Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und der einsame Hahn, der sich als Windfahne auf dem Strohdache drehte, durfte nicht minder für ein Wappenschild des uralten Küstergeschlechts gelten, als dies die Aufgabe des lebendigen Hahns war, der als Junggeselle die Stube des Küsters mitbewohnte und allemal durch einen Nachfolger ersetzt wurde, sobald er ausgekräht hatte. Er pflegte schwarz von Federn zu sein. Auf dem Meierhofe der Habermus jenseits des Erlenkamps hielt man immer schwarze Hähne als Ersatz in Bereitschaft, und nur ein einziges Mal (im Jahre 1699) war man, in Folge eines Fuchseinbruchs, genöthigt gewesen, acht Tage lang sich mit einem roth und grün gescheckten Spornträger zu behelfen, bis der aus Bevern verschriebene schwarze Ersatz eingerückt war. Inzwischen hatte der Zeitgeist auch in Hedeper neue Farben an die Häuser, Laternen- und Verordnungspfähle gemalt, hatte den Hedeper Stadt- und Landanzeiger bis zu dem Format eines Pulsnitzer Groschenkuchens ausgeweitet, hatte an die Stelle der Nachthüterin mit dem Kuhhorn einen vierschrötigen Nachtwächter mit Schnarre und Pike gesetzt, hatte dem Thurm von St. Gertrauden eine vergoldete Krone als Vermächtniß der ältesten Jungfrau des Oertchens verschafft, hatte den Schlagbaum mit einer Vorrichtung zum Aufwinden und Niederlassen versehen und gar mancherlei Neuerungen eingeführt, welche auf den Geist der Einwohner von Hedeper nicht ohne Einfluß blieben. Fand auch manche solcher Neuerungen Anfangs entschiedenen Widerstand, namentlich ein von und der einsame Hahn, der sich als Windfahne auf dem Strohdache drehte, durfte nicht minder für ein Wappenschild des uralten Küstergeschlechts gelten, als dies die Aufgabe des lebendigen Hahns war, der als Junggeselle die Stube des Küsters mitbewohnte und allemal durch einen Nachfolger ersetzt wurde, sobald er ausgekräht hatte. Er pflegte schwarz von Federn zu sein. Auf dem Meierhofe der Habermus jenseits des Erlenkamps hielt man immer schwarze Hähne als Ersatz in Bereitschaft, und nur ein einziges Mal (im Jahre 1699) war man, in Folge eines Fuchseinbruchs, genöthigt gewesen, acht Tage lang sich mit einem roth und grün gescheckten Spornträger zu behelfen, bis der aus Bevern verschriebene schwarze Ersatz eingerückt war. Inzwischen hatte der Zeitgeist auch in Hedeper neue Farben an die Häuser, Laternen- und Verordnungspfähle gemalt, hatte den Hedeper Stadt- und Landanzeiger bis zu dem Format eines Pulsnitzer Groschenkuchens ausgeweitet, hatte an die Stelle der Nachthüterin mit dem Kuhhorn einen vierschrötigen Nachtwächter mit Schnarre und Pike gesetzt, hatte dem Thurm von St. Gertrauden eine vergoldete Krone als Vermächtniß der ältesten Jungfrau des Oertchens verschafft, hatte den Schlagbaum mit einer Vorrichtung zum Aufwinden und Niederlassen versehen und gar mancherlei Neuerungen eingeführt, welche auf den Geist der Einwohner von Hedeper nicht ohne Einfluß blieben. Fand auch manche solcher Neuerungen Anfangs entschiedenen Widerstand, namentlich ein von <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0012"/> und der einsame Hahn, der sich als Windfahne auf dem Strohdache drehte, durfte nicht minder für ein Wappenschild des uralten Küstergeschlechts gelten, als dies die Aufgabe des lebendigen Hahns war, der als Junggeselle die Stube des Küsters mitbewohnte und allemal durch einen Nachfolger ersetzt wurde, sobald er ausgekräht hatte. Er pflegte schwarz von Federn zu sein. Auf dem Meierhofe der Habermus jenseits des Erlenkamps hielt man immer schwarze Hähne als Ersatz in Bereitschaft, und nur ein einziges Mal (im Jahre 1699) war man, in Folge eines Fuchseinbruchs, genöthigt gewesen, acht Tage lang sich mit einem roth und grün gescheckten Spornträger zu behelfen, bis der aus Bevern verschriebene schwarze Ersatz eingerückt war.</p><lb/> <p>Inzwischen hatte der Zeitgeist auch in Hedeper neue Farben an die Häuser, Laternen- und Verordnungspfähle gemalt, hatte den Hedeper Stadt- und Landanzeiger bis zu dem Format eines Pulsnitzer Groschenkuchens ausgeweitet, hatte an die Stelle der Nachthüterin mit dem Kuhhorn einen vierschrötigen Nachtwächter mit Schnarre und Pike gesetzt, hatte dem Thurm von St. Gertrauden eine vergoldete Krone als Vermächtniß der ältesten Jungfrau des Oertchens verschafft, hatte den Schlagbaum mit einer Vorrichtung zum Aufwinden und Niederlassen versehen und gar mancherlei Neuerungen eingeführt, welche auf den Geist der Einwohner von Hedeper nicht ohne Einfluß blieben. Fand auch manche solcher Neuerungen Anfangs entschiedenen Widerstand, namentlich ein von<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
und der einsame Hahn, der sich als Windfahne auf dem Strohdache drehte, durfte nicht minder für ein Wappenschild des uralten Küstergeschlechts gelten, als dies die Aufgabe des lebendigen Hahns war, der als Junggeselle die Stube des Küsters mitbewohnte und allemal durch einen Nachfolger ersetzt wurde, sobald er ausgekräht hatte. Er pflegte schwarz von Federn zu sein. Auf dem Meierhofe der Habermus jenseits des Erlenkamps hielt man immer schwarze Hähne als Ersatz in Bereitschaft, und nur ein einziges Mal (im Jahre 1699) war man, in Folge eines Fuchseinbruchs, genöthigt gewesen, acht Tage lang sich mit einem roth und grün gescheckten Spornträger zu behelfen, bis der aus Bevern verschriebene schwarze Ersatz eingerückt war.
Inzwischen hatte der Zeitgeist auch in Hedeper neue Farben an die Häuser, Laternen- und Verordnungspfähle gemalt, hatte den Hedeper Stadt- und Landanzeiger bis zu dem Format eines Pulsnitzer Groschenkuchens ausgeweitet, hatte an die Stelle der Nachthüterin mit dem Kuhhorn einen vierschrötigen Nachtwächter mit Schnarre und Pike gesetzt, hatte dem Thurm von St. Gertrauden eine vergoldete Krone als Vermächtniß der ältesten Jungfrau des Oertchens verschafft, hatte den Schlagbaum mit einer Vorrichtung zum Aufwinden und Niederlassen versehen und gar mancherlei Neuerungen eingeführt, welche auf den Geist der Einwohner von Hedeper nicht ohne Einfluß blieben. Fand auch manche solcher Neuerungen Anfangs entschiedenen Widerstand, namentlich ein von
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Zitationshilfe: | Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/12>, abgerufen am 17.02.2025. |