Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.Lebe wohl, Geliebte! lebe wohl, rief ich noch Nach und nach ward der Osten von dämmern- Mit jedem Schritte ward's mir schwerer um's Die Morgenglocken vom Dorfe klangen her- Da gieng die Sonne auf und schwebte, wie Jch war auf einem Hügel, wo auf dem ein- Lebe wohl, Geliebte! lebe wohl, rief ich noch Nach und nach ward der Oſten von daͤmmern- Mit jedem Schritte ward’s mir ſchwerer um’s Die Morgenglocken vom Dorfe klangen her- Da gieng die Sonne auf und ſchwebte, wie Jch war auf einem Huͤgel, wo auf dem ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0079" n="79"/> <p>Lebe wohl, Geliebte! lebe wohl, rief ich noch<lb/> einmal in heißen Thraͤnen, ſchwang mich auf’s<lb/> Pferd und flog zum Hofthor hinaus.</p><lb/> <p>Nach und nach ward der Oſten von daͤmmern-<lb/> dem Blaßgelb umſaͤumt. Die Nacht war nicht<lb/> mehr ſo grauſig ſtill. Ein Vogel ſang hie und da<lb/> ſein Morgenlied auf einem Zweige.</p><lb/> <p>Mit jedem Schritte ward’s mir ſchwerer um’s<lb/> Herz. Eine namenloſe Gewalt zog mich zuruͤck.<lb/> Vielleicht, dacht’ ich, ſchlaͤgt ſie nun die Augen<lb/> auf, und .... weint!</p><lb/> <p>Die Morgenglocken vom Dorfe klangen her-<lb/> uͤber mit ihren wohlbekannten Toͤnen durch die Stille.</p><lb/> <p>Da gieng die Sonne auf und ſchwebte, wie<lb/> ein glutrother Flammenball, in ihrer ganzen uner-<lb/> meßlichen Groͤße hinter grauem, am Horizont gela-<lb/> gertem Dufte. Der truͤbe, duͤnngewobene Schleyer<lb/> des huͤllenden Morgennebels verbarg die ferne Land-<lb/> ſchaft dem Blick.</p><lb/> <p>Jch war auf einem Huͤgel, wo auf dem ein-<lb/> ſam verlaſſenen Boden alte breitaͤſtige Eichen und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0079]
Lebe wohl, Geliebte! lebe wohl, rief ich noch
einmal in heißen Thraͤnen, ſchwang mich auf’s
Pferd und flog zum Hofthor hinaus.
Nach und nach ward der Oſten von daͤmmern-
dem Blaßgelb umſaͤumt. Die Nacht war nicht
mehr ſo grauſig ſtill. Ein Vogel ſang hie und da
ſein Morgenlied auf einem Zweige.
Mit jedem Schritte ward’s mir ſchwerer um’s
Herz. Eine namenloſe Gewalt zog mich zuruͤck.
Vielleicht, dacht’ ich, ſchlaͤgt ſie nun die Augen
auf, und .... weint!
Die Morgenglocken vom Dorfe klangen her-
uͤber mit ihren wohlbekannten Toͤnen durch die Stille.
Da gieng die Sonne auf und ſchwebte, wie
ein glutrother Flammenball, in ihrer ganzen uner-
meßlichen Groͤße hinter grauem, am Horizont gela-
gertem Dufte. Der truͤbe, duͤnngewobene Schleyer
des huͤllenden Morgennebels verbarg die ferne Land-
ſchaft dem Blick.
Jch war auf einem Huͤgel, wo auf dem ein-
ſam verlaſſenen Boden alte breitaͤſtige Eichen und
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Zitationshilfe: | Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/79>, abgerufen am 16.02.2025. |