ließ ihre Sa-
chen zu ihren Eltern bringen und begab ſich ſogleich
ſelbſt zu ihnen.
Auch ihre Eltern waren von der uͤbeln Sage,
die bisher uͤber Sophien ergangen war, einiger-
maßen unterrichtet, ſie hatten daruͤber mit ihr ge-
ſprochen, glaubten aber, da Sophie ſelbſt nachge-
dacht und ihren Umgang mit Roberten einge-
ſchraͤnkt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/360>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.