Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der Herzog im Streit" beschämt das Instrument wieder von den Lippen brachte. "Der Löw hat gekrieget, Der Löw hat gesieget, Trotz Feinden, trotz Teufel, Trotz Hölle und Tod". Das wäre Vermessenheit gewesen. Bei Leibe! Er schlug das Buch zu; für ihn stand nichts darin. Aber während er im eigenen Gedächtnißschatz umher stöberte, lernt ihm das alte Liebeslied des Doctor Martin Luther in die Erinnerung. Bei Hochzeiten hatte der Küster es wohl einmal auf der Orgel zum Besten gegeben und sein eigen Theil dabei gedacht, da von der Gemeinde es kaum Einer kannte; der selige Herr Pfarrer war der Einzige, der ihm je darüber etwas sagte, es aber doch als Choral gelten ließ, wenn auch nur bei hochzeitlichen Festen. Es ging nach der Melodie "Ach Lieb mit Leid", die über dreihundert Jahr alt war, und es lautete: "Sie ist mir lieb, die werthe Magd, Und kann ihr nicht vergessen. Lob, Ehr' und Zucht man von ihr sagt, Sie hat mein Herz besessen. Ich bin ihr hold, Und wenn ich sollt' Groß Unglück han, Da liegt nicht dran, Sie will mich deß ergötzen Mit ihrer Lieb und Treu an mir, Die sie zu mir will setzen". der Herzog im Streit“ beschämt das Instrument wieder von den Lippen brachte. „Der Löw hat gekrieget, Der Löw hat gesieget, Trotz Feinden, trotz Teufel, Trotz Hölle und Tod“. Das wäre Vermessenheit gewesen. Bei Leibe! Er schlug das Buch zu; für ihn stand nichts darin. Aber während er im eigenen Gedächtnißschatz umher stöberte, lernt ihm das alte Liebeslied des Doctor Martin Luther in die Erinnerung. Bei Hochzeiten hatte der Küster es wohl einmal auf der Orgel zum Besten gegeben und sein eigen Theil dabei gedacht, da von der Gemeinde es kaum Einer kannte; der selige Herr Pfarrer war der Einzige, der ihm je darüber etwas sagte, es aber doch als Choral gelten ließ, wenn auch nur bei hochzeitlichen Festen. Es ging nach der Melodie „Ach Lieb mit Leid“, die über dreihundert Jahr alt war, und es lautete: „Sie ist mir lieb, die werthe Magd, Und kann ihr nicht vergessen. Lob, Ehr' und Zucht man von ihr sagt, Sie hat mein Herz besessen. Ich bin ihr hold, Und wenn ich sollt' Groß Unglück han, Da liegt nicht dran, Sie will mich deß ergötzen Mit ihrer Lieb und Treu an mir, Die sie zu mir will setzen“. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0070"/> der Herzog im Streit“ beschämt das Instrument wieder von den Lippen brachte.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Der Löw hat gekrieget,</l> <l>Der Löw hat gesieget,</l> <l>Trotz Feinden, trotz Teufel,</l> <l>Trotz Hölle und Tod“.</l> </lg> <p>Das wäre Vermessenheit gewesen. Bei Leibe! Er schlug das Buch zu; für ihn stand nichts darin. Aber während er im eigenen Gedächtnißschatz umher stöberte, lernt ihm das alte Liebeslied des Doctor Martin Luther in die Erinnerung. Bei Hochzeiten hatte der Küster es wohl einmal auf der Orgel zum Besten gegeben und sein eigen Theil dabei gedacht, da von der Gemeinde es kaum Einer kannte; der selige Herr Pfarrer war der Einzige, der ihm je darüber etwas sagte, es aber doch als Choral gelten ließ, wenn auch nur bei hochzeitlichen Festen. Es ging nach der Melodie „Ach Lieb mit Leid“, die über dreihundert Jahr alt war, und es lautete:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Sie ist mir lieb, die werthe Magd,</l> <l>Und kann ihr nicht vergessen.</l> <l>Lob, Ehr' und Zucht man von ihr sagt,</l> <l>Sie hat mein Herz besessen.</l> <l>Ich bin ihr hold, Und wenn ich sollt'</l> <l>Groß Unglück han,</l> <l>Da liegt nicht dran,</l> <l>Sie will mich deß ergötzen</l> <l>Mit ihrer Lieb und Treu an mir,</l> <l>Die sie zu mir will setzen“.</l> </lg><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0070]
der Herzog im Streit“ beschämt das Instrument wieder von den Lippen brachte.
„Der Löw hat gekrieget, Der Löw hat gesieget, Trotz Feinden, trotz Teufel, Trotz Hölle und Tod“.
Das wäre Vermessenheit gewesen. Bei Leibe! Er schlug das Buch zu; für ihn stand nichts darin. Aber während er im eigenen Gedächtnißschatz umher stöberte, lernt ihm das alte Liebeslied des Doctor Martin Luther in die Erinnerung. Bei Hochzeiten hatte der Küster es wohl einmal auf der Orgel zum Besten gegeben und sein eigen Theil dabei gedacht, da von der Gemeinde es kaum Einer kannte; der selige Herr Pfarrer war der Einzige, der ihm je darüber etwas sagte, es aber doch als Choral gelten ließ, wenn auch nur bei hochzeitlichen Festen. Es ging nach der Melodie „Ach Lieb mit Leid“, die über dreihundert Jahr alt war, und es lautete:
„Sie ist mir lieb, die werthe Magd, Und kann ihr nicht vergessen. Lob, Ehr' und Zucht man von ihr sagt, Sie hat mein Herz besessen. Ich bin ihr hold, Und wenn ich sollt' Groß Unglück han, Da liegt nicht dran, Sie will mich deß ergötzen Mit ihrer Lieb und Treu an mir, Die sie zu mir will setzen“.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/70 |
Zitationshilfe: | Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/70>, abgerufen am 17.02.2025. |