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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schwister Ringelreihen tanzten. Leere Tonnen waren seine Orgelpfeifen, ein alter Hammer ersetzte die Tastatur; kein Anderer als er hatte das Recht droben zu sitzen und zu orgeln, und der Vater hatte es sehr übel vermerkt, als die Geschwister einmal einen Leiermann zum Aufspielen herbeigeschleppt hatten. Und war's ihm nicht auch dafür verboten gewesen, mitzutanzen, Blindekuh, Topfschlagen, Bergmann mitzuspielen? Blieb ihm nicht, eben dieser Absonderung wegen, das Abenteuer mit der Sandfuhre in der väterlichen Geige im Gedächtniß, bei welchem Abenteuer die jetzige Pfarrerswittwe einen Theil der ihm zugedachten Schläge mit auf den Weg bekam? Hatte er nicht -- jetzt erst fiel's ihm wieder ein -- mit ihr auf der sonnigen Tenne des Giebelhauses getanzt und, als Anna's Vater herbeikam, wohl eine Stunde lang unter einem umgeworfenen Holzkorbe verborgen gesessen, mäuschenstill, die Anna neben ihm, beide durch das Geflecht nach dem alten Pfarrherrn blinzelnd, der wegen Regenwetters seine Nachmittagspromenade auf der geschützten Tenne hielt und dabei die nächste Sonntagspredigt memorirte? Ihm ward bei dem Gedanken an diesen Jugendstreich ganz warm ums Herz, und es schoß ihm durch den Sinn, als sei er noch heute nicht zu alt zur Wiederholung desselben, als sei er jung geblieben, und als liege die Grenze noch fern, die er in so mancher kleinmüthigen Stimmung schon als längst überschritten betrachtet hatte.

Schönen Gruß, Herr Schwager! klang ihm beim

schwister Ringelreihen tanzten. Leere Tonnen waren seine Orgelpfeifen, ein alter Hammer ersetzte die Tastatur; kein Anderer als er hatte das Recht droben zu sitzen und zu orgeln, und der Vater hatte es sehr übel vermerkt, als die Geschwister einmal einen Leiermann zum Aufspielen herbeigeschleppt hatten. Und war's ihm nicht auch dafür verboten gewesen, mitzutanzen, Blindekuh, Topfschlagen, Bergmann mitzuspielen? Blieb ihm nicht, eben dieser Absonderung wegen, das Abenteuer mit der Sandfuhre in der väterlichen Geige im Gedächtniß, bei welchem Abenteuer die jetzige Pfarrerswittwe einen Theil der ihm zugedachten Schläge mit auf den Weg bekam? Hatte er nicht — jetzt erst fiel's ihm wieder ein — mit ihr auf der sonnigen Tenne des Giebelhauses getanzt und, als Anna's Vater herbeikam, wohl eine Stunde lang unter einem umgeworfenen Holzkorbe verborgen gesessen, mäuschenstill, die Anna neben ihm, beide durch das Geflecht nach dem alten Pfarrherrn blinzelnd, der wegen Regenwetters seine Nachmittagspromenade auf der geschützten Tenne hielt und dabei die nächste Sonntagspredigt memorirte? Ihm ward bei dem Gedanken an diesen Jugendstreich ganz warm ums Herz, und es schoß ihm durch den Sinn, als sei er noch heute nicht zu alt zur Wiederholung desselben, als sei er jung geblieben, und als liege die Grenze noch fern, die er in so mancher kleinmüthigen Stimmung schon als längst überschritten betrachtet hatte.

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[0054] schwister Ringelreihen tanzten. Leere Tonnen waren seine Orgelpfeifen, ein alter Hammer ersetzte die Tastatur; kein Anderer als er hatte das Recht droben zu sitzen und zu orgeln, und der Vater hatte es sehr übel vermerkt, als die Geschwister einmal einen Leiermann zum Aufspielen herbeigeschleppt hatten. Und war's ihm nicht auch dafür verboten gewesen, mitzutanzen, Blindekuh, Topfschlagen, Bergmann mitzuspielen? Blieb ihm nicht, eben dieser Absonderung wegen, das Abenteuer mit der Sandfuhre in der väterlichen Geige im Gedächtniß, bei welchem Abenteuer die jetzige Pfarrerswittwe einen Theil der ihm zugedachten Schläge mit auf den Weg bekam? Hatte er nicht — jetzt erst fiel's ihm wieder ein — mit ihr auf der sonnigen Tenne des Giebelhauses getanzt und, als Anna's Vater herbeikam, wohl eine Stunde lang unter einem umgeworfenen Holzkorbe verborgen gesessen, mäuschenstill, die Anna neben ihm, beide durch das Geflecht nach dem alten Pfarrherrn blinzelnd, der wegen Regenwetters seine Nachmittagspromenade auf der geschützten Tenne hielt und dabei die nächste Sonntagspredigt memorirte? Ihm ward bei dem Gedanken an diesen Jugendstreich ganz warm ums Herz, und es schoß ihm durch den Sinn, als sei er noch heute nicht zu alt zur Wiederholung desselben, als sei er jung geblieben, und als liege die Grenze noch fern, die er in so mancher kleinmüthigen Stimmung schon als längst überschritten betrachtet hatte. Schönen Gruß, Herr Schwager! klang ihm beim

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/54>, abgerufen am 23.11.2024.