Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.Mich halten sie für einen Schwärmer und Und ich möchte doch alle umfassen, alle lieben! Jch stand gestern so vor einem Menschen, der Das lern' ich einseh'n, es kann keine Allge- Lieber, es giebt Dinge, die das innigste Hei- Mich halten ſie fuͤr einen Schwaͤrmer und Und ich moͤchte doch alle umfaſſen, alle lieben! Jch ſtand geſtern ſo vor einem Menſchen, der Das lern’ ich einſeh’n, es kann keine Allge- Lieber, es giebt Dinge, die das innigſte Hei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="85"/> <p>Mich halten ſie fuͤr einen Schwaͤrmer und<lb/> Sonderling. Der eine laͤchelt, der andere ſpoͤttelt<lb/> und wieder einer ruͤmpft bedaͤchtlich die Naſe.</p><lb/> <p>Und ich moͤchte doch alle umfaſſen, alle lieben!</p><lb/> <p>Jch ſtand geſtern ſo vor einem Menſchen, der<lb/> redlich und brav vom Morgen zum Abend arbeitet<lb/> und ſich erſtaunlich viel zu machen weiß aus dem<lb/> bischen Gelehrſamkeit, das er mit Muͤhe zuſam<lb/> mengeſcharrt. Jch wußte von ihm, er habe noch<lb/> nie geliebt, und .... laͤchle nur! ich ſah den Men-<lb/> ſchen an mit einer ſeltſamen Bewegung: ich wun-<lb/> derte mich, daß der Arme nur ſtehen koͤnne ohne<lb/> Liebe, und er glaubte gar, <hi rendition="#g">er ſey vergnuͤgt.</hi></p><lb/> <p>Das lern’ ich einſeh’n, es kann keine Allge-<lb/> meinheit mehr geben in unſerer Zeit: jeder Verſuch<lb/> iſt vergebens. Darum iſt es das Kluͤgſte, den<lb/> Schmerz in die Bruſt zu preſſen und zu wirken<lb/> fuͤr ſich und andere, ſo viel als moͤglich.</p><lb/> <p>Lieber, es giebt Dinge, die das innigſte Hei-<lb/> ligthum unſerer Seele ſind und Werth und Gehalt<lb/> verlieren, wenn man ſie ausſpricht. Drum laß<lb/> mich ſchweigen. Nur das!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [85/0085]
Mich halten ſie fuͤr einen Schwaͤrmer und
Sonderling. Der eine laͤchelt, der andere ſpoͤttelt
und wieder einer ruͤmpft bedaͤchtlich die Naſe.
Und ich moͤchte doch alle umfaſſen, alle lieben!
Jch ſtand geſtern ſo vor einem Menſchen, der
redlich und brav vom Morgen zum Abend arbeitet
und ſich erſtaunlich viel zu machen weiß aus dem
bischen Gelehrſamkeit, das er mit Muͤhe zuſam
mengeſcharrt. Jch wußte von ihm, er habe noch
nie geliebt, und .... laͤchle nur! ich ſah den Men-
ſchen an mit einer ſeltſamen Bewegung: ich wun-
derte mich, daß der Arme nur ſtehen koͤnne ohne
Liebe, und er glaubte gar, er ſey vergnuͤgt.
Das lern’ ich einſeh’n, es kann keine Allge-
meinheit mehr geben in unſerer Zeit: jeder Verſuch
iſt vergebens. Darum iſt es das Kluͤgſte, den
Schmerz in die Bruſt zu preſſen und zu wirken
fuͤr ſich und andere, ſo viel als moͤglich.
Lieber, es giebt Dinge, die das innigſte Hei-
ligthum unſerer Seele ſind und Werth und Gehalt
verlieren, wenn man ſie ausſpricht. Drum laß
mich ſchweigen. Nur das!
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