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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Es ist schrecklich, wie wenig die Menschen Theil
nehmen an einander ... Glückliche und Unglückli-
che, Lachende und Weinende ... nirgends ein Blick
aus reinem uneigennützigem Herzen ... keine Tu-
gend geliebt um ihrer selbst willen .... alles nur
Eitelkeit und Selbstliebe. Jeder geht nur seinen
eig'nen Weg, und nach dem Schmerz des Bruders
fragt er wenig.

Und jene allwirkende Verbindung von Verstand
und Gemüth, wie ist sie so selten! Das Herz, das
warme, jugendliche, muß um den Geist sich schling-
en, wie Rosen um die ernste Stirne eines Greisen,
wie zarte junge Akazienblätter um graue unerschüt-
terliche Mauern.

Der Verstand ohne Herzenswärme macht un-
erträgliche Pedanten, das Herz ohne den ernsten
Blick des Verstandes wird zur Schwachheit.

Phaethon an Theodor.

Es iſt ſchrecklich, wie wenig die Menſchen Theil
nehmen an einander … Gluͤckliche und Ungluͤckli-
che, Lachende und Weinende … nirgends ein Blick
aus reinem uneigennuͤtzigem Herzen … keine Tu-
gend geliebt um ihrer ſelbſt willen .... alles nur
Eitelkeit und Selbſtliebe. Jeder geht nur ſeinen
eig’nen Weg, und nach dem Schmerz des Bruders
fragt er wenig.

Und jene allwirkende Verbindung von Verſtand
und Gemuͤth, wie iſt ſie ſo ſelten! Das Herz, das
warme, jugendliche, muß um den Geiſt ſich ſchling-
en, wie Roſen um die ernſte Stirne eines Greiſen,
wie zarte junge Akazienblaͤtter um graue unerſchuͤt-
terliche Mauern.

Der Verſtand ohne Herzenswaͤrme macht un-
ertraͤgliche Pedanten, das Herz ohne den ernſten
Blick des Verſtandes wird zur Schwachheit.

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[84/0084] Phaethon an Theodor. Es iſt ſchrecklich, wie wenig die Menſchen Theil nehmen an einander … Gluͤckliche und Ungluͤckli- che, Lachende und Weinende … nirgends ein Blick aus reinem uneigennuͤtzigem Herzen … keine Tu- gend geliebt um ihrer ſelbſt willen .... alles nur Eitelkeit und Selbſtliebe. Jeder geht nur ſeinen eig’nen Weg, und nach dem Schmerz des Bruders fragt er wenig. Und jene allwirkende Verbindung von Verſtand und Gemuͤth, wie iſt ſie ſo ſelten! Das Herz, das warme, jugendliche, muß um den Geiſt ſich ſchling- en, wie Roſen um die ernſte Stirne eines Greiſen, wie zarte junge Akazienblaͤtter um graue unerſchuͤt- terliche Mauern. Der Verſtand ohne Herzenswaͤrme macht un- ertraͤgliche Pedanten, das Herz ohne den ernſten Blick des Verſtandes wird zur Schwachheit.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/84>, abgerufen am 25.11.2024.