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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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1735 warnend im Geständniß standen, vergessen mußte, war Kind geblieben, ungeachtet die alte Marga von Jahr zu Jahr mehr Bartseife von Wolfenbüttel verschreiben mußte, war immer stiller und immer friedfertiger geworden, je mehr die Möglichkeit einer Doppelexistenz in das Reich der Jugendphantasieen hinabsank, und spann sich allmählich in jenes Traumleben harmloser Naturen hinein, das in heiterer Unbedeutendheit und auf der ebenen Straße des Nichterlebens fast dasselbe Glück schon erreicht zu haben scheint, nach welchem stürmische Naturen auf gefahrdrohenden Wegen noch erst jagen.

Der Küster von St. Gertrauden wäre nicht so bald zum Entschluß gekommen, ob er nach Hause gehen oder ob er die Pfarrwittwe benachrichtigen solle, hätte sich nicht von fern auf der Landstraße ein "fechtender" Handwerksbursche gezeigt, der ihn aus seinen Betrachtungen aufstörte. Sein Herankommen abzuwarten, das schien ihm ein zu großer Zeitverlust -- er hätte den Werth der Zeit nimmer bedacht, wenn es nicht auf einen Andern zu warten galt; -- sich davonzumachen, das sah einer durch Geiz eingegebenen Flucht gleich. Er zog seinen Tabaksbeutel und holte einen kupfernen Dreier hervor; dann fiel ihm aber ein, wie er selbst schon heute früh einen Groschen vertrunken hatte, und wie unchristlich es sei, einen dürftigen Bruder nach eigener Sättigung so kärglich zu bedenken. Er nahm deshalb einen Groschen heraus, wickelte ihn in Papier und machte dem

1735 warnend im Geständniß standen, vergessen mußte, war Kind geblieben, ungeachtet die alte Marga von Jahr zu Jahr mehr Bartseife von Wolfenbüttel verschreiben mußte, war immer stiller und immer friedfertiger geworden, je mehr die Möglichkeit einer Doppelexistenz in das Reich der Jugendphantasieen hinabsank, und spann sich allmählich in jenes Traumleben harmloser Naturen hinein, das in heiterer Unbedeutendheit und auf der ebenen Straße des Nichterlebens fast dasselbe Glück schon erreicht zu haben scheint, nach welchem stürmische Naturen auf gefahrdrohenden Wegen noch erst jagen.

Der Küster von St. Gertrauden wäre nicht so bald zum Entschluß gekommen, ob er nach Hause gehen oder ob er die Pfarrwittwe benachrichtigen solle, hätte sich nicht von fern auf der Landstraße ein „fechtender“ Handwerksbursche gezeigt, der ihn aus seinen Betrachtungen aufstörte. Sein Herankommen abzuwarten, das schien ihm ein zu großer Zeitverlust — er hätte den Werth der Zeit nimmer bedacht, wenn es nicht auf einen Andern zu warten galt; — sich davonzumachen, das sah einer durch Geiz eingegebenen Flucht gleich. Er zog seinen Tabaksbeutel und holte einen kupfernen Dreier hervor; dann fiel ihm aber ein, wie er selbst schon heute früh einen Groschen vertrunken hatte, und wie unchristlich es sei, einen dürftigen Bruder nach eigener Sättigung so kärglich zu bedenken. Er nahm deshalb einen Groschen heraus, wickelte ihn in Papier und machte dem

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[0033] 1735 warnend im Geständniß standen, vergessen mußte, war Kind geblieben, ungeachtet die alte Marga von Jahr zu Jahr mehr Bartseife von Wolfenbüttel verschreiben mußte, war immer stiller und immer friedfertiger geworden, je mehr die Möglichkeit einer Doppelexistenz in das Reich der Jugendphantasieen hinabsank, und spann sich allmählich in jenes Traumleben harmloser Naturen hinein, das in heiterer Unbedeutendheit und auf der ebenen Straße des Nichterlebens fast dasselbe Glück schon erreicht zu haben scheint, nach welchem stürmische Naturen auf gefahrdrohenden Wegen noch erst jagen. Der Küster von St. Gertrauden wäre nicht so bald zum Entschluß gekommen, ob er nach Hause gehen oder ob er die Pfarrwittwe benachrichtigen solle, hätte sich nicht von fern auf der Landstraße ein „fechtender“ Handwerksbursche gezeigt, der ihn aus seinen Betrachtungen aufstörte. Sein Herankommen abzuwarten, das schien ihm ein zu großer Zeitverlust — er hätte den Werth der Zeit nimmer bedacht, wenn es nicht auf einen Andern zu warten galt; — sich davonzumachen, das sah einer durch Geiz eingegebenen Flucht gleich. Er zog seinen Tabaksbeutel und holte einen kupfernen Dreier hervor; dann fiel ihm aber ein, wie er selbst schon heute früh einen Groschen vertrunken hatte, und wie unchristlich es sei, einen dürftigen Bruder nach eigener Sättigung so kärglich zu bedenken. Er nahm deshalb einen Groschen heraus, wickelte ihn in Papier und machte dem

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/33>, abgerufen am 27.11.2024.