Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und immer fort; denn woran ist in Gottes weiter Welt noch etwas gelegen, wenn zwei Herzen zum ersten Mal inne werden, sie wollen zu einander halten? Aber ist die Seele zu bewegt gewesen, als daß der Mund reden konnte, so fühlt die Brust doch endlich das doppelt dringende Bedürfniß, in Worten aufzuathmen, und das Ohr will auch sein Theil haben, nachdem Aug' und Hand den Bund schlossen. Ist es nicht mehr das Ungestüm des Jugendblutes, das im Herzen pocht, so ist es die ewige verjüngende Kraft der Liebe, die nach Ausdruck ringt, sei auch das Gefäß noch so armselig, aus dem sie ihre Opferdüfte gen Himmel steigen läßt. Die Meierin auf ihrem Steinsitz vernahm es nicht, und die Kinder hörten's nicht, und auch die Magd mit dem Eierkuchen in der Asche hat's nicht vernommen; aber der Garten des alten Wittwenhauses, die Rosenbüsche und das Geisblatt rechts und links, der Kiesweg und der Fliederbusch an dem verhängnißvollen Zaune -- sie alle haben belauscht, was die Auf- und Abwandelnden einander zu sagen hatten, Dinge, die ihnen zum Theil erst heute ganz ins Bewußtsein gekommen waren, und deren Wurzeln sich nach allen Seiten hin verfolgen ließen, nach den ersten Morgenliedern, die vom Thurm herab ins Ohr der Pfarrerstochter klangen, nach dem ersten und einzigen Blick, den sie vor langen Jahren in die einsame Küsterei that, nach den späteren kurzen Begegnungen, die ihr das Blut in die Wangen und die Kälte und immer fort; denn woran ist in Gottes weiter Welt noch etwas gelegen, wenn zwei Herzen zum ersten Mal inne werden, sie wollen zu einander halten? Aber ist die Seele zu bewegt gewesen, als daß der Mund reden konnte, so fühlt die Brust doch endlich das doppelt dringende Bedürfniß, in Worten aufzuathmen, und das Ohr will auch sein Theil haben, nachdem Aug' und Hand den Bund schlossen. Ist es nicht mehr das Ungestüm des Jugendblutes, das im Herzen pocht, so ist es die ewige verjüngende Kraft der Liebe, die nach Ausdruck ringt, sei auch das Gefäß noch so armselig, aus dem sie ihre Opferdüfte gen Himmel steigen läßt. Die Meierin auf ihrem Steinsitz vernahm es nicht, und die Kinder hörten's nicht, und auch die Magd mit dem Eierkuchen in der Asche hat's nicht vernommen; aber der Garten des alten Wittwenhauses, die Rosenbüsche und das Geisblatt rechts und links, der Kiesweg und der Fliederbusch an dem verhängnißvollen Zaune — sie alle haben belauscht, was die Auf- und Abwandelnden einander zu sagen hatten, Dinge, die ihnen zum Theil erst heute ganz ins Bewußtsein gekommen waren, und deren Wurzeln sich nach allen Seiten hin verfolgen ließen, nach den ersten Morgenliedern, die vom Thurm herab ins Ohr der Pfarrerstochter klangen, nach dem ersten und einzigen Blick, den sie vor langen Jahren in die einsame Küsterei that, nach den späteren kurzen Begegnungen, die ihr das Blut in die Wangen und die Kälte <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0087"/> und immer fort; denn woran ist in Gottes weiter Welt noch etwas gelegen, wenn zwei Herzen zum ersten Mal inne werden, sie wollen zu einander halten?</p><lb/> <p>Aber ist die Seele zu bewegt gewesen, als daß der Mund reden konnte, so fühlt die Brust doch endlich das doppelt dringende Bedürfniß, in Worten aufzuathmen, und das Ohr will auch sein Theil haben, nachdem Aug' und Hand den Bund schlossen. Ist es nicht mehr das Ungestüm des Jugendblutes, das im Herzen pocht, so ist es die ewige verjüngende Kraft der Liebe, die nach Ausdruck ringt, sei auch das Gefäß noch so armselig, aus dem sie ihre Opferdüfte gen Himmel steigen läßt. Die Meierin auf ihrem Steinsitz vernahm es nicht, und die Kinder hörten's nicht, und auch die Magd mit dem Eierkuchen in der Asche hat's nicht vernommen; aber der Garten des alten Wittwenhauses, die Rosenbüsche und das Geisblatt rechts und links, der Kiesweg und der Fliederbusch an dem verhängnißvollen Zaune — sie alle haben belauscht, was die Auf- und Abwandelnden einander zu sagen hatten, Dinge, die ihnen zum Theil erst heute ganz ins Bewußtsein gekommen waren, und deren Wurzeln sich nach allen Seiten hin verfolgen ließen, nach den ersten Morgenliedern, die vom Thurm herab ins Ohr der Pfarrerstochter klangen, nach dem ersten und einzigen Blick, den sie vor langen Jahren in die einsame Küsterei that, nach den späteren kurzen Begegnungen, die ihr das Blut in die Wangen und die Kälte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
und immer fort; denn woran ist in Gottes weiter Welt noch etwas gelegen, wenn zwei Herzen zum ersten Mal inne werden, sie wollen zu einander halten?
Aber ist die Seele zu bewegt gewesen, als daß der Mund reden konnte, so fühlt die Brust doch endlich das doppelt dringende Bedürfniß, in Worten aufzuathmen, und das Ohr will auch sein Theil haben, nachdem Aug' und Hand den Bund schlossen. Ist es nicht mehr das Ungestüm des Jugendblutes, das im Herzen pocht, so ist es die ewige verjüngende Kraft der Liebe, die nach Ausdruck ringt, sei auch das Gefäß noch so armselig, aus dem sie ihre Opferdüfte gen Himmel steigen läßt. Die Meierin auf ihrem Steinsitz vernahm es nicht, und die Kinder hörten's nicht, und auch die Magd mit dem Eierkuchen in der Asche hat's nicht vernommen; aber der Garten des alten Wittwenhauses, die Rosenbüsche und das Geisblatt rechts und links, der Kiesweg und der Fliederbusch an dem verhängnißvollen Zaune — sie alle haben belauscht, was die Auf- und Abwandelnden einander zu sagen hatten, Dinge, die ihnen zum Theil erst heute ganz ins Bewußtsein gekommen waren, und deren Wurzeln sich nach allen Seiten hin verfolgen ließen, nach den ersten Morgenliedern, die vom Thurm herab ins Ohr der Pfarrerstochter klangen, nach dem ersten und einzigen Blick, den sie vor langen Jahren in die einsame Küsterei that, nach den späteren kurzen Begegnungen, die ihr das Blut in die Wangen und die Kälte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |