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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Betreten des Hofs jetzt eine helle Stimme entgegen. Die kugelrunde Gattin des Bruders saß, Rübchen schabend, auf der Steinbank vor der Thür, den Jüngstgeborenen auf dem Schooß, die zwei kleinen Töchter neben sich, beiden abwechselnd neue Rüben zureichend, so oft eine ihren Vorrath abgethan hatte. Setzt Euch und sagt, was uns die seltene Ehre verschafft, fügte sie hinzu, indem sie einen Sitz auf der Bank frei machte.

Der Küster dankte und ließ sich mit gewohnter Würde nieder. Wo ist mein Bruder? fragte er nach Erledigung der näher liegenden Erkundigungen.

Weiß nicht, versetzte die Meierin, in der Arbeit fortfahrend. 'S wird wohl nicht gar lange dauern. Er hat nur den Knechten beim Heuumlegen nachschauen wollen.

Sie hatte eine Menge Wirthschaftsgedanken auf dem Herzen, die sie den Kindern nicht vorplaudern konnte, und die jetzt der Schwager hören mußte. Im Korn sei diesmal noch mehr Mutterkorn als im letzten Jahr; die Katze habe sechs Junge geworfen, zwei schwarze, die anderen vier habe der Schwager wohl im Teiche schwimmen sehen? Steinobst gebe es diesmal sehr wenig, Kernobst so so. Zwischen den Tauben sei gestern der Marder gewesen; der Knecht wolle ihm mit der Flinte auflauern. Sie gebe es aber nicht zu, ein Marderschuß habe schon manches Strohdach in Brand gesteckt. Mit dem Schleußenbau werde man's nun doch nicht länger anstehen lassen können. Die Kuhmagd habe ein Unglück

Betreten des Hofs jetzt eine helle Stimme entgegen. Die kugelrunde Gattin des Bruders saß, Rübchen schabend, auf der Steinbank vor der Thür, den Jüngstgeborenen auf dem Schooß, die zwei kleinen Töchter neben sich, beiden abwechselnd neue Rüben zureichend, so oft eine ihren Vorrath abgethan hatte. Setzt Euch und sagt, was uns die seltene Ehre verschafft, fügte sie hinzu, indem sie einen Sitz auf der Bank frei machte.

Der Küster dankte und ließ sich mit gewohnter Würde nieder. Wo ist mein Bruder? fragte er nach Erledigung der näher liegenden Erkundigungen.

Weiß nicht, versetzte die Meierin, in der Arbeit fortfahrend. 'S wird wohl nicht gar lange dauern. Er hat nur den Knechten beim Heuumlegen nachschauen wollen.

Sie hatte eine Menge Wirthschaftsgedanken auf dem Herzen, die sie den Kindern nicht vorplaudern konnte, und die jetzt der Schwager hören mußte. Im Korn sei diesmal noch mehr Mutterkorn als im letzten Jahr; die Katze habe sechs Junge geworfen, zwei schwarze, die anderen vier habe der Schwager wohl im Teiche schwimmen sehen? Steinobst gebe es diesmal sehr wenig, Kernobst so so. Zwischen den Tauben sei gestern der Marder gewesen; der Knecht wolle ihm mit der Flinte auflauern. Sie gebe es aber nicht zu, ein Marderschuß habe schon manches Strohdach in Brand gesteckt. Mit dem Schleußenbau werde man's nun doch nicht länger anstehen lassen können. Die Kuhmagd habe ein Unglück

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[0055] Betreten des Hofs jetzt eine helle Stimme entgegen. Die kugelrunde Gattin des Bruders saß, Rübchen schabend, auf der Steinbank vor der Thür, den Jüngstgeborenen auf dem Schooß, die zwei kleinen Töchter neben sich, beiden abwechselnd neue Rüben zureichend, so oft eine ihren Vorrath abgethan hatte. Setzt Euch und sagt, was uns die seltene Ehre verschafft, fügte sie hinzu, indem sie einen Sitz auf der Bank frei machte. Der Küster dankte und ließ sich mit gewohnter Würde nieder. Wo ist mein Bruder? fragte er nach Erledigung der näher liegenden Erkundigungen. Weiß nicht, versetzte die Meierin, in der Arbeit fortfahrend. 'S wird wohl nicht gar lange dauern. Er hat nur den Knechten beim Heuumlegen nachschauen wollen. Sie hatte eine Menge Wirthschaftsgedanken auf dem Herzen, die sie den Kindern nicht vorplaudern konnte, und die jetzt der Schwager hören mußte. Im Korn sei diesmal noch mehr Mutterkorn als im letzten Jahr; die Katze habe sechs Junge geworfen, zwei schwarze, die anderen vier habe der Schwager wohl im Teiche schwimmen sehen? Steinobst gebe es diesmal sehr wenig, Kernobst so so. Zwischen den Tauben sei gestern der Marder gewesen; der Knecht wolle ihm mit der Flinte auflauern. Sie gebe es aber nicht zu, ein Marderschuß habe schon manches Strohdach in Brand gesteckt. Mit dem Schleußenbau werde man's nun doch nicht länger anstehen lassen können. Die Kuhmagd habe ein Unglück

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/55>, abgerufen am 23.11.2024.