Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Tauben flogen über die Tenne hin und her, einige auf beständiger Flucht, andere in unermüdlicher Verfolgung begriffen. Ein röthlich gelbes Kätzchen saß mit halb geschlossenen Augen auf der sonnigen Scheunenschwelle und nahm spielend das Köpfchen zwischen beide Vorderpfoten, wie um dem stehen gebliebenen Küster anzudeuten, daß sie nichts dagegen habe, wenn er mit ihr anbinden wolle. Ein kleiner unbeholfener Hund kam kläffend zum Vorschein, blieb einen Augenblick in sicherer Ferne stehen, erschrak aber, als der Fremde die Hände in einander legte, und überschlug sich beim Davonlaufen, was neuen Schrecken und ängstliches Quieksen zur Folge hatte. Der Küster wollte weiter gehen, aber er ließ sich immer wieder von Neuem Zeit, mit den Blicken aus der sonnigen Tenne umherzuwandern. Was ihm durchaus nicht einfiel, war, daß er im Grunde lauter längst vergessenes Spielzeug wieder beisammen hatte, Hund, Katze, Tauben, Hühner, gute Gefährten seiner Kinderjahre, immer aufgelegt mit sich spielen zu lassen, eines Bauernkindes beste Kameraden, für die alles Nürnberger Spielzeug ein Stadtkind nur dürftig entschädigt. Wenn das Stadtkind der Blechtrompete überdrüssig wird, wenn das Schaukelpferd Mähne und Schwanz einbüßt und dadurch seine Hauptreize verliert, wenn der Hampelmann Arme und Beine schlaff hängen läßt und die Bleisoldaten nur noch zum Einschmelzen tauglich scheinen, da hat das Bauernkind sein lebendiges Spielzeug noch im besten Stande, und wo ein richtiger Hof ist, giebt's ohn' Tauben flogen über die Tenne hin und her, einige auf beständiger Flucht, andere in unermüdlicher Verfolgung begriffen. Ein röthlich gelbes Kätzchen saß mit halb geschlossenen Augen auf der sonnigen Scheunenschwelle und nahm spielend das Köpfchen zwischen beide Vorderpfoten, wie um dem stehen gebliebenen Küster anzudeuten, daß sie nichts dagegen habe, wenn er mit ihr anbinden wolle. Ein kleiner unbeholfener Hund kam kläffend zum Vorschein, blieb einen Augenblick in sicherer Ferne stehen, erschrak aber, als der Fremde die Hände in einander legte, und überschlug sich beim Davonlaufen, was neuen Schrecken und ängstliches Quieksen zur Folge hatte. Der Küster wollte weiter gehen, aber er ließ sich immer wieder von Neuem Zeit, mit den Blicken aus der sonnigen Tenne umherzuwandern. Was ihm durchaus nicht einfiel, war, daß er im Grunde lauter längst vergessenes Spielzeug wieder beisammen hatte, Hund, Katze, Tauben, Hühner, gute Gefährten seiner Kinderjahre, immer aufgelegt mit sich spielen zu lassen, eines Bauernkindes beste Kameraden, für die alles Nürnberger Spielzeug ein Stadtkind nur dürftig entschädigt. Wenn das Stadtkind der Blechtrompete überdrüssig wird, wenn das Schaukelpferd Mähne und Schwanz einbüßt und dadurch seine Hauptreize verliert, wenn der Hampelmann Arme und Beine schlaff hängen läßt und die Bleisoldaten nur noch zum Einschmelzen tauglich scheinen, da hat das Bauernkind sein lebendiges Spielzeug noch im besten Stande, und wo ein richtiger Hof ist, giebt's ohn' <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0035"/> Tauben flogen über die Tenne hin und her, einige auf beständiger Flucht, andere in unermüdlicher Verfolgung begriffen. Ein röthlich gelbes Kätzchen saß mit halb geschlossenen Augen auf der sonnigen Scheunenschwelle und nahm spielend das Köpfchen zwischen beide Vorderpfoten, wie um dem stehen gebliebenen Küster anzudeuten, daß sie nichts dagegen habe, wenn er mit ihr anbinden wolle. Ein kleiner unbeholfener Hund kam kläffend zum Vorschein, blieb einen Augenblick in sicherer Ferne stehen, erschrak aber, als der Fremde die Hände in einander legte, und überschlug sich beim Davonlaufen, was neuen Schrecken und ängstliches Quieksen zur Folge hatte.</p><lb/> <p>Der Küster wollte weiter gehen, aber er ließ sich immer wieder von Neuem Zeit, mit den Blicken aus der sonnigen Tenne umherzuwandern. Was ihm durchaus nicht einfiel, war, daß er im Grunde lauter längst vergessenes Spielzeug wieder beisammen hatte, Hund, Katze, Tauben, Hühner, gute Gefährten seiner Kinderjahre, immer aufgelegt mit sich spielen zu lassen, eines Bauernkindes beste Kameraden, für die alles Nürnberger Spielzeug ein Stadtkind nur dürftig entschädigt. Wenn das Stadtkind der Blechtrompete überdrüssig wird, wenn das Schaukelpferd Mähne und Schwanz einbüßt und dadurch seine Hauptreize verliert, wenn der Hampelmann Arme und Beine schlaff hängen läßt und die Bleisoldaten nur noch zum Einschmelzen tauglich scheinen, da hat das Bauernkind sein lebendiges Spielzeug noch im besten Stande, und wo ein richtiger Hof ist, giebt's ohn'<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
Tauben flogen über die Tenne hin und her, einige auf beständiger Flucht, andere in unermüdlicher Verfolgung begriffen. Ein röthlich gelbes Kätzchen saß mit halb geschlossenen Augen auf der sonnigen Scheunenschwelle und nahm spielend das Köpfchen zwischen beide Vorderpfoten, wie um dem stehen gebliebenen Küster anzudeuten, daß sie nichts dagegen habe, wenn er mit ihr anbinden wolle. Ein kleiner unbeholfener Hund kam kläffend zum Vorschein, blieb einen Augenblick in sicherer Ferne stehen, erschrak aber, als der Fremde die Hände in einander legte, und überschlug sich beim Davonlaufen, was neuen Schrecken und ängstliches Quieksen zur Folge hatte.
Der Küster wollte weiter gehen, aber er ließ sich immer wieder von Neuem Zeit, mit den Blicken aus der sonnigen Tenne umherzuwandern. Was ihm durchaus nicht einfiel, war, daß er im Grunde lauter längst vergessenes Spielzeug wieder beisammen hatte, Hund, Katze, Tauben, Hühner, gute Gefährten seiner Kinderjahre, immer aufgelegt mit sich spielen zu lassen, eines Bauernkindes beste Kameraden, für die alles Nürnberger Spielzeug ein Stadtkind nur dürftig entschädigt. Wenn das Stadtkind der Blechtrompete überdrüssig wird, wenn das Schaukelpferd Mähne und Schwanz einbüßt und dadurch seine Hauptreize verliert, wenn der Hampelmann Arme und Beine schlaff hängen läßt und die Bleisoldaten nur noch zum Einschmelzen tauglich scheinen, da hat das Bauernkind sein lebendiges Spielzeug noch im besten Stande, und wo ein richtiger Hof ist, giebt's ohn'
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |