Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.nach A. v. Studnitz manchmal in Amerika. Von Krankenwärterinnen Es ist übertrieben, Mädchengymnasien kurzweg für überflüssig Walcker, Die Frauenbewegung. 2
nach A. v. Studnitz manchmal in Amerika. Von Krankenwärterinnen Es ist übertrieben, Mädchengymnasien kurzweg für überflüssig Walcker, Die Frauenbewegung. 2
<TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="17"/> nach A. v. Studnitz manchmal in Amerika. Von Krankenwärterinnen<lb/> kann man nicht sagen, daß sie Männern das Brot wegnehmen, wohl<lb/> indes von manchen Verkäuferinnen, Buchhalterinnen u. s. w. Wenn<lb/> Frl. <hi rendition="#aq">A</hi>, Frl. <hi rendition="#aq">B</hi> und Herr <hi rendition="#aq">C</hi> sich um eine Stelle bewerben, und wenn<lb/> Frl. <hi rendition="#aq">A</hi> siegt, so ist das nur ein privat-, nicht ein volkswirtschaftlicher<lb/> Vorteil. Frl. <hi rendition="#aq">B</hi> kann z. B. verhindert werden, ihre kranke Mutter<lb/> zu unterstützen. Herr <hi rendition="#aq">C</hi> kann verhindert werden, seine Braut, Frl. <hi rendition="#aq">D</hi>,<lb/> zu heiraten u. s. w.</p><lb/> <p>Es ist übertrieben, <hi rendition="#g">Mädchengymnasien</hi> kurzweg für überflüssig<lb/> oder schädlich zu erklären; es ist jedoch verkehrt, für sie zu schwärmen.<lb/> Es wäre keineswegs erfreulich, wenn zum männlichen Gelehrtenpro-<lb/> letariat noch ein weibliches Gelehrtenproletariat käme. Beim <hi rendition="#g">Studium</hi><lb/> reicher, begabter Damen fällt dies Bedenken fort. Viele von ihnen<lb/> scheinen indes zu glauben, eine rite promovierte Doktorin werde not-<lb/> wendigerweise von allen gebildeten Männern und Frauen als eine<lb/> Geistesaristokratin angesehen. Manche Personen dürften wirklich so<lb/> naiv sein, klügere geben auf einen Doktortitel nicht allzu viel. Sie<lb/> sehen auf die Begabung und die Leistungen der betreffenden weiblichen<lb/> oder männlichen Persönlichkeit. Auch Frauen können unter Umständen<lb/> auf dem Gebiete der geistigen Arbeit, manchmal sogar der Wissen-<lb/> schaft, Bedeutendes leisten, ohne je studiert zu haben. Der Streit<lb/> für und wider die sog. <hi rendition="#g">Öffnung der Universitäten</hi> dreht sich immer,<lb/> oder fast immer nur um die Frage der körperlichen und geistigen<lb/> Befähigung der Frauen zum Studium. Die Sache hat indes noch<lb/> eine andere, viel wichtigere Seite. Die vollständige Öffnung würde<lb/> dazu führen, daß die Zuhörerinnen an ihrem weiblichen Zartgefühl<lb/> Schaden leiden würden, oder daß die Universitäten sozusagen auf<lb/> das Niveau von Backfisch-Schulen hinabgedrückt würden. Die<lb/> Professoren der Medizin wären nicht einmal am schlimmsten daran.<lb/> Jch habe dies Fach 1 ¼ Jahre studiert, und weiß daher, wie objektiv,<lb/> mit wie vielen lateinischen Fachausdrücken die Anatomie vorgetragen<lb/> wird. Ein Professor des Strafrechts ist dagegen berechtigt, ja ver-<lb/> pflichtet, künftigen Staatsanwälten und Richtern den Ausdruck Tri-<lb/> badie zu erklären, vielleicht die bezügliche Stelle aus A. v. Öttingen's<lb/> Moralstatistik vorzulesen. Jn anderen Vorlesungen muß von Theodora<lb/> und Marozia, Lucrezia Borgia, von der Bevölkerungspolitik, von der<lb/> Abfuhr der städtischen Fäkalien, von den technischen Ausdrücken der<lb/> Pferdezucht u. s. w. die Rede sein. Wie soll das alles möglich<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Walcker</hi>, Die Frauenbewegung. 2</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0023]
nach A. v. Studnitz manchmal in Amerika. Von Krankenwärterinnen
kann man nicht sagen, daß sie Männern das Brot wegnehmen, wohl
indes von manchen Verkäuferinnen, Buchhalterinnen u. s. w. Wenn
Frl. A, Frl. B und Herr C sich um eine Stelle bewerben, und wenn
Frl. A siegt, so ist das nur ein privat-, nicht ein volkswirtschaftlicher
Vorteil. Frl. B kann z. B. verhindert werden, ihre kranke Mutter
zu unterstützen. Herr C kann verhindert werden, seine Braut, Frl. D,
zu heiraten u. s. w.
Es ist übertrieben, Mädchengymnasien kurzweg für überflüssig
oder schädlich zu erklären; es ist jedoch verkehrt, für sie zu schwärmen.
Es wäre keineswegs erfreulich, wenn zum männlichen Gelehrtenpro-
letariat noch ein weibliches Gelehrtenproletariat käme. Beim Studium
reicher, begabter Damen fällt dies Bedenken fort. Viele von ihnen
scheinen indes zu glauben, eine rite promovierte Doktorin werde not-
wendigerweise von allen gebildeten Männern und Frauen als eine
Geistesaristokratin angesehen. Manche Personen dürften wirklich so
naiv sein, klügere geben auf einen Doktortitel nicht allzu viel. Sie
sehen auf die Begabung und die Leistungen der betreffenden weiblichen
oder männlichen Persönlichkeit. Auch Frauen können unter Umständen
auf dem Gebiete der geistigen Arbeit, manchmal sogar der Wissen-
schaft, Bedeutendes leisten, ohne je studiert zu haben. Der Streit
für und wider die sog. Öffnung der Universitäten dreht sich immer,
oder fast immer nur um die Frage der körperlichen und geistigen
Befähigung der Frauen zum Studium. Die Sache hat indes noch
eine andere, viel wichtigere Seite. Die vollständige Öffnung würde
dazu führen, daß die Zuhörerinnen an ihrem weiblichen Zartgefühl
Schaden leiden würden, oder daß die Universitäten sozusagen auf
das Niveau von Backfisch-Schulen hinabgedrückt würden. Die
Professoren der Medizin wären nicht einmal am schlimmsten daran.
Jch habe dies Fach 1 ¼ Jahre studiert, und weiß daher, wie objektiv,
mit wie vielen lateinischen Fachausdrücken die Anatomie vorgetragen
wird. Ein Professor des Strafrechts ist dagegen berechtigt, ja ver-
pflichtet, künftigen Staatsanwälten und Richtern den Ausdruck Tri-
badie zu erklären, vielleicht die bezügliche Stelle aus A. v. Öttingen's
Moralstatistik vorzulesen. Jn anderen Vorlesungen muß von Theodora
und Marozia, Lucrezia Borgia, von der Bevölkerungspolitik, von der
Abfuhr der städtischen Fäkalien, von den technischen Ausdrücken der
Pferdezucht u. s. w. die Rede sein. Wie soll das alles möglich
Walcker, Die Frauenbewegung. 2
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(2018-04-09T14:25:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-04-09T14:25:10Z)
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