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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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der Herr Doctor Martin Luther für eine Sünde gehalten hätte, ein Weib zu nehmen, da hätt' er's hübsch bleiben lassen und sein Küster nicht minder. Es ist ein dummes Geschwätz, was sie von der Schlange im Paradiese erzählen. Geben sie ihr da im Kalender ein Weibergesicht, und auf dem Sakristeibilde nicht minder! Als ob Weib und Schlange eins wären, während die Bibel doch ausdrücklich das Gegentheil sagt und der Herr ewige Feindschaft zwischen dem Weib und der Schlange setzte! Die Sache verhielt sich ganz anders. Die Kraft hatte der Herr dem Adam gegeben, die Klugheit wollte er für das Weib im Hinterhalt behalten. Deßhalb verbot er dem Adam, von dem Baum der Erkenntniß zu essen; dem Weib verbot er's nicht, sie war noch gar nicht erschaffen. Aber die Schlange kam dem Herrn ins Gehege. Sie verrieth der Eva, daß der Baum klug mache, und wußte wohl, das Weib werde seine Weisheit nicht für sich behalten, wenn's einmal gegessen habe. So bekam der Mann auch sein Theil Klugheit ab, und da nur auf Eine Portion gerechnet war, so sind sie Beide nicht gescheidt davon geworden. Daß hernach der Herr sie nicht mehr in seinem Paradies um sich haben mochte, ist mir ganz begreiflich. Der Adam war feig genug gewesen, sein Weib vorzuschieben; das verdroß den lieben Gott. Es fiel ihm ein, daß der Adam an die Arbeit müsse, und da ihm die Eva mit ihrer halben Portion Klugheit auch nicht mehr recht war, so hat er sie eben Beide ausgetrieben

der Herr Doctor Martin Luther für eine Sünde gehalten hätte, ein Weib zu nehmen, da hätt' er's hübsch bleiben lassen und sein Küster nicht minder. Es ist ein dummes Geschwätz, was sie von der Schlange im Paradiese erzählen. Geben sie ihr da im Kalender ein Weibergesicht, und auf dem Sakristeibilde nicht minder! Als ob Weib und Schlange eins wären, während die Bibel doch ausdrücklich das Gegentheil sagt und der Herr ewige Feindschaft zwischen dem Weib und der Schlange setzte! Die Sache verhielt sich ganz anders. Die Kraft hatte der Herr dem Adam gegeben, die Klugheit wollte er für das Weib im Hinterhalt behalten. Deßhalb verbot er dem Adam, von dem Baum der Erkenntniß zu essen; dem Weib verbot er's nicht, sie war noch gar nicht erschaffen. Aber die Schlange kam dem Herrn ins Gehege. Sie verrieth der Eva, daß der Baum klug mache, und wußte wohl, das Weib werde seine Weisheit nicht für sich behalten, wenn's einmal gegessen habe. So bekam der Mann auch sein Theil Klugheit ab, und da nur auf Eine Portion gerechnet war, so sind sie Beide nicht gescheidt davon geworden. Daß hernach der Herr sie nicht mehr in seinem Paradies um sich haben mochte, ist mir ganz begreiflich. Der Adam war feig genug gewesen, sein Weib vorzuschieben; das verdroß den lieben Gott. Es fiel ihm ein, daß der Adam an die Arbeit müsse, und da ihm die Eva mit ihrer halben Portion Klugheit auch nicht mehr recht war, so hat er sie eben Beide ausgetrieben

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[0058] der Herr Doctor Martin Luther für eine Sünde gehalten hätte, ein Weib zu nehmen, da hätt' er's hübsch bleiben lassen und sein Küster nicht minder. Es ist ein dummes Geschwätz, was sie von der Schlange im Paradiese erzählen. Geben sie ihr da im Kalender ein Weibergesicht, und auf dem Sakristeibilde nicht minder! Als ob Weib und Schlange eins wären, während die Bibel doch ausdrücklich das Gegentheil sagt und der Herr ewige Feindschaft zwischen dem Weib und der Schlange setzte! Die Sache verhielt sich ganz anders. Die Kraft hatte der Herr dem Adam gegeben, die Klugheit wollte er für das Weib im Hinterhalt behalten. Deßhalb verbot er dem Adam, von dem Baum der Erkenntniß zu essen; dem Weib verbot er's nicht, sie war noch gar nicht erschaffen. Aber die Schlange kam dem Herrn ins Gehege. Sie verrieth der Eva, daß der Baum klug mache, und wußte wohl, das Weib werde seine Weisheit nicht für sich behalten, wenn's einmal gegessen habe. So bekam der Mann auch sein Theil Klugheit ab, und da nur auf Eine Portion gerechnet war, so sind sie Beide nicht gescheidt davon geworden. Daß hernach der Herr sie nicht mehr in seinem Paradies um sich haben mochte, ist mir ganz begreiflich. Der Adam war feig genug gewesen, sein Weib vorzuschieben; das verdroß den lieben Gott. Es fiel ihm ein, daß der Adam an die Arbeit müsse, und da ihm die Eva mit ihrer halben Portion Klugheit auch nicht mehr recht war, so hat er sie eben Beide ausgetrieben

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/58>, abgerufen am 23.11.2024.