Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

lischen Ehe ist eine Silbenstecherei. Die vielen Gründe für die
Nichtigkeitserklärung einer katholischen Ehe und die noch im 19. Jahr-
hundert vorgekommenen päpstlichen Dispense zu Ehescheidungen werden
dabei ignoriert. Jede zu weit gehende Beschränkung der Ehescheidung
trifft ferner die ärmeren Klassen, z. B. gemißhandelte Arbeiterfrauen,
besonders schwer, wie der Mainzer Rechtsanwalt Dr. L. Fuld in
Nord und Süd, August 1895, treffend ausführte.

D. Ein an formelle Rechtsbestimmungen gebundenes Gericht
kann gegen einen Verschwender gewöhnlich erst einschreiten, wenn
es zu spät ist. Ein Ehrengericht, sozusagen ein Billigkeitsgericht,
bei dem auch Frauen mitwirken könnten, vermöchte dagegen recht-
zeitig einzuschreiten. Das Schachspiel wird nie, oder fast nie um
Geld gespielt. Die Ehrengerichte könnten daher jedes hohe Karten-
spiel
, Rennwetten, ein leichtsinniges Börsenspiel verbieten, Übertre-
tungen des Verbots mit Verweisen, zeitweiligen und lebenslänglichen
Verrufserklärungen bestrafen. Auch der Staat und die Staaten
können manches thun, z. B. durch die Bestrafung mitschuldiger
Bankiers, durch die Schließung der Spiel-"Banken" in Monaco u.s.w.
Manche behaupten, Pferderennen seien eine Tierquälerei. Das ist
vielleicht übertrieben, aber Distanzritte, das sog. Taubenschießen, Grau-
samkeiten auf der Dachsjagd und dergl. sind entschieden zu verbieten.
Sachkenner führen aus, die Rennen seien weder im Jnteresse der Pferde-
zucht, noch des Militärdienstes nötig. Wenn diese Ansicht richtig ist, so
werden die Rennen in Deutschland und anderswo abgeschafft werden.

Auch die Frauen, die ein wesentlicher Faktor der öffentlichen
Meinung
sind, langsam, aber stetig an Macht zunehmen, haben ein
dringendes Jnteresse an der Abschaffung der Duelle und Studenten-
mensuren
, in denen so manche Ernährer und künftige Stützen von
Familien fallen. Wenn jemand immer Mensuren, Duelle und andere
Allotria im Kopfe hat, so verliert er leicht, den Sinn für die Wissen-
schaft, für die Jnteressen der modernen Kultur, des Liberalismus und
gemäßigten Konservatismus, des Deutschtums, des Protestantismus
gegenüber dem Feudalismus, Partikularismus, Ultramontanismus,
Sozialismus, polnischen, tschechischen, magyarischen Chauvinismus.
(Vgl. oben S. 26.)

Das Vermögen, oder Sparkassen-Guthaben einer Frau
muß gegen etwaige Gelüste ihres Mannes, aber auch gegen ihre
etwaige eigene Unvernunft geschützt werden. Sie kann z. B. Geld

lischen Ehe ist eine Silbenstecherei. Die vielen Gründe für die
Nichtigkeitserklärung einer katholischen Ehe und die noch im 19. Jahr-
hundert vorgekommenen päpstlichen Dispense zu Ehescheidungen werden
dabei ignoriert. Jede zu weit gehende Beschränkung der Ehescheidung
trifft ferner die ärmeren Klassen, z. B. gemißhandelte Arbeiterfrauen,
besonders schwer, wie der Mainzer Rechtsanwalt Dr. L. Fuld in
Nord und Süd, August 1895, treffend ausführte.

D. Ein an formelle Rechtsbestimmungen gebundenes Gericht
kann gegen einen Verschwender gewöhnlich erst einschreiten, wenn
es zu spät ist. Ein Ehrengericht, sozusagen ein Billigkeitsgericht,
bei dem auch Frauen mitwirken könnten, vermöchte dagegen recht-
zeitig einzuschreiten. Das Schachspiel wird nie, oder fast nie um
Geld gespielt. Die Ehrengerichte könnten daher jedes hohe Karten-
spiel
, Rennwetten, ein leichtsinniges Börsenspiel verbieten, Übertre-
tungen des Verbots mit Verweisen, zeitweiligen und lebenslänglichen
Verrufserklärungen bestrafen. Auch der Staat und die Staaten
können manches thun, z. B. durch die Bestrafung mitschuldiger
Bankiers, durch die Schließung der Spiel-„Banken“ in Monaco u.s.w.
Manche behaupten, Pferderennen seien eine Tierquälerei. Das ist
vielleicht übertrieben, aber Distanzritte, das sog. Taubenschießen, Grau-
samkeiten auf der Dachsjagd und dergl. sind entschieden zu verbieten.
Sachkenner führen aus, die Rennen seien weder im Jnteresse der Pferde-
zucht, noch des Militärdienstes nötig. Wenn diese Ansicht richtig ist, so
werden die Rennen in Deutschland und anderswo abgeschafft werden.

