Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.
den Todtenschein besann, oder ihn auch wohl gar nicht gelesen haben mochte. Unterdessen gab es doch wenigstens zehn Personen, denen ihn Suschens Mutter gezeigt hatte; und diese glaubten es nicht, sondern lästerten um so mehr über die unschickliche Heirath, die der reiche Schnitzer mit dem dummen, hoffärtigen, verlogenen Mutze geschlossen hatte. Madame Schnitzerinn ließ sie lästern, wie sie wollten; oder vielmehr wußte sie nicht, daß es ge- schah, weil ihr doch jeder ins Angesicht hofierte. Besonders fanden sich einige Weiber, die ihr die gröbsten Schmeicheleien sagten und ihr bei jeder Gelegenheit zu Diensten waren, gegen die sie sich auch dafür gebührender Maaßen sehr erkenntlich und freigebig bewies, ob sie gleich gegen andre karg- te, und an Hochmuth und despotischem Betragen gegen das Gesinde immer mehr zunahm. Sie hatte während ihres Brautstandes nicht Muße gehabt, sich viel um andre Dinge zu beküm- mern, als die ihre neue Einrichtung betrafen, wel- che, wie ich schon gesagt habe, nicht schlecht war- Um es aber in allen Stücken der vornehmsten Da- me in der Stadt gleich zu thun, und Kleider von aller Art nach der neuesten Mode zu haben, zog sie eine Französinn zu Rathe, welche Putzmache- rinn, dann Mätresse, und endlich Gouvernaute gewe-
den Todtenſchein beſann, oder ihn auch wohl gar nicht geleſen haben mochte. Unterdeſſen gab es doch wenigſtens zehn Perſonen, denen ihn Suschens Mutter gezeigt hatte; und dieſe glaubten es nicht, ſondern laͤſterten um ſo mehr uͤber die unſchickliche Heirath, die der reiche Schnitzer mit dem dummen, hoffaͤrtigen, verlogenen Mutze geſchloſſen hatte. Madame Schnitzerinn ließ ſie laͤſtern, wie ſie wollten; oder vielmehr wußte ſie nicht, daß es ge- ſchah, weil ihr doch jeder ins Angeſicht hofierte. Beſonders fanden ſich einige Weiber, die ihr die groͤbſten Schmeicheleien ſagten und ihr bei jeder Gelegenheit zu Dienſten waren, gegen die ſie ſich auch dafuͤr gebuͤhrender Maaßen ſehr erkenntlich und freigebig bewies, ob ſie gleich gegen andre karg- te, und an Hochmuth und deſpotiſchem Betragen gegen das Geſinde immer mehr zunahm. Sie hatte waͤhrend ihres Brautſtandes nicht Muße gehabt, ſich viel um andre Dinge zu bekuͤm- mern, als die ihre neue Einrichtung betrafen, wel- che, wie ich ſchon geſagt habe, nicht ſchlecht war- Um es aber in allen Stuͤcken der vornehmſten Da- me in der Stadt gleich zu thun, und Kleider von aller Art nach der neueſten Mode zu haben, zog ſie eine Franzoͤſinn zu Rathe, welche Putzmache- rinn, dann Maͤtreſſe, und endlich Gouvernaute gewe-
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den Todtenſchein beſann, oder ihn auch wohl gar
nicht geleſen haben mochte. Unterdeſſen gab es
doch wenigſtens zehn Perſonen, denen ihn Suschens
Mutter gezeigt hatte; und dieſe glaubten es nicht,
ſondern laͤſterten um ſo mehr uͤber die unſchickliche
Heirath, die der reiche Schnitzer mit dem dummen,
hoffaͤrtigen, verlogenen Mutze geſchloſſen hatte.
Madame Schnitzerinn ließ ſie laͤſtern, wie ſie
wollten; oder vielmehr wußte ſie nicht, daß es ge-
ſchah, weil ihr doch jeder ins Angeſicht hofierte.
Beſonders fanden ſich einige Weiber, die ihr die
groͤbſten Schmeicheleien ſagten und ihr bei jeder
Gelegenheit zu Dienſten waren, gegen die ſie ſich
auch dafuͤr gebuͤhrender Maaßen ſehr erkenntlich
und freigebig bewies, ob ſie gleich gegen andre karg-
te, und an Hochmuth und deſpotiſchem Betragen
gegen das Geſinde immer mehr zunahm.
Sie hatte waͤhrend ihres Brautſtandes nicht
Muße gehabt, ſich viel um andre Dinge zu bekuͤm-
mern, als die ihre neue Einrichtung betrafen, wel-
che, wie ich ſchon geſagt habe, nicht ſchlecht war-
Um es aber in allen Stuͤcken der vornehmſten Da-
me in der Stadt gleich zu thun, und Kleider von
aller Art nach der neueſten Mode zu haben, zog
ſie eine Franzoͤſinn zu Rathe, welche Putzmache-
rinn, dann Maͤtreſſe, und endlich Gouvernaute
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