gister bat die Anwesenden sämmtlich, ja nicht da- von zu sprechen, damit es nicht herum käme und den Werth der Neuheit verlöhre; und ein jeder ge- lobte ihm, nicht ein Wort davon über seine Zunge kommen zu lassen.
Nun las er; und je weiter er kam, desto mehr häuften sich die Lobeserhebungen. Die Hecren von der Tabagie fanden das Stück so natürlich und nachdrücklich, daß gewiß gleich nach der ersten Vor- stellung Anstalt zu Zucht und Ordnung im Lande gemacht werden würde.
Mein Vater fragte zwar mit aller Bescheiden- heit, ob es nicht vielleicht gar zu verständlich wä- re, da er doch selbst der Meinung sei, man müsse gewisse Dinge, wenn man darüber schriebe, ver- blümt vortragen, um dem Leser Gelegenheit zum Denken zu geben? Doch der Magister sagte: es ist ein Unterschied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn wir unter uns ein Buch lesen, und ichs erkläre, und wenn man ein ganzes Publikum vor sich hat, wo man Gutes stiften soll: dann muß man deut- lich sprechen: denn im Schauspiele, wo die Hand- lungen schnell auf einander folgen, haben die Leute nicht Zeit, über das, was sie hören, lange zu grü- beln.
Johann
giſter bat die Anweſenden ſaͤmmtlich, ja nicht da- von zu ſprechen, damit es nicht herum kaͤme und den Werth der Neuheit verloͤhre; und ein jeder ge- lobte ihm, nicht ein Wort davon uͤber ſeine Zunge kommen zu laſſen.
Nun las er; und je weiter er kam, deſto mehr haͤuften ſich die Lobeserhebungen. Die Hecren von der Tabagie fanden das Stuͤck ſo natuͤrlich und nachdruͤcklich, daß gewiß gleich nach der erſten Vor- ſtellung Anſtalt zu Zucht und Ordnung im Lande gemacht werden wuͤrde.
Mein Vater fragte zwar mit aller Beſcheiden- heit, ob es nicht vielleicht gar zu verſtaͤndlich waͤ- re, da er doch ſelbſt der Meinung ſei, man muͤſſe gewiſſe Dinge, wenn man daruͤber ſchriebe, ver- bluͤmt vortragen, um dem Leſer Gelegenheit zum Denken zu geben? Doch der Magiſter ſagte: es iſt ein Unterſchied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn wir unter uns ein Buch leſen, und ichs erklaͤre, und wenn man ein ganzes Publikum vor ſich hat, wo man Gutes ſtiften ſoll: dann muß man deut- lich ſprechen: denn im Schauſpiele, wo die Hand- lungen ſchnell auf einander folgen, haben die Leute nicht Zeit, uͤber das, was ſie hoͤren, lange zu gruͤ- beln.
Johann
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="25"/>
giſter bat die Anweſenden ſaͤmmtlich, ja nicht da-<lb/>
von zu ſprechen, damit es nicht herum kaͤme und<lb/>
den Werth der Neuheit verloͤhre; und ein jeder ge-<lb/>
lobte ihm, nicht ein Wort davon uͤber ſeine Zunge<lb/>
kommen zu laſſen.</p><lb/><p>Nun las er; und je weiter er kam, deſto mehr<lb/>
haͤuften ſich die Lobeserhebungen. Die Hecren von<lb/>
der Tabagie fanden das Stuͤck ſo natuͤrlich und<lb/>
nachdruͤcklich, daß gewiß gleich nach der erſten Vor-<lb/>ſtellung Anſtalt zu Zucht und Ordnung im Lande<lb/>
gemacht werden wuͤrde.</p><lb/><p>Mein Vater fragte zwar mit aller Beſcheiden-<lb/>
heit, ob es nicht vielleicht gar zu verſtaͤndlich waͤ-<lb/>
re, da er doch ſelbſt der Meinung ſei, man muͤſſe<lb/>
gewiſſe Dinge, wenn man daruͤber ſchriebe, ver-<lb/>
bluͤmt vortragen, um dem Leſer Gelegenheit zum<lb/>
Denken zu geben? Doch der Magiſter ſagte: es iſt<lb/>
ein Unterſchied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn<lb/>
wir unter uns ein Buch leſen, und ichs erklaͤre,<lb/>
und wenn man ein ganzes Publikum vor ſich hat,<lb/>
wo man Gutes ſtiften ſoll: dann muß man deut-<lb/>
lich ſprechen: denn im Schauſpiele, wo die Hand-<lb/>
lungen ſchnell auf einander folgen, haben die Leute<lb/>
nicht Zeit, uͤber das, was ſie hoͤren, lange zu gruͤ-<lb/>
beln.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Johann</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[25/0031]
giſter bat die Anweſenden ſaͤmmtlich, ja nicht da-
von zu ſprechen, damit es nicht herum kaͤme und
den Werth der Neuheit verloͤhre; und ein jeder ge-
lobte ihm, nicht ein Wort davon uͤber ſeine Zunge
kommen zu laſſen.
Nun las er; und je weiter er kam, deſto mehr
haͤuften ſich die Lobeserhebungen. Die Hecren von
der Tabagie fanden das Stuͤck ſo natuͤrlich und
nachdruͤcklich, daß gewiß gleich nach der erſten Vor-
ſtellung Anſtalt zu Zucht und Ordnung im Lande
gemacht werden wuͤrde.
Mein Vater fragte zwar mit aller Beſcheiden-
heit, ob es nicht vielleicht gar zu verſtaͤndlich waͤ-
re, da er doch ſelbſt der Meinung ſei, man muͤſſe
gewiſſe Dinge, wenn man daruͤber ſchriebe, ver-
bluͤmt vortragen, um dem Leſer Gelegenheit zum
Denken zu geben? Doch der Magiſter ſagte: es iſt
ein Unterſchied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn
wir unter uns ein Buch leſen, und ichs erklaͤre,
und wenn man ein ganzes Publikum vor ſich hat,
wo man Gutes ſtiften ſoll: dann muß man deut-
lich ſprechen: denn im Schauſpiele, wo die Hand-
lungen ſchnell auf einander folgen, haben die Leute
nicht Zeit, uͤber das, was ſie hoͤren, lange zu gruͤ-
beln.
Johann
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/31>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.