Auch die Frauen, die ein wesentlicher Faktor der öffentlichen
Meinung
sind, langsam, aber stetig an Macht zunehmen, haben ein
dringendes Jnteresse an der Abschaffung der Duelle und Studenten-
mensuren
, in denen so manche Ernährer und künftige Stützen von
Familien fallen. Wenn jemand immer Mensuren, Duelle und andere
Allotria im Kopfe hat, so verliert er leicht, den Sinn für die Wissen-
schaft, für die Jnteressen der modernen Kultur, des Liberalismus und
gemäßigten Konservatismus, des Deutschtums, des Protestantismus
gegenüber dem Feudalismus, Partikularismus, Ultramontanismus,
Sozialismus, polnischen, tschechischen, magyarischen Chauvinismus.
(Vgl. oben S. 26.)

Das Vermögen, oder Sparkassen-Guthaben einer Frau
muß gegen etwaige Gelüste ihres Mannes, aber auch gegen ihre
etwaige eigene Unvernunft geschützt werden. Sie kann z. B. Geld

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <list>
          <item>
            <p><pb facs="#f0038" n="32"/>
lischen Ehe ist eine Silbenstecherei. Die vielen Gründe für die<lb/>
Nichtigkeitserklärung einer katholischen Ehe und die noch im 19. Jahr-<lb/>
hundert vorgekommenen päpstlichen Dispense zu Ehescheidungen werden<lb/>
dabei ignoriert. Jede zu weit gehende Beschränkung der Ehescheidung<lb/>
trifft ferner die ärmeren Klassen, z. B. gemißhandelte Arbeiterfrauen,<lb/>
besonders schwer, wie der Mainzer Rechtsanwalt <hi rendition="#aq">Dr</hi>. L. Fuld in<lb/>
Nord und Süd, August 1895, treffend ausführte.</p>
          </item><lb/>
          <item><hi rendition="#aq">D</hi>. Ein an formelle Rechtsbestimmungen gebundenes Gericht<lb/>
kann gegen einen <hi rendition="#g">Verschwender</hi> gewöhnlich erst einschreiten, wenn<lb/>
es zu spät ist. Ein <hi rendition="#g">Ehrengericht</hi>, sozusagen ein Billigkeitsgericht,<lb/>
bei dem auch <hi rendition="#g">Frauen mitwirken</hi> könnten, vermöchte dagegen recht-<lb/>
zeitig einzuschreiten. Das Schachspiel wird nie, oder fast nie um<lb/>
Geld gespielt. Die Ehrengerichte könnten daher jedes <hi rendition="#g">hohe Karten-<lb/>
spiel</hi>, Rennwetten, ein leichtsinniges Börsenspiel verbieten, Übertre-<lb/>
tungen des Verbots mit Verweisen, zeitweiligen und lebenslänglichen<lb/><hi rendition="#g">Verrufserklärungen</hi> bestrafen. Auch der Staat und die Staaten<lb/>
können manches thun, z. B. durch die Bestrafung mitschuldiger<lb/>
Bankiers, durch die Schließung der <hi rendition="#g">Spiel</hi>-&#x201E;Banken&#x201C; in Monaco u.s.w.<lb/>
Manche behaupten, <hi rendition="#g">Pferderennen</hi> seien eine Tierquälerei. Das ist<lb/>
vielleicht übertrieben, aber Distanzritte, das sog. Taubenschießen, Grau-<lb/>
samkeiten auf der Dachsjagd und dergl. sind entschieden zu verbieten.<lb/>
Sachkenner führen aus, die Rennen seien weder im Jnteresse der Pferde-<lb/>
zucht, noch des Militärdienstes nötig. Wenn diese Ansicht richtig ist, so<lb/>
werden die Rennen in Deutschland und anderswo abgeschafft werden.<lb/><p>Auch die <hi rendition="#g">Frauen</hi>, die ein wesentlicher Faktor der <hi rendition="#g">öffentlichen<lb/>
Meinung</hi> sind, langsam, aber stetig an Macht zunehmen, haben ein<lb/>
dringendes Jnteresse an der Abschaffung der <hi rendition="#g">Duelle</hi> und <hi rendition="#g">Studenten-<lb/>
mensuren</hi>, in denen so manche Ernährer und künftige Stützen von<lb/>
Familien fallen. Wenn jemand immer Mensuren, Duelle und andere<lb/>
Allotria im Kopfe hat, so verliert er leicht, den Sinn für die Wissen-<lb/>
schaft, für die Jnteressen der modernen Kultur, des Liberalismus und<lb/>
gemäßigten Konservatismus, des Deutschtums, des Protestantismus<lb/>
gegenüber dem Feudalismus, Partikularismus, Ultramontanismus,<lb/>
Sozialismus, polnischen, tschechischen, magyarischen Chauvinismus.<lb/>
(Vgl. oben S. 26.)</p><lb/><p>Das <hi rendition="#g">Vermögen</hi>, oder <hi rendition="#g">Sparkassen-Guthaben</hi> einer Frau<lb/>
muß gegen etwaige Gelüste ihres Mannes, aber auch gegen ihre<lb/>
etwaige <hi rendition="#g">eigene</hi> Unvernunft geschützt werden. Sie kann z. B. Geld<lb/></p></item>
        </list>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0038] lischen Ehe ist eine Silbenstecherei. Die vielen Gründe für die Nichtigkeitserklärung einer katholischen Ehe und die noch im 19. Jahr- hundert vorgekommenen päpstlichen Dispense zu Ehescheidungen werden dabei ignoriert. Jede zu weit gehende Beschränkung der Ehescheidung trifft ferner die ärmeren Klassen, z. B. gemißhandelte Arbeiterfrauen, besonders schwer, wie der Mainzer Rechtsanwalt Dr. L. Fuld in Nord und Süd, August 1895, treffend ausführte. D. Ein an formelle Rechtsbestimmungen gebundenes Gericht kann gegen einen Verschwender gewöhnlich erst einschreiten, wenn es zu spät ist. Ein Ehrengericht, sozusagen ein Billigkeitsgericht, bei dem auch Frauen mitwirken könnten, vermöchte dagegen recht- zeitig einzuschreiten. Das Schachspiel wird nie, oder fast nie um Geld gespielt. Die Ehrengerichte könnten daher jedes hohe Karten- spiel, Rennwetten, ein leichtsinniges Börsenspiel verbieten, Übertre- tungen des Verbots mit Verweisen, zeitweiligen und lebenslänglichen Verrufserklärungen bestrafen. Auch der Staat und die Staaten können manches thun, z. B. durch die Bestrafung mitschuldiger Bankiers, durch die Schließung der Spiel-„Banken“ in Monaco u.s.w. Manche behaupten, Pferderennen seien eine Tierquälerei. Das ist vielleicht übertrieben, aber Distanzritte, das sog. Taubenschießen, Grau- samkeiten auf der Dachsjagd und dergl. sind entschieden zu verbieten. Sachkenner führen aus, die Rennen seien weder im Jnteresse der Pferde- zucht, noch des Militärdienstes nötig. Wenn diese Ansicht richtig ist, so werden die Rennen in Deutschland und anderswo abgeschafft werden. Auch die Frauen, die ein wesentlicher Faktor der öffentlichen Meinung sind, langsam, aber stetig an Macht zunehmen, haben ein dringendes Jnteresse an der Abschaffung der Duelle und Studenten- mensuren, in denen so manche Ernährer und künftige Stützen von Familien fallen. Wenn jemand immer Mensuren, Duelle und andere Allotria im Kopfe hat, so verliert er leicht, den Sinn für die Wissen- schaft, für die Jnteressen der modernen Kultur, des Liberalismus und gemäßigten Konservatismus, des Deutschtums, des Protestantismus gegenüber dem Feudalismus, Partikularismus, Ultramontanismus, Sozialismus, polnischen, tschechischen, magyarischen Chauvinismus. (Vgl. oben S. 26.) Das Vermögen, oder Sparkassen-Guthaben einer Frau muß gegen etwaige Gelüste ihres Mannes, aber auch gegen ihre etwaige eigene Unvernunft geschützt werden. Sie kann z. B. Geld

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/38
Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/38>, abgerufen am 25.11.2024.