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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Sieh! wenn sie vor mir steht, und so ein uner-
klärbar liebes Wesen um Aug' und Lippen lächelt,
wenn sie mich so ansieht, so ganz voll Unschuld,
Liebe, voll gränzenloser Hingebung, das keusche
Mädchen! Bruder! und ich mir denke, wie ein
frischer schöner Knade lächelt in ihren Armen, ihr
Ebenbild, nur kühner, gewaltiger, wilder als die
ewig sanfte, lächelnde junge Mutter -- und der
Kleine die Aermchen nach mir ausstreckt und sie
selbst, die Liebliche, mit ihrer Mutterliebe blickt
auf den wilden Knaben an ihrem Busen, und dann
auf mich ... wenn ich dann nimmer kann, und
der Guten, Zarten ihre Lippen küsse, ... der Mutter,
der Keuschen, die mein ist ... auf ewig mein. .....

Denke dir, was du willst, da stehen mir die
Sinne still.



Phaethon an Theodor.

Sieh! wenn ſie vor mir ſteht, und ſo ein uner-
klaͤrbar liebes Weſen um Aug’ und Lippen laͤchelt,
wenn ſie mich ſo anſieht, ſo ganz voll Unſchuld,
Liebe, voll graͤnzenloſer Hingebung, das keuſche
Maͤdchen! Bruder! und ich mir denke, wie ein
friſcher ſchoͤner Knade laͤchelt in ihren Armen, ihr
Ebenbild, nur kuͤhner, gewaltiger, wilder als die
ewig ſanfte, laͤchelnde junge Mutter — und der
Kleine die Aermchen nach mir ausſtreckt und ſie
ſelbſt, die Liebliche, mit ihrer Mutterliebe blickt
auf den wilden Knaben an ihrem Buſen, und dann
auf mich … wenn ich dann nimmer kann, und
der Guten, Zarten ihre Lippen kuͤſſe, … der Mutter,
der Keuſchen, die mein iſt … auf ewig mein. .....

Denke dir, was du willſt, da ſtehen mir die
Sinne ſtill.



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[61/0061] Phaethon an Theodor. Sieh! wenn ſie vor mir ſteht, und ſo ein uner- klaͤrbar liebes Weſen um Aug’ und Lippen laͤchelt, wenn ſie mich ſo anſieht, ſo ganz voll Unſchuld, Liebe, voll graͤnzenloſer Hingebung, das keuſche Maͤdchen! Bruder! und ich mir denke, wie ein friſcher ſchoͤner Knade laͤchelt in ihren Armen, ihr Ebenbild, nur kuͤhner, gewaltiger, wilder als die ewig ſanfte, laͤchelnde junge Mutter — und der Kleine die Aermchen nach mir ausſtreckt und ſie ſelbſt, die Liebliche, mit ihrer Mutterliebe blickt auf den wilden Knaben an ihrem Buſen, und dann auf mich … wenn ich dann nimmer kann, und der Guten, Zarten ihre Lippen kuͤſſe, … der Mutter, der Keuſchen, die mein iſt … auf ewig mein. ..... Denke dir, was du willſt, da ſtehen mir die Sinne ſtill.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/61>, abgerufen am 25.11.2024.