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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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mir Eine, die nicht vorm Spiegel steht, so oft ein fremder Besuch erwartet wird, den Kaffee aber überkochen und die Milch verbrennen läßt, so oft nur der Herr Gemahl zu bedienen ist; findet mir Eine heutigen Tags, die das Alles nicht thut, und Ihr habt mehr Glück, als der Schützenkönig Geschick braucht, um den Vogel herabzuschießen.

Frau Dorothee setzte sich nach Abfeuerung dieses Salutschusses dem Küster gegenüber und ließ ihre runde Hand in dem Sonnenstrahle hin und her gleiten, der die blanke Tischplatte beschien. Der vermeintliche Freier erwog im Herzen die von der erfahrenen Wirthin vorgebrachten Bedenken und fand sie so gerechtfertigt, daß er es für einen Anfall von Narrheit hielt, sich überhaupt in seiner Lage noch mit solcherlei Planen herumzutragen.

Er wollte so eben seine Beistimmung ausdrücken, als die Wirthin, mit der zweiten Ladung fertig, von Neuem in Schußlinie vorrückte und ihm das Wort von der Lippe ins Herz zurückfeuerte.

Ich kann über dergleichen mitsprechen, sagte sie und trommelte mit den Fingern die Begleitung, denn als Wirthin lernt man Menschen kennen. Was an den Mägden heut zu Tage ist, weiß eine Wirthin, wie keine Andere. Darüber ist schon einmal nicht zu streiten. Es geht nicht mehr in Zucht und Ordnung zu, wie zu der Zeit, da ich aufgewachsen bin. Die nicht in Dienst treten, taugen noch weniger. Fragt in der Wolfenbütteler Leihbibliothek nach: man wird's Euch schon sagen, wer die Eselsohren in die Bücher hinein lies't. Zu meiner

mir Eine, die nicht vorm Spiegel steht, so oft ein fremder Besuch erwartet wird, den Kaffee aber überkochen und die Milch verbrennen läßt, so oft nur der Herr Gemahl zu bedienen ist; findet mir Eine heutigen Tags, die das Alles nicht thut, und Ihr habt mehr Glück, als der Schützenkönig Geschick braucht, um den Vogel herabzuschießen.

Frau Dorothee setzte sich nach Abfeuerung dieses Salutschusses dem Küster gegenüber und ließ ihre runde Hand in dem Sonnenstrahle hin und her gleiten, der die blanke Tischplatte beschien. Der vermeintliche Freier erwog im Herzen die von der erfahrenen Wirthin vorgebrachten Bedenken und fand sie so gerechtfertigt, daß er es für einen Anfall von Narrheit hielt, sich überhaupt in seiner Lage noch mit solcherlei Planen herumzutragen.

Er wollte so eben seine Beistimmung ausdrücken, als die Wirthin, mit der zweiten Ladung fertig, von Neuem in Schußlinie vorrückte und ihm das Wort von der Lippe ins Herz zurückfeuerte.

Ich kann über dergleichen mitsprechen, sagte sie und trommelte mit den Fingern die Begleitung, denn als Wirthin lernt man Menschen kennen. Was an den Mägden heut zu Tage ist, weiß eine Wirthin, wie keine Andere. Darüber ist schon einmal nicht zu streiten. Es geht nicht mehr in Zucht und Ordnung zu, wie zu der Zeit, da ich aufgewachsen bin. Die nicht in Dienst treten, taugen noch weniger. Fragt in der Wolfenbütteler Leihbibliothek nach: man wird's Euch schon sagen, wer die Eselsohren in die Bücher hinein lies't. Zu meiner

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[0021] mir Eine, die nicht vorm Spiegel steht, so oft ein fremder Besuch erwartet wird, den Kaffee aber überkochen und die Milch verbrennen läßt, so oft nur der Herr Gemahl zu bedienen ist; findet mir Eine heutigen Tags, die das Alles nicht thut, und Ihr habt mehr Glück, als der Schützenkönig Geschick braucht, um den Vogel herabzuschießen. Frau Dorothee setzte sich nach Abfeuerung dieses Salutschusses dem Küster gegenüber und ließ ihre runde Hand in dem Sonnenstrahle hin und her gleiten, der die blanke Tischplatte beschien. Der vermeintliche Freier erwog im Herzen die von der erfahrenen Wirthin vorgebrachten Bedenken und fand sie so gerechtfertigt, daß er es für einen Anfall von Narrheit hielt, sich überhaupt in seiner Lage noch mit solcherlei Planen herumzutragen. Er wollte so eben seine Beistimmung ausdrücken, als die Wirthin, mit der zweiten Ladung fertig, von Neuem in Schußlinie vorrückte und ihm das Wort von der Lippe ins Herz zurückfeuerte. Ich kann über dergleichen mitsprechen, sagte sie und trommelte mit den Fingern die Begleitung, denn als Wirthin lernt man Menschen kennen. Was an den Mägden heut zu Tage ist, weiß eine Wirthin, wie keine Andere. Darüber ist schon einmal nicht zu streiten. Es geht nicht mehr in Zucht und Ordnung zu, wie zu der Zeit, da ich aufgewachsen bin. Die nicht in Dienst treten, taugen noch weniger. Fragt in der Wolfenbütteler Leihbibliothek nach: man wird's Euch schon sagen, wer die Eselsohren in die Bücher hinein lies't. Zu meiner

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/21>, abgerufen am 23.11.2024.